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Die Ausstellung "After the Fact" im Münchner Lenbachhaus
Dialektik der Verklärung

"After the Fact. Propaganda im 21. Jahrhundert" - die Ausstellung betrachtet popkulturelle Entwicklungen. Wie man zudem Propaganda für seine Zwecke nutzt, hat Donald Trump auf seiner Europareise kürzlich bewiesen. Auch das wird im Münchner Lenbachhaus ab morgen Thema sein.

Von Andi Hörmann |
    Kuratorin Stephanie Weber vor Plakaten zur Ausstellung "After the Fact. Propaganda im 21. Jahrhundert" (Bild: Andi Hörmann)
    Stephanie Weber, Kuratorin der Ausstellung "After the Fact. Propaganda im 21. Jahrhundert" (Andi Hörmann)
    "Viele Leute fragen nach Trump. Also, wir sind in keiner Form daran interessiert gewesen, eine Ausstellung zu Donald Trump zu machen. Das wäre tierisch langweilig geworden", sagt Stephanie Weber.
    Und jetzt also zutiefst menschlich und überaus spannend? Der Titel der Ausstellung kommt erst mal nüchtern daher: "After the Fact. Propaganda im 21. Jahrhundert". Noch vor der Eröffnung bilden sich die ersten Passanten eine Meinung - vor den schwarz-weißen Plakaten gegenüber dem Münchner Lenbachhaus:
    "Früher hieß es Propaganda, heute sagt man Fake-News."
    "Ohne darüber nachzudenken, hat Propaganda immer etwas Faschistisches. Das ist bei mir im Kopf verknüpft."
    "Ja, man traut es sich nicht, zu sagen. Weil es letztlich bei uns immer Assoziationen an die schrecklichste Zeit, die wir so in der jüngsten Geschichte erlebt haben, hervorruft."
    YouTube, Trump und Pepe der Frosch
    Der Kunstbau, die Experimentierstätte vom Münchner Lenbachhaus, hat etwas von Kriegsbunker - und ist doch nur ein umfunktioniertes Zwischengeschoss der U-Bahn-Station Königsplatz: Fünf Meter hoch, grober Sichtbeton, etwa hundert Meter lang. Schwarze Stoffbahnen unterteilen den Raum.
    "Die strukturieren die komplette Ausstellung in sechs Sektionen und man läuft praktisch durch eine Stoffbahn hindurch und befindet sich dann in einem weißen Zwischenraum."
    Die Kuratorin Stephanie Weber steht in einem dieser Dazwischen und führt durch die Ausstellung:
    "In diesen Zwischenräumen finden wir Dinge, die aus Zeitungen, aus dem Internet, YouTube-Videos und so weiter, stammen - die das Thema der Propaganda oder des Post-Faktischen konkreter an Tagespolitik und Tagesereignissen, Popkultur und so weiter, fest machen."
    Das Internet-Phänomen "Pepe der Frosch" des US-amerikanischen Künstlers Matt Furie, ein sogenanntes Meme, das sich in den letzten zehn Jahren viral verbreitet hat - immer das gleiche Motiv, aber mit verschiedener Mimik. Rechtspopulisten haben den grünen Frosch für sich instrumentalisiert. Während der Präsidentschaftswahl 2016 verbreiteten sich dann Pepe-Bilder mit Trump-Frisur.
    "Memes sind mehr oder weniger die Polit-Poster der heutigen Zeit, die oftmals so funktionieren, dass apolitische Bilder politisiert werden. Und wie jede Technologie, ist auch das Meme nicht gut oder böse, sondern es wird für ganz unterschiedliche Nachrichten oder Inhalte benutzt."
    "Der Proletarier wird zum Künstler"
    Ein paar Schritte weiter, an einer massiven Betonsäule, sind vier megafon-artige Lautsprecher montiert. Die Münchner Künstlerin Beate Engl remixt in ihrer Arbeit "Betaversion 4.0" eine Rede von Rosa Luxemburg aus dem Jahr 1913.
    "Die sich an die Arbeiter und die Proletarier gerichtet hat und dazu aufgerufen hat, sich zu vereinen und gegen die Ausnutzung durch die Kapitalisten zu kämpfen. Und diese Rede hat Beate Engl praktisch abgewandelt auf den heutigen Kunstmarkt zugeschnitten und hat bestimmte Begriffe ausgetauscht", erklärt Stephanie Weber.
    "Der Proletarier wird zum Künstler, der Kurator wird zum Sozialdemokraten, der Kapitalist wird zum Galeristen."
    "Museen können sich nicht von Instrumentalisierung freisprechen"
    Die Welt steht Kopf. Realitäten gibt es viele, Wahrheiten vielleicht nur wenige. Die Ausstellung "After the Fact" im Münchner Lenbachhaus möchte nicht aufklären, sie liefert ein Potpourri des bitteren Beigeschmacks der Meinungsmache. Installationen, Malerei und Medienkunst - von allem etwas. Nur die Musik fehlt: Propaganda und Pop? Ein spannendes Feld. Die "Propaganda im 21. Jahrhundert" zeigt sich hier als eine Art "Dialektik der Verklärung": Gutes steckt im Bösen, Böses auch im Guten. Die Kunst nimmt sich da nicht aus.
    "Wir alle haben damit zu tun, dass die Kunstwelt natürlich instrumentalisiert, vor allem durch Geld. Da können sich selbstverständlich - wie wir alle wissen - Museen nicht von freisprechen. Keins!"
    Und dann sagt die Kuratorin Stephanie Weber noch einen schönen postfaktischen Satz, der uns beseelt und auch etwas ratlos zurücklässt:
    "Dinge bleiben und Dinge ändern sich."
    Die Ausstellung "After the Fact. Propaganda im 21. Jahrhundert" können Sie vom 30.05.2017 bis zum 17.09.2017 im Kunstbau des Münchner Lenbachhauses besichtigen. Begleitend zur Ausstellung findet in Kooperation mit den Münchner Kammerspielen ein Veranstaltungsprogramm statt.