Best of Young British Novelists 4, das ist der Titel der Granta-Ausgabe Nr.123/ 2013. Die Nummer enthält 20 Texte von Autoren, die eine siebenköpfige Jury für die besten britischen Romanschriftsteller unter 40 hält. Die Kandidaten mussten in englischer Sprache schreiben und einen britischen Pass haben. Ein Jahr lang hat sich die Jury mit 160 Autoren auseinandergesetzt. Zu den 20 besten Briten 2013 gehören schon ins Deutsche übersetzte Autoren wie Adam Thirlwell und Zadie Smith. Helen Oyeyemi und Benjamin Markovits sind dabei, ebenfalls bereits weltweit übersetzt. Und wie viele der anderen Auserwählten haben sie schon mehrere Bücher publiziert.
Debütanten sind diese 20 besten jungen Briten also nicht. In den Verlagsräumen in Holland Park im Westen Londons erklärt Ellah Allfrey, Granta-Mitherausgeberin und Jurorin der Liste:
"Wir baten die Autoren um einen kurzen Text, der im Fall ihrer Wahl in Granta abgedruckt werden sollte. Das war etwas Neues. Früher wurden die Geschichten erst ausgesucht, nachdem die Kandidaten ausgewählt waren. Wir wollten wirklich sichergehen, dass wir das Beste aus ihren Werken vorstellen."
Wir, das war folgende Jury: Ellah Allfrey selbst, die aus Schweden stammende Granta-Verlegerin Sigrid Rausing sowie der Amerikaner John Freeman, seines Zeichens Herausgeber von Granta. Die Literaturkritik war durch die Literaturredakteurin Gabi Woods und den renommierten Kritiker Stuart Kelly vertreten, die Schriftsteller Romesh Gunesekera sowie A.L.Kennedy repräsentierten die Autoren. Ted Hodgkinson, Onlineredakteur bei Granta, sagt zur historischen Bedeutung dieser Bestenliste:
"Als diese Liste 1983 erstmals herauskam, da war sie keineswegs eine Avantgarde-Liste, das vergisst man leicht. Von heute aus betrachtet sieht es schon so aus mit Namen wie Martin Amis, Ian McEvan, Julian Barnes und so weiter. Man könnte denken, das war eben die etablierte Liga, da gab es schon einen Konsens. Aber damals waren etliche von diesen Autoren noch ganz am Anfang ihrer Karriere. Sie fingen mit etwas ganz Neuem an und eroberten neue Territorien für die Literatur."
Debütanten sind diese 20 besten jungen Briten also nicht. In den Verlagsräumen in Holland Park im Westen Londons erklärt Ellah Allfrey, Granta-Mitherausgeberin und Jurorin der Liste:
"Wir baten die Autoren um einen kurzen Text, der im Fall ihrer Wahl in Granta abgedruckt werden sollte. Das war etwas Neues. Früher wurden die Geschichten erst ausgesucht, nachdem die Kandidaten ausgewählt waren. Wir wollten wirklich sichergehen, dass wir das Beste aus ihren Werken vorstellen."
Wir, das war folgende Jury: Ellah Allfrey selbst, die aus Schweden stammende Granta-Verlegerin Sigrid Rausing sowie der Amerikaner John Freeman, seines Zeichens Herausgeber von Granta. Die Literaturkritik war durch die Literaturredakteurin Gabi Woods und den renommierten Kritiker Stuart Kelly vertreten, die Schriftsteller Romesh Gunesekera sowie A.L.Kennedy repräsentierten die Autoren. Ted Hodgkinson, Onlineredakteur bei Granta, sagt zur historischen Bedeutung dieser Bestenliste:
"Als diese Liste 1983 erstmals herauskam, da war sie keineswegs eine Avantgarde-Liste, das vergisst man leicht. Von heute aus betrachtet sieht es schon so aus mit Namen wie Martin Amis, Ian McEvan, Julian Barnes und so weiter. Man könnte denken, das war eben die etablierte Liga, da gab es schon einen Konsens. Aber damals waren etliche von diesen Autoren noch ganz am Anfang ihrer Karriere. Sie fingen mit etwas ganz Neuem an und eroberten neue Territorien für die Literatur."
Eroberung neuer Territorien für die Literatur
Das Betreten von Neuland trifft auf diese Bestenliste 2013 in erheblichem Maße zu. Es hat einen gewissen Reiz, wenn man sie zunächst mit der Granta-Nummer 119 vom Frühling 2012 vergleicht. Diese Themennummer 119 hat den schlichten Titel "Britain". Es geht um englische Städte, englische Landschaften, englische Menschen und Autoren - es ist kaum anders zu erwarten bei diesem Titel. Zwei Drittel der Autoren sind männlich, sozialer Realismus, ökologischer Naturalismus, etwas im Hintergrund postkoloniale Themen. Das literarische Territorium Englands ist in diesem Heft mit wenigen Ausnahmen definitiv lokal.
Ein Jahr später sieht das schon ganz anders aus: Zwölf der 20 besten jungen Briten sind weiblichen Geschlechts. Die Mehrzahl der Autoren ist nicht in England geboren oder gehört zur zweiten Generation von Einwanderern. Auch das beschriebene Setting ist global: Neben London und anderen englischen Schauplätzen gibt es die australischen Hedlands, die Bauwüste Dubai, ein militärisches Ausbildungslager in Somalia, eine Schwulenbar in Indien, und immer wieder die USA und New York. Der Wandel hat sich natürlich nicht innerhalb eines Jahres vollzogen. Dazu Ellah Allfrey:
"Die Liste wandelt sich auch durch die Art der Leute, die schreiben und die heute die beste Literatur aus England liefern. Ich glaube, wir kamen am Ende zu einer Liste, die uns auch zeigt, dass wir neu denken müssen: Was macht England heute aus?"
Zunächst ein Verlust: Der Verlust des Bildungsprivilegs für eine weiße, männliche Oberschicht. Das britische Empire ist - in Bezug auf seine ehemaligen Untertanen - nicht einfach verschwunden, es ist praktisch implodiert und hat zu einer bunt gemischten Bevölkerung in England geführt. Gebildet und somit literarisiert ist in England heutzutage ein breiter Querschnitt dieses postimperialen britischen Volkes. Und zu den Immigranten aus früheren Kolonien kommen neuerdings die aus den östlichen Mitgliedsländern der Europäischen Union:
"Die Frage stellt sich, ob Immigranten oder Kinder von Immigranten mehr haben, worüber sie schreiben können. Oberflächlich gesehen scheinen ihre Themen relevanter und drängender zu sein. Aber die Erfahrung von Migration oder Krieg, oder das Begehren nach einer eigenen Identität sind ja nichts Neues in der menschlichen Existenz, das hat es immer gegeben. Trotzdem sind es für englischsprachige Leser von fiktionalen Texten oft genau diese Geschichten, die ihnen ein besonderes Gefühl geben: das hier lese ich zum ersten Mal."
Ein Jahr später sieht das schon ganz anders aus: Zwölf der 20 besten jungen Briten sind weiblichen Geschlechts. Die Mehrzahl der Autoren ist nicht in England geboren oder gehört zur zweiten Generation von Einwanderern. Auch das beschriebene Setting ist global: Neben London und anderen englischen Schauplätzen gibt es die australischen Hedlands, die Bauwüste Dubai, ein militärisches Ausbildungslager in Somalia, eine Schwulenbar in Indien, und immer wieder die USA und New York. Der Wandel hat sich natürlich nicht innerhalb eines Jahres vollzogen. Dazu Ellah Allfrey:
"Die Liste wandelt sich auch durch die Art der Leute, die schreiben und die heute die beste Literatur aus England liefern. Ich glaube, wir kamen am Ende zu einer Liste, die uns auch zeigt, dass wir neu denken müssen: Was macht England heute aus?"
Zunächst ein Verlust: Der Verlust des Bildungsprivilegs für eine weiße, männliche Oberschicht. Das britische Empire ist - in Bezug auf seine ehemaligen Untertanen - nicht einfach verschwunden, es ist praktisch implodiert und hat zu einer bunt gemischten Bevölkerung in England geführt. Gebildet und somit literarisiert ist in England heutzutage ein breiter Querschnitt dieses postimperialen britischen Volkes. Und zu den Immigranten aus früheren Kolonien kommen neuerdings die aus den östlichen Mitgliedsländern der Europäischen Union:
"Die Frage stellt sich, ob Immigranten oder Kinder von Immigranten mehr haben, worüber sie schreiben können. Oberflächlich gesehen scheinen ihre Themen relevanter und drängender zu sein. Aber die Erfahrung von Migration oder Krieg, oder das Begehren nach einer eigenen Identität sind ja nichts Neues in der menschlichen Existenz, das hat es immer gegeben. Trotzdem sind es für englischsprachige Leser von fiktionalen Texten oft genau diese Geschichten, die ihnen ein besonderes Gefühl geben: das hier lese ich zum ersten Mal."
Von der National- zur Weltliteratur
Der große Trend geht weg von der modernen Nationalliteratur mit ihrem Traditionsbetrieb, hin zu einer Literatur aus aller Welt in englischer Sprache. Es ist eine Art Global Writing, das den englischen Literaturmarkt erobert und neu definiert. Das geht praktisch wie von selbst, denn das Englische, die Sprache der Globalisierung, ist die erste Wahl für kulturell flexible junge Autoren. Das Global Writing hat sich schon in der Granta-Liste der besten Amerikaner von 2007 gezeigt. Dort sieht es kulturgeografisch anders aus, so zeigen etwa die Asien-Amerikaner unübersehbar die pazifischen Kultureinflüsse auf das sich wandelnde Amerika.
Aber die Tendenz ist die gleiche. John Freeman, der aus Cleveland/Ohio stammende und in New York ansässige Granta-Herausgeber (s. Büchermarkt vom 02.02.2012 "Griff nach der Weltmacht"), betont in seinem Vorwort, dass es auch im Auswahlverfahren bei den Briten keinerlei Optionen für Gender Balance oder Diversität oder die Vielheit kultureller Hintergründe gegeben habe. Die Auswahl beruhe einzig auf Qualität und der innovativen Kompetenz der jungen Romanschriftsteller.
Einige Trends sind gut erkennbar. Zum einen das Thema Krieg und Gewalt. Granta Nummer 123 beginnt mit einem Auszug aus Kamillah Shamsies kommendem Roman "Vipers". Protagonisten sind zwei indische Soldaten in der britischen Armee, Handlungsort ist England, die erzählte Zeit ist der Erste Weltkrieg. Leider erfahren die tapferen Krieger im Dienst des Empire keinen Dank, sondern rassistische Erniedrigung. Der postkoloniale Krieg ist das Thema von Nadifa Mohamed. Geboren 1981 in Somalia, lebt sie seit 1986 in London und schreibt in einer gestochen scharfen Prosa über eine junge Soldatin in einem Ausbildungslager in Somalia. Adam Foulds Romanauszug aus "Im Monat des Wolfs" beschäftigt sich mit dem Zweiten Weltkrieg. Foulds sagt zur Wahl auf die Granta-Liste:
"Es ist natürlich eine große Ehre. Diese Liste hat in den letzten 40 Jahren eine ganz besondere Bedeutung für die Anerkennung britischer Autoren. Wer auf ihr erschien, dem konnte ein zukünftiger Erfolg fast sicher sein. Natürlich ist damit auch eine gesteigerte Erwartungshaltung auf deine kommende Arbeit gerichtet. Das ist schön, denn es stärkt das Selbstbewusstsein und schärft die Leidenschaft für das eigene Schaffen, dieser Ehre musst du jetzt gerecht werden."
Bekannt wurde Adam Foulds schon 2009 mit seinem Roman "The Quickening Maze" über den englischen Naturpoeten John Clare. Der verkannte sozialistische Dichter Clare landet in einer psychiatrischen Anstalt im Epping Forrest, und in dieser Naturlandschaft bei London hat Adam Foulds selbst seine frühen Jahre verbracht. Ein günstiger Umstand für seine Literatur. Zeigt er doch, wie dieser Autor - ganz im Sinn der Granta-Jury - originäre Impulse für das Genre Roman findet: Der Naturpoet wird zur dramatischen Figur in einem Roman, der das Schreiben über Natur selbst erneuert. Die Mensch-Umwelt-Problematik ist ein zweiter Thementrend in der britischen Literatur, der offensichtlich auch jüngere Autoren anspricht:
"Ganz gewiss. Es gab sogar vor einigen Jahren eine entsprechende Granta-Nummer mit dem Titel 'The New Nature Writing'. Robert McFarlane ist ein wichtiger Autor in diesem Bereich. Er schreibt Naturgeschichte und betreibt eine Art Naturmeditation, die aus der Landschaft und dem Gehen in ihr erwächst. Richard Mabey ist ein naturgeschichtlicher Autor, Tim Dee kam vor einiger Zeit mit einem großartigen Buch über Vogelbeobachtung heraus: 'The Running Sky'."
Aber die Tendenz ist die gleiche. John Freeman, der aus Cleveland/Ohio stammende und in New York ansässige Granta-Herausgeber (s. Büchermarkt vom 02.02.2012 "Griff nach der Weltmacht"), betont in seinem Vorwort, dass es auch im Auswahlverfahren bei den Briten keinerlei Optionen für Gender Balance oder Diversität oder die Vielheit kultureller Hintergründe gegeben habe. Die Auswahl beruhe einzig auf Qualität und der innovativen Kompetenz der jungen Romanschriftsteller.
Einige Trends sind gut erkennbar. Zum einen das Thema Krieg und Gewalt. Granta Nummer 123 beginnt mit einem Auszug aus Kamillah Shamsies kommendem Roman "Vipers". Protagonisten sind zwei indische Soldaten in der britischen Armee, Handlungsort ist England, die erzählte Zeit ist der Erste Weltkrieg. Leider erfahren die tapferen Krieger im Dienst des Empire keinen Dank, sondern rassistische Erniedrigung. Der postkoloniale Krieg ist das Thema von Nadifa Mohamed. Geboren 1981 in Somalia, lebt sie seit 1986 in London und schreibt in einer gestochen scharfen Prosa über eine junge Soldatin in einem Ausbildungslager in Somalia. Adam Foulds Romanauszug aus "Im Monat des Wolfs" beschäftigt sich mit dem Zweiten Weltkrieg. Foulds sagt zur Wahl auf die Granta-Liste:
"Es ist natürlich eine große Ehre. Diese Liste hat in den letzten 40 Jahren eine ganz besondere Bedeutung für die Anerkennung britischer Autoren. Wer auf ihr erschien, dem konnte ein zukünftiger Erfolg fast sicher sein. Natürlich ist damit auch eine gesteigerte Erwartungshaltung auf deine kommende Arbeit gerichtet. Das ist schön, denn es stärkt das Selbstbewusstsein und schärft die Leidenschaft für das eigene Schaffen, dieser Ehre musst du jetzt gerecht werden."
Bekannt wurde Adam Foulds schon 2009 mit seinem Roman "The Quickening Maze" über den englischen Naturpoeten John Clare. Der verkannte sozialistische Dichter Clare landet in einer psychiatrischen Anstalt im Epping Forrest, und in dieser Naturlandschaft bei London hat Adam Foulds selbst seine frühen Jahre verbracht. Ein günstiger Umstand für seine Literatur. Zeigt er doch, wie dieser Autor - ganz im Sinn der Granta-Jury - originäre Impulse für das Genre Roman findet: Der Naturpoet wird zur dramatischen Figur in einem Roman, der das Schreiben über Natur selbst erneuert. Die Mensch-Umwelt-Problematik ist ein zweiter Thementrend in der britischen Literatur, der offensichtlich auch jüngere Autoren anspricht:
"Ganz gewiss. Es gab sogar vor einigen Jahren eine entsprechende Granta-Nummer mit dem Titel 'The New Nature Writing'. Robert McFarlane ist ein wichtiger Autor in diesem Bereich. Er schreibt Naturgeschichte und betreibt eine Art Naturmeditation, die aus der Landschaft und dem Gehen in ihr erwächst. Richard Mabey ist ein naturgeschichtlicher Autor, Tim Dee kam vor einiger Zeit mit einem großartigen Buch über Vogelbeobachtung heraus: 'The Running Sky'."
Die Autoren schreiben über Krieg, Gewalt, Arbeit und Ökologie
Ein weiteres Beispiel in Granta 123 liefert Sarah Hall in ihrem Romanauszug "The Reservation". Eine nicht mehr ganz junge Biologin, offenbar Expertin für Wölfe, kehrt aus einem Naturreservat in Nordamerika nach England zurück, um einem reichen Grundbesitzer bei einem ökologischen Projekt zu helfen. Während sie mit dem Sterben ihrer Mutter konfrontiert wird, hat sie Halluzinationen über ihre Wölfe in Übersee, lässt sich aber gleichzeitig neu auf ihre Heimatlandschaft ein. Ross Raisin geht mit seinem Text "Submersion" – also Überschwemmung – in medias res der Katastrophe: In einem Urlaubscamp sehen zwei Brüder im Fernsehen, wie ihre Heimatstadt überschwemmt wird. Und mittendrin ihr Vater, eingeschlafen auf seinem Fernsehsessel, mit dem er nichtsahnend durch das Wasserchaos treibt. Der britische Humor kommt also auch im Ökotrend nicht zu kurz.
"Man ist im Moment intensiv auf der Suche nach einer Energie, die mit der Landschaft dieses Landes zu tun hat. Das ist natürlich eine komplizierte Sache, wir leben ja in einer Zeit einschneidender ökologischer Zerstörungen. Dieses Schreiben hat eine komplizierte kulturelle und psychologische Aufgabe. Einmal soll es eine Beziehung zur Landschaft wiederherstellen, zum anderen ein Bewusstsein dafür, wie zergliedert und verwundbar die Landschaft in England ist."
Ein dritter Trend der Granta-Liste ist die Rückkehr des Themas Arbeit in die Literatur. Die globale Arbeiterklasse, sie ist das Pendant zum globalen Kapital, ist offensichtlich ein drängendes Anliegen der englischen Literatur. Tahmima Anam beschreibt das kleine, schmutzige Geheimnis der Glitzer-Enklave Dubai, die sklavereiähnlichen Arbeitsbedingungen der Bauarbeiter. Evie Wyld beschreibt, wie eine junge Ausreisserin sich als Schafschererin in der Männerwelt der australischen Hedlands durchboxt. David Szalay nennt seinen Text über Sexarbeit "Europa". Er beschreibt in einer absolut präzisen, fotorealistischen Sprache den Einsatz eines halbprofessionellen Zuhälters mit ungarischem Namen, der seine Freundin zeitweise in London prostituiert.
Man kann konstatieren: Die Granta-Auswahl bietet eine exklusive Vorschau in die kommende Weltliteratur englischer Sprache. Thematisch spannend, stilistisch anspruchsvoll und vielseitig, ist das eine staunenswerte Galerie des neuen globalen Realismus. Leider gehen die Kuratoren dieser literarischen Ausstellung jetzt von Bord. Das Granta-Heft Nr.124 wird die letzte Nummer für John Freeman, Ellah Allfrey, Patrick Ryan, Michael Salu und Ted Hodgkinson. Die Dependance in New York wird geschlossen. Geschäftliche Neuausrichtung, ist die knappe Erklärung aus dem Hauptquartier in London. Die Neuausrichtung sei noch im Gang, man könne noch nichts zur Zukunft sagen. Zu den letzten fünf Jahren Granta aber schon: ausgezeichnete Themen, mutige internationale Ausrichtung, spannende Einblicke in die neueste Entwicklung.
Granta - The Magazin of New Writing Nr. 123: Best British Young Novelists 4
London 2013, 400 Seiten
"Man ist im Moment intensiv auf der Suche nach einer Energie, die mit der Landschaft dieses Landes zu tun hat. Das ist natürlich eine komplizierte Sache, wir leben ja in einer Zeit einschneidender ökologischer Zerstörungen. Dieses Schreiben hat eine komplizierte kulturelle und psychologische Aufgabe. Einmal soll es eine Beziehung zur Landschaft wiederherstellen, zum anderen ein Bewusstsein dafür, wie zergliedert und verwundbar die Landschaft in England ist."
Ein dritter Trend der Granta-Liste ist die Rückkehr des Themas Arbeit in die Literatur. Die globale Arbeiterklasse, sie ist das Pendant zum globalen Kapital, ist offensichtlich ein drängendes Anliegen der englischen Literatur. Tahmima Anam beschreibt das kleine, schmutzige Geheimnis der Glitzer-Enklave Dubai, die sklavereiähnlichen Arbeitsbedingungen der Bauarbeiter. Evie Wyld beschreibt, wie eine junge Ausreisserin sich als Schafschererin in der Männerwelt der australischen Hedlands durchboxt. David Szalay nennt seinen Text über Sexarbeit "Europa". Er beschreibt in einer absolut präzisen, fotorealistischen Sprache den Einsatz eines halbprofessionellen Zuhälters mit ungarischem Namen, der seine Freundin zeitweise in London prostituiert.
Man kann konstatieren: Die Granta-Auswahl bietet eine exklusive Vorschau in die kommende Weltliteratur englischer Sprache. Thematisch spannend, stilistisch anspruchsvoll und vielseitig, ist das eine staunenswerte Galerie des neuen globalen Realismus. Leider gehen die Kuratoren dieser literarischen Ausstellung jetzt von Bord. Das Granta-Heft Nr.124 wird die letzte Nummer für John Freeman, Ellah Allfrey, Patrick Ryan, Michael Salu und Ted Hodgkinson. Die Dependance in New York wird geschlossen. Geschäftliche Neuausrichtung, ist die knappe Erklärung aus dem Hauptquartier in London. Die Neuausrichtung sei noch im Gang, man könne noch nichts zur Zukunft sagen. Zu den letzten fünf Jahren Granta aber schon: ausgezeichnete Themen, mutige internationale Ausrichtung, spannende Einblicke in die neueste Entwicklung.
Granta - The Magazin of New Writing Nr. 123: Best British Young Novelists 4
London 2013, 400 Seiten