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Die Band Pictures
"Wir kannten viele Drogen und keine Grenzen"

Erst der große Erfolg als Union Youth, dann der Absturz mit Drogen, Alkohol und Gewalt. Jetzt versucht die Band als Pictures einen Neustart und erzählt im Dokufilm "Könige der Welt" von ihrer bewegenden Bandgeschichte. Dabei habe Freundschaft für ihn nie eine Rolle gespielt, sagte Sänger Maze Exler im DLF.

Maze Exler im Gespräch mit Anja Buchmann | 04.02.2017
    Die Band Pictures
    Hoch hinaus wollten die Jungs von Union Youth. Dann kam der tiefe Fall. Gelingt der Neustart als Pictures mit neuer CD und Dokufilm auf der Berlinale? (Christoph Voy)
    Anja Buchmann: Am 3. Februar habe ich mit Sänger Maze Exler von Pictures gesprochen: über Musik und Film, über Drogen und Freundschaft – was die eigentlich für ihn bedeutet.
    Maze Exler: Ich würde sagen, dass das Thema Freundschaft für mich nie eine Rolle gespielt hat. Es gab Freunde, immer, aber es war nie irgendwas, worüber ich nachgedacht, wofür ich dankbar gewesen wäre.
    Buchmann: Sie sprechen in der Vergangenheit: Aber inzwischen sind Sie es?
    Exler: Genau ... das hat sich auf jeden Fall sehr verändert, ich wusste, dass den Leuten an mir was liegt, aber ich habe gesehen, dass sie bereit sind, einiges dafür zu tun, an meiner Seite zu bleiben.
    Buchmann: Das haben sie tatsächlich auch getan, das stimmt. Hatten Sie eigentlich damals, als alles begann - also es gab schon eine Band davor, mit Jonas, aber ich denke jetzt an die Zeit mit Union Youth - hatten Sie da so ein Klischeebild von einem Rockmusiker, als Sie gestartet sind als junger Mann, so um die Zwanzig war das?
    Exler: Wir haben unsere Musik immer als Rockmusik gesehen - auch wenn sie das vielleicht nicht immer war - und wir wollten auch genau so leben, wie wir uns Rockmusik vorgestellt haben. Genau das haben wir auch gemacht.
    Buchmann: Wie haben Sie sich Rockmusik vorgestellt?
    Exler: Mit allem, was dazu gehört, was wir aus allen Zeitschriften dieser Welt kennen.
    Buchmann: Was kannten Sie daraus?
    Exler: Wir kannten viel Alkohol, wir kannten viel Drogen, wir kannten lange, lange Nächte und ... keine Grenzen.
    Buchmann: Und das haben Sie dann entsprechend auch in die Tat umgesetzt?
    Exler: Jeden Tag.
    "Das war auf jeden Fall den Drogen geschuldet"
    Buchmann: Weswegen ist die alte Band Union Youth auseinandergebrochen? Also da war, wenn man den Dokumentarfilm sieht, ganz viel Wut, Aggression im Spiel, auf der Bühne insbesondere, Drogen dann auch schon, dann eine Absage des Plattendeals in den USA und in der Doku sagt irgendeiner Ihrer Kollegen mal an einer Stelle: Es war wie Krieg. Können Sie das näher beschreiben?
    Exler: Ja, wir hatten einfach sehr, sehr unterschiedliche Meinungen in der Band, was ja auch ganz normal ist und auch gut ist, aber wenn Musiker oder Freunde respektlos miteinander umgehen und dem anderen nichts mehr zutrauen, sondern nur noch sich selbst sehen und das war auf jeden Fall den Drogen geschuldet - oder zum Teil den Drogen geschuldet -, dann gibt es keinen Grund mehr das weiterzumachen, denn wir sind als Freunde gestartet und wir hatten Spaß dabei, das zu machen. Und das alles war weg.
    Buchmann: Die Drogen, die nicht nur Sie, sondern auch Ihre Kollegen zu der Zeit eingenommen haben.
    Exler: Zu der Zeit: alle.
    "Wir waren anscheinend alt und reif genug, das abzulehnen"
    Buchmann: Waren Sie zu jung im Rückblick, als Sie in die USA gingen und auch einen Vertrag mit dem Label von Limp-Bizkit-Sänger Fred Durst angeboten bekamen, das Sie dann ablehnten, angeblich mit einem siebenstelligen Vorschuss, wenn das jetzt stimmt, was ich gelesen habe - waren Sie da zu jung?
    Exler: Also, wir waren anscheinend alt und reif genug, das abzulehnen, aber wir waren definitiv viel zu jung, um mit all den Angeboten, die wir hatten, umzugehen.
    Buchmann: Und das war tatsächlich ein siebenstelliger Vorschuss?
    Exler: Ich hab keine Ahnung, wie viel Zahlen das waren. Ich weiß nur, dass wir damals ... ich würde das jetzt auch nicht mehr wissen, aber wir hätten uns, glaub ich, um Geld nie wieder Sorgen machen müssen.
    Buchmann: Bereuen Sie es im Nachhinein auch ein bisschen oder sagen Sie, nein, das definitiv die richtige Entscheidung?
    Exler: Ähm ... es war die richtige Entscheidung.
    "Ich wollte danach nichts mehr mit alldem zu tun haben"
    Buchmann: Warum haben Sie dann irgendwann einen Neustartversuch gemacht? Also es war ja lange Zeit dann erstmal Stille und nicht viel mehr los mit Ihnen und der Band. Warum gab's dann den Neustartversuch mit Pictures, der ja im ersten Anlauf laut Dokumentarfilm auch nicht so richtig gelungen ist, aber jetzt hoffentlich weiter gelingt?
    Exler: Union Youth ist zu Ende gegangen, aufgrund von diesen ganzen Problemen und ich wollte danach nichts mehr mit alldem zu tun haben und Ruhe haben, lange Zeit. Musikmachen war für mich nie, ist nie passiert, weil ich damit unbedingt, was erreichen wollte, sondern, weil ich das einfach machen wollte, weil ich mich danach gefühlt habe und als ich mich nicht mehr danach gefühlt habe, hab ich es nicht mehr gemacht. Und irgendwann bin ich aufgewacht und hatte das Gefühl, ich möchte jetzt wieder Musik machen und habe zum ersten Mal nach Jahren wieder meine Gitarre in die Hand genommen und gespielt und die ersten Songs geschrieben und das war der Anfang der Pictures.
    "Ich hab immer viel Drogen konsumiert"
    Buchmann: Und warum hat's dann nicht geklappt im Neustart? Also waren Sie die ganze Zeit, also durchgängig quasi, schon drogenabhängig oder hat sich das dann in der Anfangszeit der Pictures dann wieder reingeschlichen?
    Exler: Ich habe immer viel Drogen konsumiert - aber ich glaube das I-Tüpfelchen, was dann alles zum Überlaufen gebracht hat, waren wahrscheinlich nur vier, fünf Jahre und das ist in dieser Pictures-Anfangszeit sozusagen aufgekommen ... keine Ahnung - warum nimmt jemand Drogen?
    Wenn man Kopfschmerzen hat, nimmt man eine Kopfschmerztablette, damit die Kopfschmerzen weggehen, das ist eine ganz normale Handlung. Und damit will ich nicht sagen, dass es gut ist Drogen zu nehmen, aber wenn man sich schlecht fühlt, dann sucht man doch nach Wegen, um dafür zu sorgen, dass es einem besser geht und wenn man was findet, was einem besser fühlen macht, dann nutzt man das. Ich jedenfalls.
    Buchmann: Da wurden Sie, also Sie und Ihre Kollegen, ja regelmäßig von den Dokumentarfilmern begleitet, wie war das denn für Sie? Das waren ja auch sehr intime Phasen, auch während der Therapie, die Sie gemacht haben oder war es auf eine Art dann doch wieder gut, gefilmt zu werden und sich zu zeigen.
    Exler: Ganz unterschiedlich. Die Therapie dieser Zeit habe ich erstmal ... da war ich nur alleine und nur für mich und erst zu einem sehr späten Punkt in der Therapie kamen die Filmer dazu. Das war bestimmt manchmal erstmal ein komischer Gedanke, dass die in bestimmten Situationen dabei sind. Ich habe aber die ganze Zeit gedacht: Ich habe mich jetzt entschlossen, diesen Film zu machen und ich hab mich auch bereit erklärt dazu, diesen Teil meines Lebens zu zeigen, weil ich glaube, dass das wichtig ist, was ich hier gerade mache und dass es richtig ist. Und das hat mir auch geholfen, da gut durchzukommen und ich habe auch immer noch das Gefühl, dass das alles eine sehr, sehr gute Entscheidung war.
    Eine wirklich erzählenswerte Geschichte
    Buchmann: Wichtig und richtig für Sie selbst, natürlich. Aber auch, um es den Menschen, die dann diesen Film sehen werden, zu präsentieren, wie Geschichten laufen kann?
    Exler: Ja, nicht als Lehrfilm allerdings. Keineswegs, sondern viel mehr eine wirklich erzählenswerte Geschichte zu erzählen, im Gegensatz zu so vielen nicht erzählenswerten Geschichten, die permanent erzählt werden.
    Buchmann: Es ist sicher auch kein Zufall, dass die Musik von Pictures jetzt doch ziemlich anders ist als die eher grungige und sehr ruppige Musik von Union Youth. Die Pictures klingen ruhiger, euphorischer, aber auch richtig fröhlich und ist nicht mehr so ein großer Ausbruch von Wut. War das eine große Umstellung, die Sie da mit der Band durchgemacht haben oder war das ganz organisch?
    Exler: Das ist ganz organisch geschehen. Wie gesagt, ich hatte drei oder vier Jahre Pause und ich habe kein einziges Lied geschrieben und auch nicht Gitarre gespielt und als ich die Gitarre wieder in die Hand genommen habe, ist das dabei rausgekommen.
    "Wir haben sehr, sehr viele Regeln"
    Buchmann: Haben Sie tatsächlich diesen Ansprechpakt mit Ihren Freunden und Bandkollegen, also wenn die glauben, sie hätten irgendwas genommen, dann sollen die, wenn sie nüchtern sind, Sie auf jeden Fall ansprechen?
    Exler: Auf jeden Fall. Wir haben sehr, sehr viele Regeln - es sind gar nicht so viele Regeln, aber mir kommt es manchmal so vor als wären es ganz viele. Ja, wir haben diese Regel und zwar ... wir können einfach ganz anders über bestimmte Dinge miteinander sprechen. Wir können ganz anders miteinander streiten. Es gibt kein Streiten mehr in dem Sinne, dass der eine sagt, dass du scheiße bist und der andere sagt, du bist selber scheiße, und dann gehen alle getrennte Wege, sondern wir können über Dinge reden. Das verändert so viel.
    Buchmann: Also, Sie sind erwachsen geworden. Oder auf dem Weg es zu werden. Das möchten Sie nicht, oder? Erwachsen möchten Sie eigentlich doch nicht sein.
    Exler: Ich glaub's nicht, nee. Ich hab keine Ahnung. Alt.
    Buchmann: Alt?
    Exler: Ich überspringe das Erwachsenwerden.
    Buchmann: Okay, dann sagen wir alt und vielleicht auch mal regelrecht weise. Wie auch immer, ich wünsche Ihnen alles Gute. Maze Exler war das, Sänger der Band Pictures, das neue Album "Promise" ist am 3.2. 2017 rausgekommen und der Film "Könige der Welt" hat am 17.2. 2017 Premiere auf der Berlinale. Und auf Tour gehen die Jungs auch - und zwar beginnt das am 10. 2 in Berlin und endet am 18.2 in Hamburg. Vielen Dank, Maze Exler.
    Exler: Vielen Dank, ciao!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.