Schräg aber mit Leidenschaft – so schmettert die Wandergruppe an diesem sonnigen Sonntagmorgen in Mexiko-Stadt vor der Basilika der Jungfrau von Guadalupe, die Hymne "Guadalupana". Sie steht dabei mitten im allgemeinen Pilgerstau neben dem überdimensionalen Denkmal von Papst Johannes Paul dem Zweiten. Aus allen Teilen Mexikos findet sich der Bergsteigerverein jedes Jahr wieder an diesem größten Wallfahrtsort der Welt zusammen. Ramon mit rundem glänzenden Gesicht und knallrotem Käppi ist heute zum 49. Mal hier, nächstes Jahr feiert er sein 50-jähriges Guadalupe Pilger-Jubiläum.
Seit über 500 Jahren gibt es den Guadalupe-Kult
"Wir sind Gläubige und wir wollen die Jungfrau um einen Gefallen bitten. Wir bitten sie um Gefallen, die sie uns manchmal auch erfüllt hat. Das stärkt unseren Glauben an sie. Seit über 500 Jahren gibt es den Guadalupe-Kult."
Drinnen beginnt die Messe, jede Stunde aufs Neue. Es ist heute gut gefüllt. 40.000 Menschen haben in dem zeltartigen Sakralbau aus Marmor und Beton Platz. Kleine Mädchen mit weiß- und pinkfarbenen Tüllkleidchen werden von stolzen Eltern umhergetragen, in der anderen Hand Blumen, Kerzen oder gerahmte Bilder der Jungfrau von Guadalupe, der mexikanischen Schutzheiligen Maria.
Stauvermeidung am "Highway to Heaven"
Hinter dem Altar dann der "Highway to Heaven": Die Pilgerscharen fahren auf drei kurzen Rollbändern am Gnadenbild der Jungfrau vorbei. Stauvermeidung auf katholisch: Ein kurzer Blick nach oben, die Kamera klickt, Bandende.
Auf den Knien zur Jungfrau von Guadalupe
Draußen rutscht Rike auf den Knien die 50 Meter vom Glockenspiel in Richtung Basilika. Seine Jeans ist schon ganz durchgescheuert. Der beleibte Mann macht immer wieder eine Pause, hält inne, richtet sich auf. Seine zwei kleinen Kinder springen um ihn herum, greifen nach seiner Hand. Rikes Frau schaut ernst.
"Das ist ein Gelübde, das ich abgelegt habe und dieses Gelübde erfüllen wir jetzt, damit wir uns gut fühlen mit Gott und mit uns selbst. Ein Familienangehöriger von mir war sehr krank und ist jetzt wieder gesund. Gott sei Dank geht es ihm wieder besser und jetzt sind wir beruhigt."
Die Legende um die Jungfrau von Guadalupe geht auf das Jahr 1531 zurück, als dem Indio Juan Diego auf dem Hügel von Tepeyac bei Mexiko-Stadt, die Jungfrau in Gestalt eines dunkelhäutigen Mädchens erschien. Sie wies ihn an, Rosen zu pflücken, welche wundersamerweise im Dezember blühten. Juan Diego wickelte die Rosen in seinen Poncho und meldete sein Abenteuer sofort dem Bischof. Als er seinen Poncho öffnete, war auf dem Stoff das Abbild der Jungfrau zu erkennen. Jeder in Mexiko kennt diese Geschichte, auch die 17-jährige Gueni aus Mexiko-Stadt: hübsch, Jeans und weiße Turnschuhe.
"Es ist wichtig für mich, denn ich komme mit meinen Eltern hierher. Die sind sehr gläubig und das gibt man von Generation zu Generation weiter und meine Eltern haben es an mich weitergegeben."
Zwar begleite er seine Freundin Gueni nur, aber auch er komme aus einer gläubigen Familie, sagt Carlos, jung, flott, Jeans und weiße Turnschuhe, dazu. So wie Lorenza Hernandez, eine bekennende Verehrerin der Jungfrau von Guadalupe:
"Sie ist alles für uns. Das ist das Größte für uns. Sie ist alles für uns. Schon als Kind wurde mir beigebracht, die Jungfrau anzubeten, sie zu lieben und zu achten wie die Mutter Gottes, das ist das Größte."
Vor der Basilika steht es eins zu eins im akustischen Duell zwischen der Kirchenmusik und dem Rummelgetöse von der Straße nebenan: Dort werden Tortillas verkauft, Blumen verteilt und Souvenirs angeboten. Oder auch Horoskope. Zwei dressierte Kanarienvögel müssen in einem winzigen Käfig Karten ziehen, flattern verzweifelt. Sie dienen einem Wahrsager als Mittel zum Zweck. Hier draußen ist die Jungfrau weit weg.
Die Recherche für die Reise nach Mexiko wurde unterstützt von Adveniat, dem Lateinamerika-Hilfswerk der Katholiken in Deutschland.