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Neue DFB-Spitze
Die Basis hofft auf den Neuanfang

Ruhe in den Verband bringen, das hat sich der neue DFB-Präsident Neuendorf unter anderem vorgenommen. Vor der Wahl hatte die Basis praktisch kein Vertrauen in die DFB-Spitze. Die Wahl Neuendorfs sehen Verantwortliche in den Fußball-Kreisen nun positiv. Sie kämpfen aber mit diversen Problemen.

Von Matthias Friebe | 19.03.2022
Neuendorf steht auf der Bühne beim DFB-Bundestag und schiebt seine Brille auf die Stirn.
Bernd Neuendorf ist der neue Präsident des Deutschen Fußball-Bundes. (Ronald Wittek/picture alliance/dpa/EPA-Pool)
Bis vor einer Woche war Bernd Neuendorf noch Präsident des Fußballverbands Mittelrhein. Dort wird er jetzt schon vermisst. „Ich sehe das mit einem lachenden und einem weinenden Auge“, sagt Heinz Feind. Der Kerpener leitet den Fußballkreis Rhein-Erft, einen von neun Kreisen am Mittelrhein. „Lachend, weil ich es ihm von Herzen gegönnt habe, weil er aus meiner Sicht der Richtige dafür ist. Das weinende Auge: Da verlieren wir einen echten Menschen.“
Neuendorf habe seine Präsidentenrolle nie heraushängen lassen, erzählt Feind, der die Interessen des Amateurfußballs durch ihn beim DFB gut vertreten sieht. Das hofft auch Diana Räder-Krause, Kreisvorsitzende in Vorpommern-Greifswald: „Ich denke erstmal, dass einer gewählt worden ist, der direkt von den Verbänden kommt und für den Amateursport vielleicht da ist, vielleicht auch noch mehr bewirken kann. Ich bin ganz zufrieden damit.“
Fußball - Interview mit neuem DFB-Präsidenten Bernd Neuendorf
Räder-Krause ist eine von nur drei Frauen, die einen der über 250 Kreise im DFB leitet. Die große Fußballpolitik beim DFB in Frankfurt ist nicht nur geographisch viele Kilometer entfernt: „Ist ganz weit weg, ist kein Thema für uns.“

Umgang mit Koch "unanständig"

Auch Frank Ludewig hat den DFB-Bundestag in Bonn nur am Rande verfolgt: „Ich habe irgendwann eine Tickermeldung bekommen über das Ergebnis, was mich völlig aus den Schuhen gehauen hat.“

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Ludewig, Kreisvorsitzender in München, hatte nicht damit gerechnet, dass Rainer Koch, der Präsident des Bayrischen Fußballverbands, nach 15 Jahren seinen Platz im DFB-Präsidium verliert. Die vielstimmige, zum Teil sehr harte Kritik an Koch stört Ludewig: „Das, was jetzt auf den Herrn Dr. Koch einprasselt, finde ich gelinde gesagt unanständig.“
Wer im DFB-Präsidium sitzt, ist aber an der Basis in den Fußballkreisen nur bedingt interessant. Viel zu groß sind die Herausforderungen im Alltag, den die Kreisvorsitzenden vollständig ehrenamtlich oft mehrere Stunden am Tag bewältigen müssen. Was alle immer noch eint: Sie müssen die Auswirkungen der Pandemie behandeln: „Englische Wochen, im Amateurspielbetrieb, in der Kreisklasse, da muss man schon sehr pragmatisch rangehen“, sagt Ludewig.

Umgang mit Corona weiter Hauptproblem

Seine Kollegin aus Vorpommern, Diana Räder-Krause, ist da aktuell noch auf einem ganz anderen Level unterwegs. Bei ihr steht der Fußball zur Zeit noch still: „Wir warten alle aufs Wochenende und hoffen auf die 3G-Regel, dass wir hier anfangen können mit der zweiten Halbserie.“
Und nicht nur der Spielbetrieb an sich beschäftigt die Vereine. Es geht auch darum, das gesellige Vereinsleben an vielen Orten wieder zu starten. Heinz Feind im Rhein-Erft-Kreis hat neben der Pandemie-Organisation zudem mit den Auswirkungen der schlimmen Flutkatastrophe des letzten Sommers zu kämpfen.
Der neue gewählte DFB-Präsident Bernd Neuendorf auf dem DFB-Bundestag in Bonn.
Der neue gewählte DFB-Präsident Bernd Neuendorf auf dem DFB-Bundestag in Bonn.
Neuer DFB-Präsident | Wie der DFB zur Ruhe kommen will
Dass Bernd Neuendorf neuer DFB-Präsident werden würde, war vor der Wahl relativ klar. Für viel Aufmerksamkeit sorgte aber das Aus des bisherigen und umstrittenen Vizepräsidenten Rainer Koch. Die Erleichterung darüber war auf dem DFB-Bundestag groß. Einige redeten gar von Putsch.
„Da stehe ich auch im ständigen Kontakt mit den Vereinen, die betroffen sind. Das wird auch noch eine Zeit andauern, bis die Vereine wieder ihr normales Maß erreicht haben, dass sie wieder normal in den Spielbetrieb reingehen können.“
Ganz aktuelle Herausforderungen für den Spiel- aber auch den Trainingsbetrieb könnten in den kommenden Wochen auf viele Kreise zukommen, je nachdem, wie viele Menschen, die vor dem Krieg in der Ukraine fliehen, hier in Deutschland untergebracht und versorgt werden müssen.
Frank Ludewig ist jetzt schon beschäftigt, weil ein Münchner Verein bereits ohne Spielstätte dasteht, die jetzt für Geflüchtete benötigt wird. Eine seiner Aufgaben: Ausweichmöglichkeiten suchen: „Die Vereine in der Umgebung sind ein bisschen näher zusammengerutscht. Das hat dann funktioniert. Aber ich glaube, dass da noch viele solche Aufgaben auf uns zukommen werden. Das können wir uns noch gar nicht ausmalen, was da noch alles kommt.“

Schwung für den Frauenfußball erwünscht

Auch wenn die alltäglichen Herausforderungen groß und die Fußballpolitik in der DFB-Zentrale weit weg scheint, Auswirkungen haben die Entscheidungen beim DFB-Bundestag natürlich dennoch. Dass das neue DFB-Präsidium mit Präsident Neuendorf beispielsweise den Frauenfußball noch einmal besonders in den Fokus rücken will, macht vielen an der Basis Hoffnung.
„Da ist das Potenzial noch nicht mal erkannt, gerade was im Mädchenfußball steckt. Dass man da viel mehr Energie und Aufwand investiert auch im Hinblick auf die Gerechtigkeit, das neue Präsidium hat sich das zumindest vorgenommen, das zu machen", sagt Ludewig.
Die neue DFB-Vizepräsidentin Silke Sinning.
Die neue DFB-Vizepräsidentin Silke Sinning. (dpa / picture alliance / Markus Gilliar)
Im Rhein-Erft-Kreis beispielsweise gibt es zu wenige Frauenmannschaften, sodass man mit einem Nachbarkreis eine gemeinsame Staffel organisieren muss. Deshalb freut sich auch Heinz Feind, „wenn der Frauenfußball durch den neuen Präsidenten wieder Aufschwung bekommen würde. Mich würde es schon freuen, wenn da positive Effekte rüberkommen würden.“

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Eine Hoffnung äußern alle drei Kreisvorsitzenden: mehr Wahrnehmung, mehr Wertschätzung für die Ehrenamtlichen an der Fußballbasis. Sie opfern Woche für Woche viel ihrer Freizeit und fühlen sich, bisher von der Spitze des deutschen Fußballs schlecht vertreten, das zeigen aktuelle Umfragen. Da brauchen viele einen langen Atem, erklärt Diana Räder-Krause aus Vorpommern-Greifswald:
„Gerade jetzt auch vor dem Hintergrund höhere Benzinkosten. Wir sind ein Flächenland, unsere Wege sind so weit teilweise. Wir müssen uns selbst finanzieren, wir können das nicht alles über unsere Vereine machen, wir versuchen das zwar über Sponsoring. Aber das reicht bei weitem nicht aus, um unsere Arbeit so zu machen, wie wir sie gerne machen wollen.“

Warten auf den neuen Grundlagenvertrag zwischen Profis und Amateuren

Die Verteilung der Gelder im deutschen Fußball, dafür gibt es den sogenannten Grundlagenvertrag. Der regelt kurz gesagt, mit wie viel Geld die Profivereine die Amateure unterstützen.  Der Vertrag läuft im Sommer 2023 aus.
Und Frank Ludewig aus München erzählt, dass die Neuverhandlung bereits jetzt in den Vereinen diskutiert wird: „Weil die Vereine sagen: wir merken davon nichts, da kommt nichts bei uns an, mal ganz hart gesagt. Wenn jetzt der Grundlagenvertrag neu ausgehandelt wird, dann wäre es natürlich super, wenn die Vereine an der Basis davon profitieren könnten.“
Noch bevor es dazu kommt, wäre es schon ein erster Schritt, sagt Heinz Feind aus Kerpen, wenn es das neue Präsidium wie angekündigt schaffen würde, Brücken zu bauen und damit die Gräben zwischen Profis und Amateuren zu verkleinern: „Wir hatten immer den Eindruck, wir werden sowieso nicht gehört, die Amateure. Das Aushängeschild des DFB war immer der Profisport und die Amateurmannschaften laufen als fünftes Rad hinterher. Und da habe ich große Hoffnungen, dass sich das nicht morgen, nicht übermorgen, aber in nächster Zeit doch zum Besseren wendet.“