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Die Berliner Schlossdebatte

Das Berliner Stadtschloss soll bekanntermaßen in genau jener Form wieder auferstehen, in der Walter Ulbricht es einst hatte sprengen lassen. Geschäftsführer des Fördervereins Berliner Stadtschloss, Wilhelm von Boddien, verzeichnet derzeit eine große Spendefreudigkeit der Bevölkerung und macht dafür unter anderem die gerade die Entscheidung verantwortlich, die Barockfassaden des Schlosses "annähernd hundertprozentig genau" zu rekonstruieren.

Moderation: Kersten Knipp |
    Kersten Knipp: Hat das auch mit der Entscheidung zu tun, die Fassade im Originalstil wieder herzurichten?

    Wilhelm von Boddien: Ich glaube ja, weil letztlich durchgesetzt worden ist vom Bundestag gegenüber anderen Bestrebungen aus Teilen des Bauministeriums, dass es eine annähernd hundertprozentig genaue Rekonstruktion der Barockfassaden des Schlosses und des Schlüter-Hofes gibt. Wenn es ein Patchwork oder eine Interpretation gegeben hätte, wäre es schwer gewesen, dafür Spenden zu sammeln, weil es dann ja doch wieder etwas anderes gewesen wäre. Und wir haben über Infratest dimap, die ja nun bekannt für seriöse Umfragen sind, nur in Berlin mal testen lassen, wie die Spendenbereitschaft ist. 14 Prozent der Befragten haben gesagt, wir spenden sicher etwas, und etwa 25 Prozent haben gesagt, wir spenden vielleicht. Wenn man diese 25 reduziert und mit den 14 zusammenzählt und kommt auf 25 Prozent der über 18-jährigen Berliner, und die Durchschnittsspende nach dieser selben Umfrage sollte bei etwa 80 Euro liegen, das wäre eine Zahl, die ich gar nicht ausrechnen mag, weil sie fantastisch ist. Aber wenn wir auch nur einen Bruchteil davon bekommen, dann ist es wunderbar.

    Knipp: Jetzt hat es ja in den vergangenen Jahren eine nicht aufhörende Kritik an der derzeitigen Fassade gegeben. Kulissenarchitektur mit einem Glaubwürdigkeitsproblem war nun eines dieser Argumente, denen man ganz viele andere oder auch Schlagworte hinzufügen könnte. Wie sehen Sie den Glaubwürdigkeitscharakter dieser neu errichteten Fassade? Man hätte sich ja auch etwas ganz anderes einfallen lassen können.

    von Boddien: Wir bauen ja das Schloss nicht seines selbst willen auf, sondern es geht um das Ensemble des alten Berlin, das ja weitgehend erhalten ist, und in kostbarster Architektur der letzten Jahrhunderte gebaut wurde. All diese Gebäude – wie das Zeughaus, altes Museum, bis hin zum Gendarmenmarkt mit seinen Türmen – bezogen sich diese Gebäude auf das Berliner Schloss und bildeten eine kommunikative Einheit. Das heißt, es gab ein Gespräch zwischen den Gebäuden, und durch die Sprengung des Schlosses – wie Margarete Kühn, die spätere Charlottenburger Schlossdirektorin, sagte – brach das gesamte alte Berlin zusammen. Es geht also gar nicht so sehr um die Rekonstruktion des Schlosses, sondern um die Rehabilitation der Mitte, so wie man bei einem beschädigten Bild Teile durch gute Restauratoren wieder ergänzen lässt und neu malen lässt, so wird das Schloss als Schwerpunkt dieser Stadt wieder in das Ensemble eingesetzt, damit die Stadt dort ihre Identität kriegt oder, wie wir auch sagen, die Stadtgeschichte sich wieder mit der Moderne streiten kann und Spannung in das Stadtbild kommt, wie bei jeder gewachsenen alten Kulturstadt.

    Knipp: Jetzt könnte man auch sagen, man hätte an die Stelle des Alten etwas Neues setzen können, um den Aufbruch dann noch einmal zu symbolisieren.

    von Boddien: Es ist so: Es ging nicht darum, der Moderne jetzt hier noch mal eine Chance zu eröffnen, sondern behutsam zu korrigieren, was die Moderne in ihrem Überschwang durch Kriegszerstörung, Nachkriegsabriss, bereits aus der Stadt gemacht hat, nämlich eine weitgehend architektonisch identitätslose Stadt. Die Moderne beherrscht etwa 90 Prozent des Stadtkerns von Berlin. Da kommt es auf eine Rekonstruktion nicht an, um damit der Moderne etwas zu nehmen.

    Knipp: Wofür steht Ihrer Ansicht nach das Berliner Stadtschloss? Welche Traditionen verkörpert es, an die sich möglicherweise auch wieder anschließen ließe?

    von Boddien: Als das Schloss gesprengt wurde, haben russische Kulturoffiziere – also, Besatzungsmacht damals – gegen die Sprengung bei der DDR-Führung protestiert und gesagt, was ihr dort sprengt, ist die größte kulturelle Leistung eures Volkes, ihr sprengt den König doch gar nicht in die Luft , den ihr damit eigentlich beseitigen wollt. Eure besten Architekten, eure besten Kunsthandwerker, eure besten Maurer, eure besten Möbeltischler, Raumausstatter und andere mehr haben mit einer unglaublichen Sorgfalt und Liebe dieses Haus gebaut und damit ein Zeugnis der Epoche der Kultur gegeben, in der sie lebten. Das heißt, es geht wirklich nur darum, ein Stück Kulturgeschichte unseres Landes wieder sichtbar zu machen, und das jetzt sogar in einer Kombination mit dem Humboldt-Forum, das heißt, mit einer unglaublich zukunftsweisenden Funktion, nämlich, die Kunst der Welt in der Mitte Berlins zu behaupten und zu beherbergen und damit auch eine Verbeugung vor den Nationen der Welt zu machen, die wir in der Mitte unserer Hauptstadt beherbergen, um uns damit als Glied in der Vielfalt der Nationen, in der Globalisierungsdebatte, aber auch in der kulturellen Diskussion auszuweisen.

    Knipp: Wilhelm von Boddin war das, der Geschäftsführer des Fördervereins Berliner Stadtschloss.