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Die Blaupause für den Golf von Mexiko

Die Ölkatastrophe im Golf von Mexiko ist beispiellos in ihren Ausmaßen - doch Pannen bei der Ölförderung sind eher die Regel als die Ausnahme. In der australischen Timorsee gab es im vergangenen August einen Unfall, der dem im Golf von Mexiko in fataler Weise ähnelte.

Von Andreas Stummer |
    Es war die größte Ölpest in der Geschichte Australiens: 73 Tage lang war aus einer leckgeschlagenen Bohrinsel 250 Kilometer vor der westaustralischen Küste Rohöl unkontrolliert in die Timorsee gelaufen. Insgesamt mehr als zehn Millionen Liter – der dicke Ölfilm im Wasser war größer als die Fläche Schleswig-Holstein.

    "Soweit hätte es niemals kommen dürfen","

    … sagt Gilly Llewellyn von der Tier- und Umweltschutzorganisation WWF. Außerdem hätten die Behörden das Ausmaß des Unglücks zu lange unter den Ölteppich gekehrt.

    " "Die australische Regierung hätte viel schneller reagieren und diese Ölkatastrophe sofort zum nationalen Notfall erklären müssen. Die Politiker haben wochenlang tatenlos dabei zugesehen, wie eines der unberührtesten Gewässer vor Australien verschmutzt wurde. Wir müssen uns nach dieser Katastrophe darüber klar werden, ob weiter Öl- und Gasförderung vor der Küste überhaupt erlaubt werden sollte."

    Das Leck auf der Ölplattform zu schließen war zu gefährlich, ein mitaustretendes Gasgemisches hätte explodieren können. Es musste erst eine zweite Bohrinsel 3000 Kilometer weit von Singapur in die Timorsee gebracht werden. Das allein dauerte drei Wochen. Das eigentliche Leck lag in mehr als drei Kilometern Tiefe unter dem Meeresboden. Um es zu stopfen, musste parallel zur leckgeschlagenen Pipeline eine zweite gebohrt werden. Dann wurden Schlamm und Beton nach unten gepumpt und das nur 25 Zentimeter große Leck damit versiegelt – was erst nach mehreren, gescheiterten Versuchen, gelang. Anders als jetzt im Golf von Mexiko verhinderten Gegenwind und eine günstige Strömung, dass der Ölteppich auf die Küste zutrieb. Aber der PR-Krieg um das Ausmaß und das Beheben der Katastrophe, wurde in Australien genauso hart geführt.
    "Es gab damals keine verlässlichen Zahlen der Bohrfirma, wie viel Öl nun wirklich durch das Leck austritt und wie hoch der Umweltschaden ist”, "

    … erinnert sich der amerikanische Ölexperte Ian Macdonald von der Universität Brisbane,

    ""Jetzt in den USA rückt BP auch nur unter massivem Druck damit heraus. Das Problem ist: Wir bohren immer tiefer unten im Meer nach Öl - an Orten, an die nur schwer heranzukommen ist. Die Technologie und vor allem die Umweltauflagen haben damit nicht Schritt gehalten.”"

    Regelmäßiges Missachten von Sicherheitsvorkehrungen, Ignorieren von Schutzmaßnahmen für Besatzung und Umwelt – meist um Kosten zu sparen - zu viele riskante Bohrungen an der Plattform und zu wenig Kontrolle der australischen Behörden: Der Bericht einer Untersuchungskommission über die Ölpest in der Timor See liest sich wie das Drehbuch zu einem Katastrophenfilm. Ein Desaster für die Rohstoff-Industrie. Doch die australische Regierung denkt nicht daran die Offshore-Ölförderung einzuschränken. Im Gegenteil.

    ""Nicht einmal ein Prozent aller Meereslebewesen vor Westaustralien sind geschützt, aber die Ölförderung nimmt dort immer mehr zu – sogar in Gegenden, die unter Naturschutz gestellt werden sollen","

    … beklagt Tim Nicol vom australischen Artenschutzbund.

    ""Präsident Obama hat nur Tage nach der Ölkatastrophe im Golf von Mexiko alle Offshore-Bohrungen ausgesetzt. Aber hier in Australien, vor allem vor der Westküste, werden immer mehr Tiefseegebiete für die Ölförderung freigegeben."

    Unter den Ölfirmen, die neue Bohrlizenzen vor Australiens Küsten bekommen haben, ist auch PTTEP, der thailändische Konzern, der für das Ölleck in der Timorsee verantwortlich ist. Nur ein paar hundert Kilometer weiter südlich der Unglücksstelle sollen bald riesige Öl- und Gasvorkommen im Wert von umgerechnet 35 Milliarden Euro gefördert werden. Für die Manager der boomenden, australischen Rohstoffindustrie ist das Musik in ihren Ohren. Umweltschützer aber bemängeln, dass wohl auch diesmal die Natur wieder nur die zweite Geige spielen wird.

    Zum Thema:
    Schwarzes Gold, schwarze Pest
    Reihe über Auswirkungen der globalen Erdölförderung (DLF)