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"Die brauchen dringend Wasser"

Nach dem schweren Taifun werden auch bei deutschen Unternehmen in Manila immer noch Mitarbeiter vermisst, sagt Nadine Fund, Chefin der deutsch-philippinischen Handelskammer. Den Überlebenden fehle es an Grundnahrungsmitteln, viele hätten kein Dach mehr über dem Kopf.

Nadine Fund im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann |
    Dirk-Oliver Heckmann: Vier Tage ist es jetzt her, dass Taifun Haiyan mit unvorstellbarer Wucht auf die Küste der Philippinen traf. Noch immer ist das Ausmaß der Schäden überhaupt nicht absehbar. Die Behörden, die sprechen bisher von über 10.000 Toten, doch das könnte noch lange nicht alles sein.
    Wir haben in den letzten Minuten versucht, eine Telefonleitung zu den Philippinen aufzubauen, was schwierig ist derzeit, denn die Telefonleitungen sind alle massiv gestört. Aber es ist uns gelungen, jetzt vorzudringen zu Nadine Fund. Sie ist Generalmanagerin der deutsch-philippinischen Handelskammer in der philippinischen Hauptstadt Manila. Frau Fund, meine erste Frage an Sie: Mit welchen Worten würden Sie die Lage in der Region beschreiben?

    Nadine Fund: Es ist eine bisher immer noch schwer überschaubare schlimme Lage. Das Ausmaß ist nach wie vor nicht komplett bekannt. Neben der Kommunikation, die sehr schwierig ist in die betroffenen Gebiete, weil es hier in den Philippinen fast alles über Mobiltelefone läuft, gibt es auch wenig Strom in den betroffenen Gebieten. Und dahin gehend: Selbst hier in Manila, in der Hauptstadt, wissen wir immer noch nicht über alle Regionen bescheid und haben auch von den Unternehmen sind noch nicht alle Mitarbeiter zum Beispiel erreicht worden.

    Heckmann: Das heißt, da besteht die Gefahr, dass dann noch viele Opfer zu beklagen sind. Wir haben eine große Verzögerung in der Telefonleitung, dafür bitte ich jetzt schon um Verständnis. Die Frage trotzdem an Sie, Nadine Fund: Wie geht es den Hunderttausenden, den Millionen Überlebenden?

    Fund: Könnten Sie das bitte wiederholen?

    Heckmann: Wie geht es den Hunderttausenden Überlebenden dieser Katastrophe?

    Fund: Die brauchen ganz dringend Wasser, Grundnahrungsmittel und eine, wie soll ich sagen, zwischenzeitliche Behausung. Medikamente werden ganz dringend gebraucht. Es werden jetzt nach und nach im Prinzip Zelte, Zeltstädte aufgebaut. Was noch erschwerend dazu kommt, wie Sie wahrscheinlich selbst schon gehört haben: Es ist ein zweiter relativ kleiner tropischer Sturm gerade hier angekommen. Es ist bisher nur starker Regen, aber das ist natürlich für die Situation vor Ort überhaupt nicht förderlich. Es ist nach wie vor schwierig, in die betroffenen Gebiete zu fliegen. Die Straßen sind mittlerweile frei, aber selbst auf dem Landweg sind die Orte natürlich nicht innerhalb von wenigen Stunden zu erreichen, sondern das sind lange Wege. Die Infrastruktur im Lande ist ja generell noch schwach ausgeprägt in den ländlichen Gebieten und das stellt jetzt die besondere Herausforderung dar, die Güter, die zwar da sind, an die richtigen Orte zu bekommen, und das so schnell wie möglich.

    Heckmann: Wie gewappnet sind die Behörden, die Rettungskräfte? Was haben Sie für einen Eindruck?

    Fund: Wir haben den Eindruck, dass von den internationalen humanitären Organisationen hier bereits sehr, sehr stark unterstützt wird. Die sind alle bereits eingeflogen, Materialien sind da. Das US-Militär hat auch große Hilfe zugesagt, die sind sogar mit einem Flugzeugträger mittlerweile hier hergekommen. Das große Problem ist, dass die philippinische Regierung, die generell schwach ausgeprägt ist, jetzt natürlich so stark getroffen ist, dass man wie lethargisch eigentlich ist und gar nicht ganz weiß, wo man anfangen soll und wie man sich jetzt optimal natürlich organisiert.

    Heckmann: Was können Sie tun, Sie als Vertreterin der deutsch-philippinischen Handelskammer, denn diese Katastrophe ist ja nun eine, die ganz tief auch in die Wirtschaft eingreift und eingeschnitten hat?

    Fund: Wir haben zunächst natürlich Rücksprache gehalten mit den deutschen Unternehmen, die hier tätig sind. Nach wie vor ist es so, dass die Motoren der Wirtschaft in Metro Manila, also hier in der Hauptstadt, und in Cebu City ansässig sind, und dass es eigentlich mit den betroffenen Gebieten eher ärmliche, landwirtschaftlich geprägte Gebiete getroffen hat. Trotzdem wird das ein drastischer Rückschlag sein. Wir gehen davon aus, dass natürlich Reisfelder, Zuckerrohr-Plantagen betroffen sind. Wir haben zusammen mit den deutschen Unternehmen, die hier tätig sind, bereits eine Spendenaktion gestartet. Wir werden zum einen auch helfen von unserer Seite, mit deutschen Transportunternehmen, gleichzeitig aber auch mit Geldspenden die Ersthilfe jetzt zu unterstützen. Den Blick aber in die Zukunft gerichtet – und das ist wahrscheinlich das, was dann am wichtigsten ist: Was wird sich daraus entwickeln, wenn das Ausmaß mal bekannt ist? Und wie kann man eventuell daraus für das Land, für die wirtschaftliche Entwicklung vielleicht sogar eine Chance entwickeln?Wir haben ja hier die typischen Wachstumssymptome eines Entwicklungslandes, was sich gerade zum Schwellenland entwickelt, und dazu kommen diese Naturkatastrophen, die zusätzliche Herausforderungen darstellen, und da kann ein Neustart wiederum die Möglichkeit sein, Gebiete, die bisher weniger entwickelt waren, vielleicht jetzt sogar mit Unterstützung von außen aufzubauen. Wir denken da auch an Optionen für deutsche Unternehmen, die die Entwicklung mit prägen können.

    Heckmann: Sie haben gerade gesagt, Frau Fund, noch nicht alle Mitarbeiter sind in ihre Unternehmen zurückgekehrt. Verstehe ich Sie richtig, dass man nicht ausschließen kann, dass unter den Opfern auch Deutsche sind?

    Fund: Das kann durchaus sein, ja. Gerade Unternehmen, die nicht nur hier in der Großstadt, sondern auch auf dem Lande kleinere Büros haben, da hat man einfach auch noch nicht zu allen Kontakt gefunden, weil die Mobilfunknetze komplett runter sind, die Signale ganz, ganz schlecht dahin funktionieren, sehr gestört eigentlich sind. Dann sind von vielen Unternehmen natürlich nicht die direkten Mitarbeiter, aber dann die Familien betroffen, oder der enge Freundeskreis, und da helfen die deutschen Unternehmen natürlich direkt ihren Mitarbeitern, entweder mit Hilfsgütern oder man gibt zum Beispiel Notfallkredite, dass die dann die Familien mit unterstützen können.

    Heckmann: Nadine Fund war das von der deutsch-philippinischen Handelskammer, live aus der philippinischen Hauptstadt Manila. Frau Fund, ganz herzlichen Dank für Ihre Eindrücke, und die Zeitverzögerung in der Telefonleitung, dafür bitten wir um Verständnis.


    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.