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Die Bürgerbeauftragte der EU
Dialog, Argumente, Überzeugungskraft

Das Machtgeflecht der EU ist für viele schwer zu durchschauen. Wer Ärger mit der EU-Verwaltung hat, kann sich an die europäische Bürgerbeauftrage Emily O'Reilly wenden. Sie geht den Beschwerden nach, egal ob von Privatleuten, von Unternehmen oder Organisationen.

Von Mirjam Stöckel |
Emily O'Reilly, Bürgerbeauftragte der Europäischen Union, spricht in Brüssel
Die bisherige Bürgerbeauftragte der Europäischen Union, Emily O'Reilly, stellt sich sich erneut zur Wahl (dpa / picture alliance / Laurent Dubrule)
Auf dem Weg zu Emily O'Reilly. Die Irin - Anfang Sechzig, früher Journalistin, fünffache Mutter - sitzt in einem hellen Besprechungsraum an einem Tisch, erzählt von ihrer Arbeit. Ein typischer Fall? - Ihr Beispiel kommt prompt: die Beschwerde einer junge Frau, weil der Auswärtige Dienst der EU seine Praktikanten nicht bezahlte:
"Wir haben diese Beschwerde untersucht - und vorgeschlagen, dass die EU diese Praktikanten bezahlen soll. Das tut sie jetzt. Und darauf sind wir sehr stolz. Es gab keine bestimmte Vorschrift, gegen die die unbezahlten Praktika verstoßen hätten. Aber zu den Werten der EU gehört eben, dass niemand diskriminiert wird."
Und damit seien unbezahlte Praktika nicht vereinbar, sagt Emily O'Reilly – denn sie schlössen all jene aus, die sich unentgeltliches Arbeiten nicht leisten können.
Auch Geheimdokumente einsehen
Vier- bis fünfhundert Fälle untersucht Emily O'Reilly jährlich. Mal hält eine Behörde Dokumente zurück, mal wirft ein Unternehmen der EU-Kommission ein ungerechtes Kartellverfahren vor. Emily O'Reilly:
"Die Stärke des Amtes liegt in den Untersuchungsbefugnissen, die ich habe. In erster Linie das Recht, alle Dokumente einzusehen - egal, wie geheim sie sind."
Emily O'Reillys Untersuchungen zufolge funktioniert die EU-Verwaltung besser als ihr Ruf. Nur bei fünf von hundert Fällen stellt die Bürgerbeauftragte - auch Ombudsfrau genannt - am Ende einen Verwaltungsmissstand fest und schreibt eine so genannte "Empfehlung": eine Aufforderung, wie es künftig besser laufen soll. Sanktionen verhängen kann sie nicht. Ihre Einflussmöglichkeiten: Dialog, Argumente, Überzeugungskraft. Und hinter Emily O'Reilly steht ein ganzes Team von Mitarbeitern.
Jede Beschwerde erhält eine Antwort
"Diese ganze Etage hier, also der vierte Stock und der fünfte Stock, das sind alles Ombudsfrau-Angestellte",
sagt Gundi Gadesmann, Leiterin der Kommunikationsabteilung, bei einer kleinen Führung durchs Büro. Bei jeder Beschwerde bekomme der Bürger eine Antwort in seiner Muttersprache. Entsprechend vielsprachig sei das Team hier, erzählt Gundi Gadesmann noch – und klopft dann an eine Tür. Personalchefin Zina Assimakopoulou, Griechin, unterbricht ihre Schreibtischarbeit und erzählt:
"Wir sind etwa 80 Leute, inklusive neun Auszubildende. Die meisten Fall-Bearbeiter, die die Beschwerden inhaltlich untersuchen, arbeiten in Brüssel. Die Verwaltungsmitarbeiter überwiegend hier."
Hier - das heißt: in einem Nebengebäude des EU-Parlaments in Straßburg. Dessen Abgeordnete entscheiden, ob Emily O'Reilly den Posten für weitere fünf Jahre bekommt oder einer der anderen vier Bewerber. Der Wahlausgang ist offen - auch wenn Emily O'Reillys Amtsführung aus verschiedenen Richtungen gelobt wird: vom Petitionsausschuss des EU-Parlaments etwa und von Politikanalystin Sophie Pornschlegel von der Brüsseler Denkfabrik "European Policy Centre":
"Sie hat ihre Arbeit tatsächlich sehr gut gemacht, weil sie es geschafft hat, ihr Amt so auszunutzen, dass sie es gestärkt hat in den letzten fünf Jahren."
Transparenz wieder und wieder gefordert
Und zwar indem sie aus eigener Initiative heraus die großen strukturellen Probleme in den europäischen Institutionen benannt hat, wieder und wieder. Die, die alle Bürger betreffen – nicht nur einzelne: den unklaren Einfluss von Lobbyisten auf Entscheidungsträger, fehlende Transparenz bei Verhandlungen und Entscheidungen der EU-Regierungen - und ethisch fragwürdige Jobwechsel hoher Beamter oder Kommissare. So hat die Bürgerbeauftragte das Profil ihres Amtes geschärft. Zwar hätten viele Akteure Veränderungsdruck aufgebaut, nicht sie allein, sagt Emily O'Reilly – aber so langsam würden die EU-Institutionen tatsächlich offener. Und wieder hat sie sofort ein Beispiel:
"Ein Mitglied der neuen EU-Kommission hat den Titel 'Kommissarin für Werte und Transparenz'. Das ist eine riesige Veränderung. Denn dass Transparenz Teil der offiziellen Stellenbeschreibung eines Kommissars wird – das wäre vor zehn Jahren undenkbar gewesen."