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"Die Burka ist kein religiöses Zeichen, sondern eines der Erniedrigung"

Als Präsident Nicolas Sarkozy seine Ablehnung der Burka öffentlich kundtat, heizte das die Diskussion um den Ganzkörperschleier in Frankreich weiter auf - besonders unter den Laizisten. Eine Kommission soll jetzt den politischen Streitschleier lüften.

Von Burkhard Birke |
    Burkini tabu! Das bekam Carole, eine zum Islam konvertierte Französin,
    zu hören, als sie letzten August zum zweiten Mal in ihrem Ganzkörperbadeanzug mit Kapuze im städtischen Schwimmbad von Emerainville ins Wasser wollte! Der Grund war simpel: Ebenso wie Schwimmshorts entspricht der Burkini nicht der Badeordnung!
    "Diskriminierung" beklagten die einen, "rettet unser laizistisches System" riefen die anderen. Nach der Burka sorgt jetzt auch noch der Burkini für Kontroversen. Auslöser war jener Satz von Präsident Sarkozy in seiner Rede vor beiden Kammern des Parlamentes im Juni in Versailles:
    "Die Burka ist kein religiöses Zeichen, sondern eines der Erniedrigung, der Knechtschaft. Ich sage es ganz förmlich: Sie wird auf französischem Gebiet nicht willkommen sein."

    Zwischen 367 und 2000 Frauen tragen in Frankreich angeblich die Burka, einen Schleier, der den ganzen Körper und das Gesicht bis auf einen Schlitz für die Augen verdeckt. Die Zahlen schwanken und die 30-köpfige parlamentarische Findungsmission spricht von mehreren hundert. Die meisten leben in den sensiblen Vierteln der Großstädte wie Marseille.
    "Ratten schlafen hier bei uns. Die Wohnungen sind verwahrlost. Um uns herum gibt es 800 Unternehmen, die die Jugendlichen aus unserem Viertel nicht einstellen. Die Fabriken, wo die Väter gearbeitet haben, machen dicht, reden Sie darüber, Sarkozy, bringen Sie Lösungen und hören Sie auf, über die Burka zu sprechen – das interessiert uns nicht – die Burka tut uns doch nichts!"

    Schéhérazade Ben Messaoud legt den Finger in die eigentliche Wunde. Sie ist Muslimin und leitet ein soziales Netzwerk in der Marseiller Cité Bassens. Der konservative Abgeordnete Eric Raoult, Berichterstatter des Sonderausschusses, gibt zu, dass die Burka nicht Problem Nummer eins ist, aber:

    "Viele Sozialarbeiter, Lehrer, die Verantwortlichen in den Krankenhäusern, bitten uns, ihnen einen Satz Regeln an die Hand zu geben, um mit diesem Phänomen klarzukommen."

    Wie können Burkaträgerinnen identifiziert werden – in Banken, auf der Gemeindeverwaltung? Das ist die praktische Frage, die moralische lautet: Ist es Zwang oder tragen die meist streng gläubigen Frauen, Salafisten, den Ganzkörperschleier freiwillig?
    Phänomen? Religiöses Zeichen? Politische Aussage? Diskriminierung der Frauen?

    "Im Koran gibt es die Burka nicht", erläutert die tunesische Theologin Mahbouba Ben Nasser, "es gibt das Tuch, das die Haare und Brust bedeckt. Im Koran stellt sich die Frage der Burka nicht!"

    Die war nämlich Zeichen der Oberschicht in Ländern wie dem Iran in vorislamischer Zeit. Das Tragen des Kopftuches wurde in Räumen der Republik wie Schulen und Universitäten im laizistischen Frankreich wie das Tragen anderer religiöser Symbole untersagt. Für Yasmina Dahim, verantwortlich für Ausbildung am Islamwissenschaftlichen Institut, gibt es andere Beweggründe dafür, dass zunehmend junge Französinnen aus den schwierigen Vorortvierteln in die Burka schlüpfen:

    "Sie werden von Ausgeschlossenen zu Personen, die ausschließen."

    Yasmina Dahim spricht von variabler Geometrie bei der Umsetzung der Laizität. Wie die Theologin Ben Nasser sieht sie Unkenntnis und Islamophobie in der französischen Gesellschaft. Für Eric Raoult und seine Parlamentskollegen entwickelt sich die Findungsmission zur gefährlichen Gratwanderung, es droht der Zorn der sechs Millionen Muslime im Land. In den Kommissionen hören sie Soziologen, Psychologen, Sozialarbeiter und Theologen, wollen in den Präfekturen der großen Städte Burkaträgerinnen sprechen. "Wir wollen vor allem besser verstehen", betont die sozialistische Abgeordnete Sandrine Mazetier, wobei klar ist:

    "Niemand, niemand im Ausschuss, oder in den politischen Parteien, ist für die Burka."

    Ein Verbot ist dennoch nicht vorprogrammiert. Interkultureller Dialog wäre, so der UMP-Abgeordnete Eric Raoult, eine Möglichkeit, den Umgang zu regeln und:
    "Es muss geklärt werden, ob Maskierung, Vermummung in der Öffentlichkeit generell nach geltendem Recht erlaubt ist oder nicht! Eine weitere Option wäre ein Verbot, aber mit einer sechsmonatigen Übergangsphase wie vom Fraktionsvorsitzenden vorgeschlagen. Auf keinen Fall werden wir Polizisten ausbilden, um den Frauen die Burka vom Leib zu reißen."