Es ist nicht nur die SPD, die wegen der Personalie Hans Georg Maaßen intern ringt. CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer schreibt in einem Brief an die Mitglieder, ihr sei bewusst und nachvollziehbar, dass die Entscheidung der Koalitionsrunde, den bisherigen Chef des Bundesamts für Verfassungsschutz zum Innen-Staatssekretär zu machen, Fragen hervorrufe - und wörtlich - "wenn nicht sogar auch Unverständnis, Kopfschütteln und Ablehnung."
Gleichzeitig rechtfertigt sie die Entscheidung. Die Gefahr eines Auseinanderbrechens der Regierung habe konkret im Raum gestanden - mit allen dahinterstehenden Konsequenzen bis hin zu Neuwahlen. Dies sei aus Verantwortung für das Land nicht vertretbar erschienen. Deutlich lauter allerdings sind Empörung und Debatten in der SPD. Am Mittag rechtfertigt auch Andrea Nahles, dass sie dieses Ergebnis, das sie kaum Kompromiss nennen mag, mitgetragen hat.
"Ich habe kein Problem damit, die Verantwortung zu übernehmen, dass ich in einer Situation, die ja faktisch wieder eine komplett zugespitzte Koalitionskrise war - die wir aufgrund von Herrn Seehofer jetzt schon zum zweiten Mal erleben - eine Abwägung treffen musste."
Kohnen: "Es geht ja auch um Glaubwürdigkeit"
Die Rechtfertigung war nötig. Denn in der gemeinsamen Pressekonferenz in München hatte zuvor Natascha Kohnen, Parteivize und bayerische Spitzenkandidatin, ihre Kritik erneuert.
"Ich halte es für nicht nachvollziehbar, dass ein Mann, der das Vertrauen gebrochen hat, als Chef des Verfassungsschutzes jetzt von Herrn Seehofer an diese Position gehievt wird, und dass Herr Seehofer diese Entscheidung getroffen hat. Und ich sage hier klar: Es geht ja auch um Glaubwürdigkeit in der Politik."
Sie hatte gefordert, die SPD-Mitglieder im Bundeskabinett mögen die Entscheidung zu Maaßen nicht mittragen. Ein solcher Umgang mit dem Recht eines Ministers, sein Haus zu besetzen, wäre höchst ungewöhnlich - im übrigen aber wohl auch wirkungslos. Darauf machte der Staatsrechtslehrer Joachim Wieland aufmerksam - die SPD-Minister haben in dem Gremium keine Mehrheit. In jedem Fall wächst die Empörung unter den Genossen. Hat auch Andrea Nahles in der Sache einen Fehler gemacht?
"Ja!"
Antwortet am Morgen im Deutschlandfunk die Parteilinke Hilde Mattheis.
"Das muss die SPD für sich beantworten: Ist sie bereit, sich im Prinzip von einem kleinen Koalitionspartner wie der CSU und dem Vorsitzenden der CSU ständig vor einen Flaschenhalt ziehen zu lassen?"
Koalition nach dem Kompromiss auf dem Prüfstand
Juso-Chef Kevin Kühnert bekräftigt im Bayerischen Rundfunk, es sei um die Frage gegangen, ob die Zusammenarbeit in der Koalition angesichts eines solchen Kompromisses weitergehe.
"Ich hätte mir gewünscht, dass wir das gemeinsam in den Gremien der SPD beraten und dass das nicht einsam an der Spitze entschieden wird."
Von einem "schweren Fehler" spricht der frühere SPD-Chef Nordrhein-Westfalens, Michael Groschek. Ihm sei unbegreiflich, wie Andrea Nahles einem solchen Deal habe zustimmen können. Sein Nachfolger Thomas Kutschaty meint: "Das ist kein Kompromiss, das ist ein Schadensfall."
Diejenigen, die sich jetzt besonders laut äußerten, seien die, die von Anfang an Vorbehalte gegen die Große Koalition gehabt hätten, antwortet die Gescholtene. Räumt aber ein:
"Dass es da durchaus auch neue Debatten in der Partei gibt."
"Alle Debatten, die da kommen, auch zulassen"
Am Montag soll die Causa Maaßen Thema im Parteivorstand sein - mit breitem Focus. Denn:
"Trotzdem geht es in dieser Frage auch um größere Abwägungen, die man treffen muss, ob Neuwahlen jetzt das Richtige sind et cetera. Und ich werde alle Debatten, die da kommen, auch zulassen und annehmen, weil ich finde, sie liegen auch in der Luft."
Am Nachmittag soll dann auch die Fraktion zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Unterdessen kritisierte der deutsche EU-Kommissar Günther Oettinger das jüngste Koalitions-Zerwürfnis. Er könne seinen europäischen Kollegen in Brüssel Probleme wie den Streit um den Verfassungsschutzchef nicht mehr erklären, so der CDU-Politiker in Friedrichshafen.
In der öffentlichen Wahrnehmung schadet der Streit offenbar der Regierung als Ganzer. In einer Umfrage der Online-Titel der Funke Mediengruppe in Zusammenarbeit mit dem Umfrageinstitut Civey gaben mit 72 Prozent mehr als zwei Drittel der Teilnehmer an, nun weniger Vertrauen in die Bundesregierung zu haben.