"Wir haben nach 43 Tagen Hanns Martin Schleyers klägliche und korrupte Existenz beendet ... Für unseren Schmerz und unsere Wut über die Massaker von Mogadischu und Stammheim ist sein Tod bedeutungslos ... Wir werden Schmidt und den ihn unterstützenden Imperialisten nie das vergossene Blut vergessen. Der Kampf hat erst begonnen. Freiheit durch bewaffneten antiimperialistischen Kampf."
Mit diesem Kommuniqué, das am 19. Oktober 1977 bei der linken französischen Tageszeitung "Libération" einging und mit dem Logo der Gruppe, einem Stern mit Maschinenpistole, beglaubigt war, beendete die Rote Armee Fraktion (RAF) das Drama des sogenannten Deutschen Herbstes. Die Leiche des entführten Arbeitgeberpräsidenten Schleyer wurde wie angegeben im Kofferraum eines Wagens gefunden. Wie die kriminalistische Rekonstruktion ergab, hatte er vor seinem Tod niederknien müssen und war durch drei Genickschüsse ermordet worden.
Die Ereignisse des Jahres 1977 und das vorangegangene und nachfolgende Stakkato von Attentaten und Geiselnahmen, Hungerstreiks und Prozessauftritten, Morden und Selbstmorden sind tief ins Gedächtnis der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft eingegraben. Tatsächlich hat man in der Geschichte des deutschen Linksterrorismus der 1970er-Jahre viele Ingredienzien in Reinform beisammen, die für den modernen Terrorismus überhaupt charakteristisch sind. Das eingangs zitierte Kommuniqué verspricht Rache "für das vergossene Blut" – und formuliert eine Zielsetzung, die so zeitlos und ortlos, so grenzenlos und wesenlos wie selbstbezogen ist: "Freiheit durch antiimperialistischen Kampf". Der Weg war das Ziel. Oder wie die überlebende Irmgard Möller ihre Erinnerungen überschrieb: "RAF, das war für mich Befreiung."
Was bezeichnet man genau mit "Terror" oder mit "Terrorismus"? Wo ist sein Platz in der Gewaltgeschichte des kurzen 20. Jahrhunderts, aber auch des langen 19. Jahrhunderts davor? Und welche Zäsur bedeutet jenes terroristische Großereignis, der 11. September 2001, mit dem das neue 21. Jahrhundert eröffnet wurde, und das den Beginn eines globalisierten "Kriegs gegen den Terror" markiert hat – und genau dazu vermutlich auch einladen sollte. Willkommen in der Hölle?
Es macht wenig Sinn, den Begriff uferlos auszuweiten, wie dies zum Beispiel die Regierung Bush jr. auf verhängnisvolle Weise getan hat, indem sie den überlebensgroßen Popanz eines "internationalen Terrorismus" aufbaute, der als fiktives politisches Gesamtsubjekt und Gegenspieler zur westlichen Demokratie in den Raum gestellt wurde.
Vielmehr muss es heute darum gehen, das mit Terrorismus umschriebene Phänomen nüchtern einzugrenzen, es politisch und ideologisch zu spezifizieren und geografisch wie historisch genauer zu lokalisieren.
Soviel ist von vornherein klar: Terror und Terrorismus sind zunächst polemische und pejorative Begriffe, die Feinde einer gegebenen Macht und einer gesellschaftlichen oder internationalen Ordnung markieren sollen: eben als Terroristen oder als Terrorregimes. Wann immer Untergrundorganisationen oder revolutionäre Regimes sich den Terror positiv auf die Fahnen geschrieben haben, da gewissermaßen als einen legitimen Gegenterror gegen den der Parteigänger des alten Regimes. So verkündete also der blasse Maximilien Robespierre 1794 in klassisch-antikisierender Rede:
"Die Regierung der Revolution ist der Despotismus der Freiheit gegen die Tyrannei." – "Wenn die Triebkraft der Volksregierung in Friedenszeiten die Tugend ist, so ist die Triebkraft in Zeiten der Revolution zugleich Tugend und Terror: die Tugend, ohne die der Terror machtlos ist, der Terror, ohne den die Tugend machtlos ist."
Tugend ist Terror, Terror ist Tugend – das ist bereits eine frühe Kernformel für das Selbstbild eines modernen Revolutionärs, der das moralische Opfer erbringt, sich für eine absolute (weltliche oder göttliche) Freiheit mit dem Blut von Schuldigen wie von Unschuldigen zu beflecken. Eben deshalb sehen sie sich auch nicht als Terroristen, sondern als Revolutionäre, Freiheitskämpfer oder Djihadisten; und sofern sie an die Macht kommen und organisierten Terror üben, dann im Namen der Befreiung des Proletariats, eines unterdrückten Volks oder gleich im Namen Gottes wie nach der iranischen Revolution 1979.
Dieser grundlegenden Schwierigkeit ist allerdings auch nicht zu entkommen: Nämlich dass Personen oder Gruppen, die solchen Terror üben, anders als gewöhnliche kriminelle Gewalttäter oder als brutale Diktatoren älteren Schlages, für politische Ziele eintreten, die als solche durchaus legitim oder sogar unabweisbar sein können. So notwendig es ist, die dünne Grenze zwischen einer durch minimale Regeln und Konventionen eingehegten und einer uferlos entgrenzten, maßlosen Gewalt mindestens theoretisch und normativ zu ziehen – so wenig entbindet das von der Aufgabe, terroristische Gewalt in ihrem politischen Kontext zu bewerten.
Auch legitime Befreiungsbewegungen, die diesen Namen verdienen, haben sich zeitweise terroristischer, insoweit illegitimer Mittel bedient, so beispielsweise der südafrikanische ANC gegen das brutale Regime der Apartheid.
Umgekehrt: Selbst Gruppen, die über Jahrzehnte in reinen, sich selbst nährenden Terrorismus abgeglitten sind, wie etwa die nordirische IRA und ihre ebenso terroristischen protestantischen Gegenspieler, können, wenn sie greifbare Ziele verfolgen, in einen politischen Prozess wieder hineingeholt und pazifiziert werden. Dagegen gibt es andere, bei denen das so gut wie unmöglich erscheint, weil ihr Kampf auf nichts Konkretes gerichtet ist, sondern sich in einer Sphäre der absoluten Feindschaft bewegt, etwa gegen "den Kapitalismus" oder "den Imperialismus", wie im Falle der RAF, oder gegen die Welt der "Ungläubigen", wie im Fall der Islamisten.
Neben solchen Differenzierungen ist es aber auch notwendig, den heutigen globalisierten Terrorismus als ein spezifisches historisches Phänomen zu erfassen und zu lokalisieren. In die größere Gewaltgeschichte des vergangenen Jahrhunderts hineingestellt, werden die heutigen Formen des Terrorismus von vergangenen Exzessen eines bürgerkriegsmäßig entfesselten und/oder staatlich organisierten Massenterrors noch immer weit in den Schatten gestellt.
Sehr summarisch lässt sich das Bild einer Welt des 20. Jahrhunderts zeichnen, die von tiefen Zäsuren bestimmt ist. Das terroristische Attentat von Sarajevo 1914 liefert gleichsam den Startschuss zu einer Ära der Weltkriege, Revolutionen und Bürgerkriege, die von Exzessen totalitären Massenterrors, sozialen und ethnischen Ausrottungsaktionen sowie globalen Eroberungs- und Vernichtungszügen charakterisiert ist, wie sie die Welt bis dahin nicht gekannt hatte.
Diese Ära, die mit dem Atombombenabwurf über Hiroshima und Nagasaki im August 1945 endet, als der äußersten Steigerung eines kriegerischen Terrors gegen feindliche Zivilbevölkerungen, geht bruchlos über in eine Epoche lokaler Kriege und endemischer Bürgerkriege. In ihnen vermischen und überlagern sich die Kämpfe für eine Dekolonisierung Afrikas, des Nahen Ostens und Asiens mit mörderischen Stellvertreterkriegen der beiden neuen Militärblöcke und ihrer antagonistischen Vormächte USA und UdSSR, zusätzlich gesteigert und verkompliziert durch das militante Hervortreten der neugegründeten Volksrepublik China im Namen einer "Dritten Welt". Die einzigen Schranken für die Eskalation dieser Kriege und Bürgerkriege werden eben durch jene Weltvernichtungsmittel gesetzt, die sich in einer prekären "balance of terror", einem Gleichgewicht des atomaren Schreckens, gegenseitig neutralisieren.
Diese zweiphasige Ära der Weltkriege, Revolutionen und Bürgerkriege wird in den 1970er-Jahren schließlich abgelöst von einer dritten Phase, in der die politische Karte des Globus im Großen und Ganzen festgelegt ist und die 192, meist jungen Mitgliedsstaaten, die die Vereinten Nationen inzwischen zählen, vorwiegend mit ihrer inneren und äußeren, politischen und ökonomischen Konsolidierung beschäftigt sind. Genau an dieser historischen Schnittstelle haben sich jene disparaten Phänomene herausgebildet und zu einer epidemisch ansteigenden Welle verdichtet, die wir heute als den "Terrorismus" der Gegenwart wahrnehmen. In einer weiteren, vierten Phase nach dem Zusammenbruch des östlichen, sowjetisch geführten Weltlagers seit 1989 haben diese terroristischen Bewegungen ihr Terrain noch einmal erweitert und ihre ideologische Färbung gravierend verändert, sodass man von einer neuen, zweiten Welle eines entbundenen und globalisierten Terrorismus sprechen kann.
Zu den gemeinsamen Merkmalen der ineinander übergehenden terroristischen Wellen seit den 1970er-Jahren bis heute gehört es, dass ihre Träger durchweg sub-staatliche Akteure sind, auch dort, wo sie mit Hilfe oder als Instrumente "befreundeter" Staaten und Geheimdienste über die Grenzen des eigenen Landes hinaus operieren. Zugespitzt formuliert haben sich diese Wellen des Terrors in einer Weltsituation entwickelt, die im Vergleich zu den beiden vorangegangenen Ären der Weltkriege, Revolutionen und Bürgerkriege durch eine relative Beruhigung ausgezeichnet ist – auch wenn das uns als den Zeitgenossen des anbrechenden 21. Jahrhunderts ganz und gar nicht so erscheinen will. Begleitet war und ist diese Entwicklung von einer zwar ungleich verteilten, aber dennoch historisch beispiellosen sozialökonomischen Entwicklung, die nicht nur ein Land wie China zur dritten Wirtschaftsmacht der Welt gemacht, sondern die auch zur weitgehenden Auflösung der einst so romantisch umwitterten "Dritten Welt" geführt hat.
Das Phänomen des neuen Terrorismus lässt sich – mindestens für die Periode vor 2001 – in Zahlen fassen. So stieg die Anzahl der auf nationaler oder internationaler Ebene operierenden terroristischen Organisationen von einem knappen Dutzend im Jahr 1968 auf rund achtzig kleinere oder größere Gruppen zu Anfang der neunziger Jahre. Inzwischen sind es eher noch mehr geworden, auch wenn einige der hartnäckigsten Terrorformationen den Kampf inzwischen aufgegeben haben, wie die nordirische IRA, oder militärisch zerschlagen worden sind, wie der "Leuchtende Pfad" in Peru oder die tamilischen "Tiger" auf Sri Lanka.
Die ideologischen Gewichte haben sich von einer eher linken, säkularen Orientierung entweder in Richtung eines ethnischen und kulturellen Fundamentalismus verschoben - so etwa im Fall der baskischen ETA, der kurdischen PKK oder der erwähnten tamilischen "Tiger"-, oder hin zu einem religiösen Fundamentalismus, am extremsten in Gestalt des neuen, miteinander vernetzten islamistischen Terrorismus. Al-Qaida - zu deutsch: die Basis - ist dafür offenbar mehr ein Name und eine Adresse als eine tatsächliche, planmäßig operierende Gesamtorganisation.
Die Zahl der terroristischen Gruppen zugeschriebenen Anschläge stieg schon bis 1988 in die astronomische Höhe von über Hunderttausend. Aber von den 10.000 Menschenleben, die diese Anschläge und der oft noch blutigere staatliche Gegenterror forderten, entfielen 5000 allein auf die Türkei und über 2600 auf Nordirland. Würde man die Entwicklungen bis heute mit einbeziehen, also auch alle Anschläge islamistischer Gruppen, inclusive der Al-Qaida und einschließlich des 11. September 2001, des bisher größten Terroranschlags überhaupt, so würde man noch immer bei Opferzahlen ankommen, die in die Tausende oder Zehntausende gehen, aber nicht in die Hundertausende und Millionen wie in der Ära der Weltkriege und Bürgerkriege des 20. Jahrhunderts.
Die Opfer, die der reine Terrorismus gefordert hat, verblassen selbst vor den 140.000 Menschen, die alleine im mehrjährigen Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina in den 1990er-Jahren eines gewaltsamen Todes gestorben sind – als Teil eines postjugoslawischen Nachfolgekriegs, der sich trotz der fast systematisch eingesetzten Terrormittel von Mord und Massaker, Folter und Vergewaltigung unter dem Gesamttitel "Terrorismus" dennoch nicht sinnvoll verbuchen lässt.
Ähnliches gilt für die postsowjetischen Nachfolgekriege der 1990er-Jahre, von Tschetschenien bis zum jüngsten Georgienkrieg. Und in noch ganz andere Dimensionen gerät man, wenn man die Hunderttausende von Massakrierten in Ruanda oder die Millionen von Toten der endemischen Bürgerkriege im Kongo, in Somalia, im Sudan und einigen anderen Ländern der Welt dagegenstellt. "Terrorismus" als eine Kampfform war und ist dabei immer mit im Spiel, aber beschreibt eben nicht das Wesen dieser Konflikte.
Eher handelt es sich um späte, verworrene, mörderische Nachspiele jener Ära der Welt- und Bürgerkriege des frühen 20. Jahrhunderts, in denen totalitäre Massenbewegungen und Regimes alle Maßstäbe kriegerischer Gewalt und zivilem Terrors auf völlig neue Stufen gehoben hatten. Auch damals traten diese Bewegungen und Regimes als Antagonisten einer hegemonialen Welt des bürgerlich-kapitalistischen Westens auf, dessen Hauptmächte nicht nur die Weltmärkte und Weltmeere, sondern vor und nach 1945 auch noch ganze oder halbe Kontinente beherrschten. Von diesem Widerspruch nährten sich die auf innerer Gleichschaltung und ethnischer Homogenisierung beruhenden Großreichsprojekte der faschistischen Mächte des Zeitalters, insbesondere Deutschlands, Italiens und Japans, die die alten Imperialismen, an erster Stelle das britische Weltreich, gewaltsam beerben und übertrumpfen wollten.
Von diesem Widerspruch nährte sich aber auch das andere totalitäre Projekt des Weltkriegszeitalters, der russische Bolschewismus, der seine volle Radikalität zunächst nach innen hin entfaltete. Schon im russischen Bürgerkrieg übertrumpften die Bolschewiki den Terror ihrer Bürgerkriegsgegner durch einen "roten Terror", der einen völlig neuartigen Charakter trug. In einer Replik auf die Kritiken des eminenten deutschen Marxisten Karl Kautsky schrieb Leo Trotzki, damals neben Lenin der zweite charismatische Führer der bolschewistischen Revolution und Schöpfer der Roten Armee, unter dem provokativen Gegentitel "Kommunismus und Terrorismus:
"Die Aufgabe der Revolution wie des Krieges besteht darin, den Willen des Feindes zu brechen und ihn zur Kapitulation und zur Annahme der Bedingungen des Sieges zu zwingen. Je erbitterter und gefährlicher der Widerstand des niedergeworfenen Klassenfeindes ist, desto unvermeidlicher verdichtet sich das System der Repressalien zu einem System des Terrors."
Diese Argumentation war scheinbar glasklar, in Wahrheit aber beschönigend. So war Lenin schon unmittelbar nach der Machteroberung einen entscheidenden Schritt weiter gegangen, als er mit Blick auf den "terreur" der französischen Revolution schrieb:
"Die Guillotine schüchterte nur ein, brach nur den aktiven Widerstand. Wir müssen auch den passiven, zweifellos noch gefährlicheren und schädlicheren Widerstand brechen."
Dazu dienten auch die Mittel eines neuartigen sozialen Terrors, von den Enteignungen der Fabriken, Läden, Häuser und Wohnungen bis hin zur Verhängung einer Zwangsarbeitspflicht sowie der Beschlagnahme aller privaten Guthaben und Lebensmittel. Auch die widerständigen Bauern, die gerade das Land unter sich verteilt hatten, wurden mit vorgehaltener Waffe zur Ablieferung ihrer kleinen Überschüsse und Vorräte gezwungen. Im Bürgerkrieg folgten dann massenweise Geiselnahmen, auch von Angehörigen flüchtiger Beamter oder Offiziere, und in immer wachsendem Maße summarische Erschießungen, für die es keiner konkreten Widerstandshandlungen bedurfte, sondern die einen zunehmend prophylaktischen Charakter annahmen. Als die Bolschewiki den Bürgerkrieg gewonnen hatten, bestand Lenin ausdrücklich darauf, dass der Terror zu einem regulären Instrument einer künftigen Justiz werden müsse, so in einer Anweisung zum neuen Strafgesetzbuch von 1922:
"Das Gericht soll den Terror nicht beseitigen, sondern ihn prinzipiell, klar, ohne Falsch und ohne Schminke begründen und gesetzlich verankern. Die Formulierung muss so weit gefasst wie möglich sein, denn nur das revolutionäre Rechtsbewusstsein und das revolutionäre Gewissen legen die Bedingungen fest für die mehr oder minder breite Anwendung in der Praxis."
Das entsprach einem Begriff der "Diktatur des Proletariats", den Lenin immer wieder und ausdrücklich als eine an keine Einschränkungen und keine Regeln und Gesetze gebundene Form revolutionärer Gewalt und Machtausübung beschrieben hatte. Die angebliche Bindung an "das revolutionäre Rechtsbewusstsein und das revolutionäre Gewissen" erwies sich vollends als Phrase, als sein Nachfolger Josef Stalin nach der verheerenden Kollektivierungs- und Industrialisierungsrevolution der 1930er-Jahre daran ging, alle angenommenen, selbst passiven Widerstände prophylaktisch niederzuhalten und auszurotten, und das nicht nur im noch weithin bäuerlichen und multinationalen Sowjetvolk, sondern auch im eigenen Machtapparat und der eigenen Partei.
Vor allem die Ereignisse des "Großen Terrors" der Jahre 1937/38 waren historisch völlig präzedenzlos, als 700.000, vielleicht aber auch eine Million Menschen innerhalb von zwei Jahren erschossen und Millionen andere in die Zwangsarbeitslager des GULag-Systems geschickt wurden. Zeiten eines solchen "großen Terrors" haben alle kommunistischen Parteien und Regimes vor und nach ihrer Machteroberung durchlaufen – wobei sich dieser Terror zu einem guten Teil stets auch gegen reale oder vermeintliche Abweichler in den eigenen Reihen gerichtet hat. In diesem Sinne war der Terror, oft bis in die höchsten Führungsspitzen hinein, geradezu ein regelmäßiger, auch interner Betriebsmodus dieser Regimes, jedenfalls in ihren formativen Gründungsphasen.
Nichts von alledem findet man auf der Seite der parallelen faschistischen Bewegungen und Regimes. So weit sie Terror übten, passierte das kaum in den eigenen Reihen und relativ gezielt gegen ihre aktiven Gegner. Im Großen und Ganzen brauchten Hitler oder Mussolini ihre Völker nicht in derselben Weise zu terrorisieren wie Stalin oder Mao. Ihr aggressiven Potenziale richteten sich vorwiegend nach außen, und ihre totalitäre Vernichtungswut galt in erster Linie den unterworfenen und versklavten Fremdbevölkerungen sowie all denjenigen, die aus den Reihen von Volk und Rasse als lebensunwert oder schädlich auszusondern waren: von den Euthanasieopfern bis hin zu den "Zigeunern" und den jüdischen Opfern des Holocaust. Das waren Akte eines partiellen oder vollendeten Genozids, einer schieren Menschenvernichtung, aber kaum Akte des Terrors. Wen hätten sie "terrorisieren", also einschüchtern oder abschrecken sollen?
Hier wie überhaupt kommt alles auf die Genauigkeit der historischen Einordnungen und Begriffe an. Akte des Terrors waren vor allem in den Bürger- und Befreiungskriegen der Ära der Entkolonialisierung nach dem Zweiten Weltkrieg eine verbreitete und fast reguläre Kampfform, von Algerien bis Vietnam. Dazu zählen etwa die gezielten Morde an Siedlern und die verheerenden Bombenanschläge, oft auch Selbstmordattentate, der algerischen FNL auf belebten Plätzen in der Schlacht von Algier 1957, die von den französischen Militärs und Siedlern mit einem noch exzessiveren Gegenterror beantwortet wurden. Einen rein terroristischen Charakter trug auch die systematische Mordkampagne der vietnamesischen Befreiungsfront gegen Tausende von Dorfältesten in Südvietnam, die die militärische Infiltration von Norden in den 1960er-Jahren begleiteten.
Aber im Kern waren das dennoch militärische Auseinandersetzungen, Partisanenkriege, wie sie in den Weltkriegsjahren gegen die deutschen, italienischen oder japanischen Okkupanten bereits begonnen hatten. Nach den anachronistischen militärischen Wiederbesetzungen durch die alten Kolonialmächte, schließlich den militärischen Interventionen der USA gegen den angeblichen "Vormarsch des Kommunismus" in Asien oder Afrika trieben sie umso schneller und radikaler auf eine Entscheidung zu – die letztlich nur in eine Richtung fallen konnte: die des Abzugs der Kolonialisten, in Indochina 1975 auch der US-Truppen.
Die linksterroristischen Gruppen, die sich Ende der 1960er-Jahre als Absplitterungen kommunistischer Parteien oder Befreiungsorganisationen in Lateinamerika und im Nahen Osten, aber ebenso auch aus den Jugend- und Studentenbewegungen in den USA, in Westeuropa und in Japan bildeten, standen ganz im Banne dieser Erfahrungen, insbesondere auch des noch andauernden Entscheidungskriegs in Vietnam. Aber ihre Ziele und Perspektiven lösten sich zunehmend von allen konkreten Konflikten, wurden immer abstrakter und totaler.
Ein wesentliches Verbindungsglied war die Figur und Karriere des jungen argentinischen Arztes Ernesto Che Guevara, der aus seiner Teilnahme an der kubanischen Revolution einen Katechismus des Guerillakampfs destilliert hatte, der die trügerische Leichtigkeit dieses Triumphs in ein vermeintlich universales Weltbefreiungsszenario überführte:
"Wir haben bewiesen, dass eine kleine Gruppe entschiedener Männer mit Unterstützung des Volkes und ohne Furcht zu sterben, wenn es nötig sein sollte, sich gegen eine disziplinierte Armee behaupten und sie sogar entscheidend schlagen kann."
Guevara plante, sich in den Spuren der gescheiterten "Befreier" Lateinamerikas im 19. Jahrhundert wie Simón Bolívar und San Martín selbst an die Spitze eines kontinentalen Guerillakriegs gegen den – wie er behauptete – weltbeherrschenden US-Imperialismus zu stellen. So wurden in Kuba Dutzende kleiner Guerilla-Einheiten trainiert, die allesamt binnen kurzem scheiterten. Che selbst dachte inzwischen in noch größeren Dimensionen: In seinem Aufruf vom Frühjahr 1967 an die nach seinen Vorstellungen gebildete, kurzlebige "Tricontinentale" – eine Art Weltbefreiungsorganisation mit Sitz in Havanna – erging er sich in hymnischen Visionen eines Endkampfs gegen die "große Bestie", eines globalen Armageddon:
"Wie licht und nah würde sich uns die Zukunft darbieten, wenn zwei, drei, viele Vietnams auf der Erdoberfläche zutage träten, mit ihrem Blutzoll und mit ihren ungeheuerlichen Tragödien, mit ihrem täglichen Heldentum, mit ihren unablässigen Schlägen gegen den Imperialismus ... Wo immer uns der Tod trifft, er sei uns willkommen, wenn nur unser Kriegsruf aufnahmebereite Ohren getroffen hat ... und andere Menschen sich daran machen, den Trauermarsch zu intonieren mit dem Geknatter von Maschinengewehren und neuen Kriegs- und Siegesrufen."
Er selbst saß zu diesem Zeitpunkt bereits mit einer Handvoll Getreuen, von der Armee umzingelt, im Dschungel von Bolivien, das eigene Ende nah vor Augen. Es war dann, wie man weiß, das Bild des christusgleich aufgebahrten Che, das im Oktober 1967 die Jugend der Welt, nicht zuletzt auch der westlichen Welt, elektrisierte – so auch die die jungen Männer und Frauen, die in der Bundesrepublik Deutschland im Frühjahr 1970 "abtauchten" und die RAF sowie zwei weitere bewaffnete Untergrundorganisationen bildeten. Was die gesellschaftlichen Umstände an Konfliktstoff nicht hergaben – es begann ja gerade die Periode der sozialliberalen Reformen unter der Ägide Willy Brandts – wurde durch einen radikalen Voluntarismus wettgemacht, so wie in der ersten Erklärung der RAF an die Adresse der vormaligen Mitstreiter in der außerparlamentarischen Linken:
"Ob es richtig ist, den bewaffneten Widerstand jetzt zu organisieren, hängt davon ab, ob es möglich ist; ob es möglich ist, ist nur praktisch zu ermitteln."
Bewaffneter Kampf gegen den Imperialismus war also ein prinzipielles – man könnte auch sagen: ein existenzielles – Postulat, eben im Geiste Guevaras, der die Jugend der imperialistischen Länder aufgerufen hatte, den Kampf "in der Brust der Bestie" selbst aufzunehmen. Gruppen wie die RAF sahen sich dementsprechend als "Stadtguerilla" in einem Metropolenland. Um das idealtypische "revolutionäre Subjekt" die "Arbeiterklasse", zu mobilisieren, setzte sie vor allem auf die gewaltsamen Gegenreaktionen der gereizten Machtorgane. Im esoterischen RAF-Jargon, hier in einer Prozesserklärung von Ulrike Meinhof, hieß das etwa:
"das ist die dialektik der strategie des antiimperialistischen kampfes: dass er durch die ... . Reaktion des systems, die eskalation der konterrevolution, die umwandlung des politischen ausnahmezustandes in den militärischen ausnahmezustand der feind sich kenntlich macht ... und so, durch seinen eigenen terror, die massen gegen sich aufbringt, die widersprüche verschärft, den revolutionären kampf zwingend macht."
Für die RAF galt in besonderer Weise, was für alle sozial entbundenen terroristischen Gruppen charakteristisch war und ist: dass ihr Handeln – wie Peter Waldmann es formuliert hat – weniger einer militärischen Logik folge als "eine Kommunikationsstrategie" sei. Es setze mehr auf den Publizitätseffekt und auf sekundäre psychologische als unmittelbar physische, machtmäßige Wirkungen. Wie ein führendes Mitglied der Gruppe "Schwarzer September" über das von der RAF bejubelte, in einem Inferno endende Münchner Olympia-Attentat vom Sommer 1972 so triumphierend wie naiv erklärte:
"In Wahrheit war die Münchener Operation ein großer Propagandasieg. 4000 Journalisten und Radioleute und 2000 Kommentatoren und Fernsehtechniker waren da, um von den Olympischen Spielen zu berichten; plötzlich berichteten sie vom Leid des palästinensischen Volkes. So wurden 900 Millionen Menschen in 100 Ländern vor ihren Fernsehschirmen Zeugen der Operation."
In Zitaten wie diesem, aber auch in menschenverachtenden Aktionen vom Typ des Münchner Massakers selbst, werden die degenerativen Momente unmittelbar deutlich, denen politische Organisation, die sich primär terroristischer Mittel bedienen, fast zwangsläufig unterliegen.
Dies hat Fjodor Dostojewski im 19. Jahrhundert als die "Dämonen" des Terrors beschrieben – mit Blick auf die damaligen Gruppen russischer Revolutionäre aus der Intelligenzija, die sich mit der zaristischen Staatsmacht in einen mörderischen Zweikampf verwickelten. Ein solch abgelöster Terrorismus war und ist notorisch erfolglos. Ob er dennoch in der Lage sein könnte, die heutige Welt durch herostratische Großanschläge wie die des 11. September derart zu destabilisieren, dass auch eine Ära neuer globaler und regionaler Konflikte zwischen den Mächten unseres Zeitalters wieder denkbar würde, so wie vor knapp hundert Jahren die Schüsse eines Terroristen in Sarajevo das Feuer an die Lunte eines Weltkriegs legten, das ist die eigentliche, bange Frage.
Mit diesem Kommuniqué, das am 19. Oktober 1977 bei der linken französischen Tageszeitung "Libération" einging und mit dem Logo der Gruppe, einem Stern mit Maschinenpistole, beglaubigt war, beendete die Rote Armee Fraktion (RAF) das Drama des sogenannten Deutschen Herbstes. Die Leiche des entführten Arbeitgeberpräsidenten Schleyer wurde wie angegeben im Kofferraum eines Wagens gefunden. Wie die kriminalistische Rekonstruktion ergab, hatte er vor seinem Tod niederknien müssen und war durch drei Genickschüsse ermordet worden.
Die Ereignisse des Jahres 1977 und das vorangegangene und nachfolgende Stakkato von Attentaten und Geiselnahmen, Hungerstreiks und Prozessauftritten, Morden und Selbstmorden sind tief ins Gedächtnis der bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft eingegraben. Tatsächlich hat man in der Geschichte des deutschen Linksterrorismus der 1970er-Jahre viele Ingredienzien in Reinform beisammen, die für den modernen Terrorismus überhaupt charakteristisch sind. Das eingangs zitierte Kommuniqué verspricht Rache "für das vergossene Blut" – und formuliert eine Zielsetzung, die so zeitlos und ortlos, so grenzenlos und wesenlos wie selbstbezogen ist: "Freiheit durch antiimperialistischen Kampf". Der Weg war das Ziel. Oder wie die überlebende Irmgard Möller ihre Erinnerungen überschrieb: "RAF, das war für mich Befreiung."
Was bezeichnet man genau mit "Terror" oder mit "Terrorismus"? Wo ist sein Platz in der Gewaltgeschichte des kurzen 20. Jahrhunderts, aber auch des langen 19. Jahrhunderts davor? Und welche Zäsur bedeutet jenes terroristische Großereignis, der 11. September 2001, mit dem das neue 21. Jahrhundert eröffnet wurde, und das den Beginn eines globalisierten "Kriegs gegen den Terror" markiert hat – und genau dazu vermutlich auch einladen sollte. Willkommen in der Hölle?
Es macht wenig Sinn, den Begriff uferlos auszuweiten, wie dies zum Beispiel die Regierung Bush jr. auf verhängnisvolle Weise getan hat, indem sie den überlebensgroßen Popanz eines "internationalen Terrorismus" aufbaute, der als fiktives politisches Gesamtsubjekt und Gegenspieler zur westlichen Demokratie in den Raum gestellt wurde.
Vielmehr muss es heute darum gehen, das mit Terrorismus umschriebene Phänomen nüchtern einzugrenzen, es politisch und ideologisch zu spezifizieren und geografisch wie historisch genauer zu lokalisieren.
Soviel ist von vornherein klar: Terror und Terrorismus sind zunächst polemische und pejorative Begriffe, die Feinde einer gegebenen Macht und einer gesellschaftlichen oder internationalen Ordnung markieren sollen: eben als Terroristen oder als Terrorregimes. Wann immer Untergrundorganisationen oder revolutionäre Regimes sich den Terror positiv auf die Fahnen geschrieben haben, da gewissermaßen als einen legitimen Gegenterror gegen den der Parteigänger des alten Regimes. So verkündete also der blasse Maximilien Robespierre 1794 in klassisch-antikisierender Rede:
"Die Regierung der Revolution ist der Despotismus der Freiheit gegen die Tyrannei." – "Wenn die Triebkraft der Volksregierung in Friedenszeiten die Tugend ist, so ist die Triebkraft in Zeiten der Revolution zugleich Tugend und Terror: die Tugend, ohne die der Terror machtlos ist, der Terror, ohne den die Tugend machtlos ist."
Tugend ist Terror, Terror ist Tugend – das ist bereits eine frühe Kernformel für das Selbstbild eines modernen Revolutionärs, der das moralische Opfer erbringt, sich für eine absolute (weltliche oder göttliche) Freiheit mit dem Blut von Schuldigen wie von Unschuldigen zu beflecken. Eben deshalb sehen sie sich auch nicht als Terroristen, sondern als Revolutionäre, Freiheitskämpfer oder Djihadisten; und sofern sie an die Macht kommen und organisierten Terror üben, dann im Namen der Befreiung des Proletariats, eines unterdrückten Volks oder gleich im Namen Gottes wie nach der iranischen Revolution 1979.
Dieser grundlegenden Schwierigkeit ist allerdings auch nicht zu entkommen: Nämlich dass Personen oder Gruppen, die solchen Terror üben, anders als gewöhnliche kriminelle Gewalttäter oder als brutale Diktatoren älteren Schlages, für politische Ziele eintreten, die als solche durchaus legitim oder sogar unabweisbar sein können. So notwendig es ist, die dünne Grenze zwischen einer durch minimale Regeln und Konventionen eingehegten und einer uferlos entgrenzten, maßlosen Gewalt mindestens theoretisch und normativ zu ziehen – so wenig entbindet das von der Aufgabe, terroristische Gewalt in ihrem politischen Kontext zu bewerten.
Auch legitime Befreiungsbewegungen, die diesen Namen verdienen, haben sich zeitweise terroristischer, insoweit illegitimer Mittel bedient, so beispielsweise der südafrikanische ANC gegen das brutale Regime der Apartheid.
Umgekehrt: Selbst Gruppen, die über Jahrzehnte in reinen, sich selbst nährenden Terrorismus abgeglitten sind, wie etwa die nordirische IRA und ihre ebenso terroristischen protestantischen Gegenspieler, können, wenn sie greifbare Ziele verfolgen, in einen politischen Prozess wieder hineingeholt und pazifiziert werden. Dagegen gibt es andere, bei denen das so gut wie unmöglich erscheint, weil ihr Kampf auf nichts Konkretes gerichtet ist, sondern sich in einer Sphäre der absoluten Feindschaft bewegt, etwa gegen "den Kapitalismus" oder "den Imperialismus", wie im Falle der RAF, oder gegen die Welt der "Ungläubigen", wie im Fall der Islamisten.
Neben solchen Differenzierungen ist es aber auch notwendig, den heutigen globalisierten Terrorismus als ein spezifisches historisches Phänomen zu erfassen und zu lokalisieren. In die größere Gewaltgeschichte des vergangenen Jahrhunderts hineingestellt, werden die heutigen Formen des Terrorismus von vergangenen Exzessen eines bürgerkriegsmäßig entfesselten und/oder staatlich organisierten Massenterrors noch immer weit in den Schatten gestellt.
Sehr summarisch lässt sich das Bild einer Welt des 20. Jahrhunderts zeichnen, die von tiefen Zäsuren bestimmt ist. Das terroristische Attentat von Sarajevo 1914 liefert gleichsam den Startschuss zu einer Ära der Weltkriege, Revolutionen und Bürgerkriege, die von Exzessen totalitären Massenterrors, sozialen und ethnischen Ausrottungsaktionen sowie globalen Eroberungs- und Vernichtungszügen charakterisiert ist, wie sie die Welt bis dahin nicht gekannt hatte.
Diese Ära, die mit dem Atombombenabwurf über Hiroshima und Nagasaki im August 1945 endet, als der äußersten Steigerung eines kriegerischen Terrors gegen feindliche Zivilbevölkerungen, geht bruchlos über in eine Epoche lokaler Kriege und endemischer Bürgerkriege. In ihnen vermischen und überlagern sich die Kämpfe für eine Dekolonisierung Afrikas, des Nahen Ostens und Asiens mit mörderischen Stellvertreterkriegen der beiden neuen Militärblöcke und ihrer antagonistischen Vormächte USA und UdSSR, zusätzlich gesteigert und verkompliziert durch das militante Hervortreten der neugegründeten Volksrepublik China im Namen einer "Dritten Welt". Die einzigen Schranken für die Eskalation dieser Kriege und Bürgerkriege werden eben durch jene Weltvernichtungsmittel gesetzt, die sich in einer prekären "balance of terror", einem Gleichgewicht des atomaren Schreckens, gegenseitig neutralisieren.
Diese zweiphasige Ära der Weltkriege, Revolutionen und Bürgerkriege wird in den 1970er-Jahren schließlich abgelöst von einer dritten Phase, in der die politische Karte des Globus im Großen und Ganzen festgelegt ist und die 192, meist jungen Mitgliedsstaaten, die die Vereinten Nationen inzwischen zählen, vorwiegend mit ihrer inneren und äußeren, politischen und ökonomischen Konsolidierung beschäftigt sind. Genau an dieser historischen Schnittstelle haben sich jene disparaten Phänomene herausgebildet und zu einer epidemisch ansteigenden Welle verdichtet, die wir heute als den "Terrorismus" der Gegenwart wahrnehmen. In einer weiteren, vierten Phase nach dem Zusammenbruch des östlichen, sowjetisch geführten Weltlagers seit 1989 haben diese terroristischen Bewegungen ihr Terrain noch einmal erweitert und ihre ideologische Färbung gravierend verändert, sodass man von einer neuen, zweiten Welle eines entbundenen und globalisierten Terrorismus sprechen kann.
Zu den gemeinsamen Merkmalen der ineinander übergehenden terroristischen Wellen seit den 1970er-Jahren bis heute gehört es, dass ihre Träger durchweg sub-staatliche Akteure sind, auch dort, wo sie mit Hilfe oder als Instrumente "befreundeter" Staaten und Geheimdienste über die Grenzen des eigenen Landes hinaus operieren. Zugespitzt formuliert haben sich diese Wellen des Terrors in einer Weltsituation entwickelt, die im Vergleich zu den beiden vorangegangenen Ären der Weltkriege, Revolutionen und Bürgerkriege durch eine relative Beruhigung ausgezeichnet ist – auch wenn das uns als den Zeitgenossen des anbrechenden 21. Jahrhunderts ganz und gar nicht so erscheinen will. Begleitet war und ist diese Entwicklung von einer zwar ungleich verteilten, aber dennoch historisch beispiellosen sozialökonomischen Entwicklung, die nicht nur ein Land wie China zur dritten Wirtschaftsmacht der Welt gemacht, sondern die auch zur weitgehenden Auflösung der einst so romantisch umwitterten "Dritten Welt" geführt hat.
Das Phänomen des neuen Terrorismus lässt sich – mindestens für die Periode vor 2001 – in Zahlen fassen. So stieg die Anzahl der auf nationaler oder internationaler Ebene operierenden terroristischen Organisationen von einem knappen Dutzend im Jahr 1968 auf rund achtzig kleinere oder größere Gruppen zu Anfang der neunziger Jahre. Inzwischen sind es eher noch mehr geworden, auch wenn einige der hartnäckigsten Terrorformationen den Kampf inzwischen aufgegeben haben, wie die nordirische IRA, oder militärisch zerschlagen worden sind, wie der "Leuchtende Pfad" in Peru oder die tamilischen "Tiger" auf Sri Lanka.
Die ideologischen Gewichte haben sich von einer eher linken, säkularen Orientierung entweder in Richtung eines ethnischen und kulturellen Fundamentalismus verschoben - so etwa im Fall der baskischen ETA, der kurdischen PKK oder der erwähnten tamilischen "Tiger"-, oder hin zu einem religiösen Fundamentalismus, am extremsten in Gestalt des neuen, miteinander vernetzten islamistischen Terrorismus. Al-Qaida - zu deutsch: die Basis - ist dafür offenbar mehr ein Name und eine Adresse als eine tatsächliche, planmäßig operierende Gesamtorganisation.
Die Zahl der terroristischen Gruppen zugeschriebenen Anschläge stieg schon bis 1988 in die astronomische Höhe von über Hunderttausend. Aber von den 10.000 Menschenleben, die diese Anschläge und der oft noch blutigere staatliche Gegenterror forderten, entfielen 5000 allein auf die Türkei und über 2600 auf Nordirland. Würde man die Entwicklungen bis heute mit einbeziehen, also auch alle Anschläge islamistischer Gruppen, inclusive der Al-Qaida und einschließlich des 11. September 2001, des bisher größten Terroranschlags überhaupt, so würde man noch immer bei Opferzahlen ankommen, die in die Tausende oder Zehntausende gehen, aber nicht in die Hundertausende und Millionen wie in der Ära der Weltkriege und Bürgerkriege des 20. Jahrhunderts.
Die Opfer, die der reine Terrorismus gefordert hat, verblassen selbst vor den 140.000 Menschen, die alleine im mehrjährigen Bürgerkrieg in Bosnien-Herzegowina in den 1990er-Jahren eines gewaltsamen Todes gestorben sind – als Teil eines postjugoslawischen Nachfolgekriegs, der sich trotz der fast systematisch eingesetzten Terrormittel von Mord und Massaker, Folter und Vergewaltigung unter dem Gesamttitel "Terrorismus" dennoch nicht sinnvoll verbuchen lässt.
Ähnliches gilt für die postsowjetischen Nachfolgekriege der 1990er-Jahre, von Tschetschenien bis zum jüngsten Georgienkrieg. Und in noch ganz andere Dimensionen gerät man, wenn man die Hunderttausende von Massakrierten in Ruanda oder die Millionen von Toten der endemischen Bürgerkriege im Kongo, in Somalia, im Sudan und einigen anderen Ländern der Welt dagegenstellt. "Terrorismus" als eine Kampfform war und ist dabei immer mit im Spiel, aber beschreibt eben nicht das Wesen dieser Konflikte.
Eher handelt es sich um späte, verworrene, mörderische Nachspiele jener Ära der Welt- und Bürgerkriege des frühen 20. Jahrhunderts, in denen totalitäre Massenbewegungen und Regimes alle Maßstäbe kriegerischer Gewalt und zivilem Terrors auf völlig neue Stufen gehoben hatten. Auch damals traten diese Bewegungen und Regimes als Antagonisten einer hegemonialen Welt des bürgerlich-kapitalistischen Westens auf, dessen Hauptmächte nicht nur die Weltmärkte und Weltmeere, sondern vor und nach 1945 auch noch ganze oder halbe Kontinente beherrschten. Von diesem Widerspruch nährten sich die auf innerer Gleichschaltung und ethnischer Homogenisierung beruhenden Großreichsprojekte der faschistischen Mächte des Zeitalters, insbesondere Deutschlands, Italiens und Japans, die die alten Imperialismen, an erster Stelle das britische Weltreich, gewaltsam beerben und übertrumpfen wollten.
Von diesem Widerspruch nährte sich aber auch das andere totalitäre Projekt des Weltkriegszeitalters, der russische Bolschewismus, der seine volle Radikalität zunächst nach innen hin entfaltete. Schon im russischen Bürgerkrieg übertrumpften die Bolschewiki den Terror ihrer Bürgerkriegsgegner durch einen "roten Terror", der einen völlig neuartigen Charakter trug. In einer Replik auf die Kritiken des eminenten deutschen Marxisten Karl Kautsky schrieb Leo Trotzki, damals neben Lenin der zweite charismatische Führer der bolschewistischen Revolution und Schöpfer der Roten Armee, unter dem provokativen Gegentitel "Kommunismus und Terrorismus:
"Die Aufgabe der Revolution wie des Krieges besteht darin, den Willen des Feindes zu brechen und ihn zur Kapitulation und zur Annahme der Bedingungen des Sieges zu zwingen. Je erbitterter und gefährlicher der Widerstand des niedergeworfenen Klassenfeindes ist, desto unvermeidlicher verdichtet sich das System der Repressalien zu einem System des Terrors."
Diese Argumentation war scheinbar glasklar, in Wahrheit aber beschönigend. So war Lenin schon unmittelbar nach der Machteroberung einen entscheidenden Schritt weiter gegangen, als er mit Blick auf den "terreur" der französischen Revolution schrieb:
"Die Guillotine schüchterte nur ein, brach nur den aktiven Widerstand. Wir müssen auch den passiven, zweifellos noch gefährlicheren und schädlicheren Widerstand brechen."
Dazu dienten auch die Mittel eines neuartigen sozialen Terrors, von den Enteignungen der Fabriken, Läden, Häuser und Wohnungen bis hin zur Verhängung einer Zwangsarbeitspflicht sowie der Beschlagnahme aller privaten Guthaben und Lebensmittel. Auch die widerständigen Bauern, die gerade das Land unter sich verteilt hatten, wurden mit vorgehaltener Waffe zur Ablieferung ihrer kleinen Überschüsse und Vorräte gezwungen. Im Bürgerkrieg folgten dann massenweise Geiselnahmen, auch von Angehörigen flüchtiger Beamter oder Offiziere, und in immer wachsendem Maße summarische Erschießungen, für die es keiner konkreten Widerstandshandlungen bedurfte, sondern die einen zunehmend prophylaktischen Charakter annahmen. Als die Bolschewiki den Bürgerkrieg gewonnen hatten, bestand Lenin ausdrücklich darauf, dass der Terror zu einem regulären Instrument einer künftigen Justiz werden müsse, so in einer Anweisung zum neuen Strafgesetzbuch von 1922:
"Das Gericht soll den Terror nicht beseitigen, sondern ihn prinzipiell, klar, ohne Falsch und ohne Schminke begründen und gesetzlich verankern. Die Formulierung muss so weit gefasst wie möglich sein, denn nur das revolutionäre Rechtsbewusstsein und das revolutionäre Gewissen legen die Bedingungen fest für die mehr oder minder breite Anwendung in der Praxis."
Das entsprach einem Begriff der "Diktatur des Proletariats", den Lenin immer wieder und ausdrücklich als eine an keine Einschränkungen und keine Regeln und Gesetze gebundene Form revolutionärer Gewalt und Machtausübung beschrieben hatte. Die angebliche Bindung an "das revolutionäre Rechtsbewusstsein und das revolutionäre Gewissen" erwies sich vollends als Phrase, als sein Nachfolger Josef Stalin nach der verheerenden Kollektivierungs- und Industrialisierungsrevolution der 1930er-Jahre daran ging, alle angenommenen, selbst passiven Widerstände prophylaktisch niederzuhalten und auszurotten, und das nicht nur im noch weithin bäuerlichen und multinationalen Sowjetvolk, sondern auch im eigenen Machtapparat und der eigenen Partei.
Vor allem die Ereignisse des "Großen Terrors" der Jahre 1937/38 waren historisch völlig präzedenzlos, als 700.000, vielleicht aber auch eine Million Menschen innerhalb von zwei Jahren erschossen und Millionen andere in die Zwangsarbeitslager des GULag-Systems geschickt wurden. Zeiten eines solchen "großen Terrors" haben alle kommunistischen Parteien und Regimes vor und nach ihrer Machteroberung durchlaufen – wobei sich dieser Terror zu einem guten Teil stets auch gegen reale oder vermeintliche Abweichler in den eigenen Reihen gerichtet hat. In diesem Sinne war der Terror, oft bis in die höchsten Führungsspitzen hinein, geradezu ein regelmäßiger, auch interner Betriebsmodus dieser Regimes, jedenfalls in ihren formativen Gründungsphasen.
Nichts von alledem findet man auf der Seite der parallelen faschistischen Bewegungen und Regimes. So weit sie Terror übten, passierte das kaum in den eigenen Reihen und relativ gezielt gegen ihre aktiven Gegner. Im Großen und Ganzen brauchten Hitler oder Mussolini ihre Völker nicht in derselben Weise zu terrorisieren wie Stalin oder Mao. Ihr aggressiven Potenziale richteten sich vorwiegend nach außen, und ihre totalitäre Vernichtungswut galt in erster Linie den unterworfenen und versklavten Fremdbevölkerungen sowie all denjenigen, die aus den Reihen von Volk und Rasse als lebensunwert oder schädlich auszusondern waren: von den Euthanasieopfern bis hin zu den "Zigeunern" und den jüdischen Opfern des Holocaust. Das waren Akte eines partiellen oder vollendeten Genozids, einer schieren Menschenvernichtung, aber kaum Akte des Terrors. Wen hätten sie "terrorisieren", also einschüchtern oder abschrecken sollen?
Hier wie überhaupt kommt alles auf die Genauigkeit der historischen Einordnungen und Begriffe an. Akte des Terrors waren vor allem in den Bürger- und Befreiungskriegen der Ära der Entkolonialisierung nach dem Zweiten Weltkrieg eine verbreitete und fast reguläre Kampfform, von Algerien bis Vietnam. Dazu zählen etwa die gezielten Morde an Siedlern und die verheerenden Bombenanschläge, oft auch Selbstmordattentate, der algerischen FNL auf belebten Plätzen in der Schlacht von Algier 1957, die von den französischen Militärs und Siedlern mit einem noch exzessiveren Gegenterror beantwortet wurden. Einen rein terroristischen Charakter trug auch die systematische Mordkampagne der vietnamesischen Befreiungsfront gegen Tausende von Dorfältesten in Südvietnam, die die militärische Infiltration von Norden in den 1960er-Jahren begleiteten.
Aber im Kern waren das dennoch militärische Auseinandersetzungen, Partisanenkriege, wie sie in den Weltkriegsjahren gegen die deutschen, italienischen oder japanischen Okkupanten bereits begonnen hatten. Nach den anachronistischen militärischen Wiederbesetzungen durch die alten Kolonialmächte, schließlich den militärischen Interventionen der USA gegen den angeblichen "Vormarsch des Kommunismus" in Asien oder Afrika trieben sie umso schneller und radikaler auf eine Entscheidung zu – die letztlich nur in eine Richtung fallen konnte: die des Abzugs der Kolonialisten, in Indochina 1975 auch der US-Truppen.
Die linksterroristischen Gruppen, die sich Ende der 1960er-Jahre als Absplitterungen kommunistischer Parteien oder Befreiungsorganisationen in Lateinamerika und im Nahen Osten, aber ebenso auch aus den Jugend- und Studentenbewegungen in den USA, in Westeuropa und in Japan bildeten, standen ganz im Banne dieser Erfahrungen, insbesondere auch des noch andauernden Entscheidungskriegs in Vietnam. Aber ihre Ziele und Perspektiven lösten sich zunehmend von allen konkreten Konflikten, wurden immer abstrakter und totaler.
Ein wesentliches Verbindungsglied war die Figur und Karriere des jungen argentinischen Arztes Ernesto Che Guevara, der aus seiner Teilnahme an der kubanischen Revolution einen Katechismus des Guerillakampfs destilliert hatte, der die trügerische Leichtigkeit dieses Triumphs in ein vermeintlich universales Weltbefreiungsszenario überführte:
"Wir haben bewiesen, dass eine kleine Gruppe entschiedener Männer mit Unterstützung des Volkes und ohne Furcht zu sterben, wenn es nötig sein sollte, sich gegen eine disziplinierte Armee behaupten und sie sogar entscheidend schlagen kann."
Guevara plante, sich in den Spuren der gescheiterten "Befreier" Lateinamerikas im 19. Jahrhundert wie Simón Bolívar und San Martín selbst an die Spitze eines kontinentalen Guerillakriegs gegen den – wie er behauptete – weltbeherrschenden US-Imperialismus zu stellen. So wurden in Kuba Dutzende kleiner Guerilla-Einheiten trainiert, die allesamt binnen kurzem scheiterten. Che selbst dachte inzwischen in noch größeren Dimensionen: In seinem Aufruf vom Frühjahr 1967 an die nach seinen Vorstellungen gebildete, kurzlebige "Tricontinentale" – eine Art Weltbefreiungsorganisation mit Sitz in Havanna – erging er sich in hymnischen Visionen eines Endkampfs gegen die "große Bestie", eines globalen Armageddon:
"Wie licht und nah würde sich uns die Zukunft darbieten, wenn zwei, drei, viele Vietnams auf der Erdoberfläche zutage träten, mit ihrem Blutzoll und mit ihren ungeheuerlichen Tragödien, mit ihrem täglichen Heldentum, mit ihren unablässigen Schlägen gegen den Imperialismus ... Wo immer uns der Tod trifft, er sei uns willkommen, wenn nur unser Kriegsruf aufnahmebereite Ohren getroffen hat ... und andere Menschen sich daran machen, den Trauermarsch zu intonieren mit dem Geknatter von Maschinengewehren und neuen Kriegs- und Siegesrufen."
Er selbst saß zu diesem Zeitpunkt bereits mit einer Handvoll Getreuen, von der Armee umzingelt, im Dschungel von Bolivien, das eigene Ende nah vor Augen. Es war dann, wie man weiß, das Bild des christusgleich aufgebahrten Che, das im Oktober 1967 die Jugend der Welt, nicht zuletzt auch der westlichen Welt, elektrisierte – so auch die die jungen Männer und Frauen, die in der Bundesrepublik Deutschland im Frühjahr 1970 "abtauchten" und die RAF sowie zwei weitere bewaffnete Untergrundorganisationen bildeten. Was die gesellschaftlichen Umstände an Konfliktstoff nicht hergaben – es begann ja gerade die Periode der sozialliberalen Reformen unter der Ägide Willy Brandts – wurde durch einen radikalen Voluntarismus wettgemacht, so wie in der ersten Erklärung der RAF an die Adresse der vormaligen Mitstreiter in der außerparlamentarischen Linken:
"Ob es richtig ist, den bewaffneten Widerstand jetzt zu organisieren, hängt davon ab, ob es möglich ist; ob es möglich ist, ist nur praktisch zu ermitteln."
Bewaffneter Kampf gegen den Imperialismus war also ein prinzipielles – man könnte auch sagen: ein existenzielles – Postulat, eben im Geiste Guevaras, der die Jugend der imperialistischen Länder aufgerufen hatte, den Kampf "in der Brust der Bestie" selbst aufzunehmen. Gruppen wie die RAF sahen sich dementsprechend als "Stadtguerilla" in einem Metropolenland. Um das idealtypische "revolutionäre Subjekt" die "Arbeiterklasse", zu mobilisieren, setzte sie vor allem auf die gewaltsamen Gegenreaktionen der gereizten Machtorgane. Im esoterischen RAF-Jargon, hier in einer Prozesserklärung von Ulrike Meinhof, hieß das etwa:
"das ist die dialektik der strategie des antiimperialistischen kampfes: dass er durch die ... . Reaktion des systems, die eskalation der konterrevolution, die umwandlung des politischen ausnahmezustandes in den militärischen ausnahmezustand der feind sich kenntlich macht ... und so, durch seinen eigenen terror, die massen gegen sich aufbringt, die widersprüche verschärft, den revolutionären kampf zwingend macht."
Für die RAF galt in besonderer Weise, was für alle sozial entbundenen terroristischen Gruppen charakteristisch war und ist: dass ihr Handeln – wie Peter Waldmann es formuliert hat – weniger einer militärischen Logik folge als "eine Kommunikationsstrategie" sei. Es setze mehr auf den Publizitätseffekt und auf sekundäre psychologische als unmittelbar physische, machtmäßige Wirkungen. Wie ein führendes Mitglied der Gruppe "Schwarzer September" über das von der RAF bejubelte, in einem Inferno endende Münchner Olympia-Attentat vom Sommer 1972 so triumphierend wie naiv erklärte:
"In Wahrheit war die Münchener Operation ein großer Propagandasieg. 4000 Journalisten und Radioleute und 2000 Kommentatoren und Fernsehtechniker waren da, um von den Olympischen Spielen zu berichten; plötzlich berichteten sie vom Leid des palästinensischen Volkes. So wurden 900 Millionen Menschen in 100 Ländern vor ihren Fernsehschirmen Zeugen der Operation."
In Zitaten wie diesem, aber auch in menschenverachtenden Aktionen vom Typ des Münchner Massakers selbst, werden die degenerativen Momente unmittelbar deutlich, denen politische Organisation, die sich primär terroristischer Mittel bedienen, fast zwangsläufig unterliegen.
Dies hat Fjodor Dostojewski im 19. Jahrhundert als die "Dämonen" des Terrors beschrieben – mit Blick auf die damaligen Gruppen russischer Revolutionäre aus der Intelligenzija, die sich mit der zaristischen Staatsmacht in einen mörderischen Zweikampf verwickelten. Ein solch abgelöster Terrorismus war und ist notorisch erfolglos. Ob er dennoch in der Lage sein könnte, die heutige Welt durch herostratische Großanschläge wie die des 11. September derart zu destabilisieren, dass auch eine Ära neuer globaler und regionaler Konflikte zwischen den Mächten unseres Zeitalters wieder denkbar würde, so wie vor knapp hundert Jahren die Schüsse eines Terroristen in Sarajevo das Feuer an die Lunte eines Weltkriegs legten, das ist die eigentliche, bange Frage.