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Die Deutschen in der NBA
Schwitzen, schuften, treffen

Sieben deutsche Basketballer haben in diesem Jahr in der NBA gespielt - so viele wie noch nie. Für den bekanntesten und erfolgreichsten war es die letzte Saison. Der Abschied von Dirk Nowitzki ist das Ende einer Ära. In seinem Schatten reift in der besten Liga der Welt eine neue Generation heran.

Von Sebastian Schreiber und Martina Buttler |
Dennis Schröder und Daniel Theis beim Länderspiel gegen Österreich im Juni 2018
Die deutschen NBA-Spieler Dennis Schröder und Daniel Theis beim Länderspiel gegen Österreich im Juni 2018 (imago )
"In his 21 Saison. The greatest Dallas Maverick in franchise history - our tall baller from the "G" - number 41 - Dirk Nowitzki".
Ein letztes Mal ruft es der Hallensprecher in sein Mikrofon: "In seiner 21. Saison - der bedeutendste Spieler in der Geschichte der Dallas Mavericks - unser großer Basketballer aus Deutschland - die Nummer 41: Dirk Nowitzki!". Tausende sind gekommen, um den 40-Jährigen noch einmal spielen zu sehen in Dallas - es ist der Saisonabschluss, die Halle bebt - sie ist restlos ausverkauft, die Ticketpreise sind in die Höhe geschossen.
Auch aus Deutschland sind viele Fans angereist. Der Respekt und die Begeisterung für Nowitzki sind grenzenlos.
"Ich denke, was er hinter den Kulissen für die Gemeinschaft gemacht hat, für die Kinder, ist unglaublich. So einen Sportler wird es in dieser Stadt nicht mehr geben." "Mein geilster Dirk-Moment war, als bei meinem Freund oben in der Bude 2011 die Meisterschaft gesehen habe - am Computer mit fünf Leuten - alle im Halbschlaf." "Wir lieben Dirk. Das kann man gar nicht beschreiben, wie sehr Dallas ihn liebt. Ein Spiel zu sehen ohne ihn, das wird hart." // Er ist wirklich ein einzigartiger Typ. Es gibt keinen Repräsentanten für Sportdeutschland."
Dirk Nowitzki bei seinem Abschiedsspiel: Er trägt ein blaues Dallas-Trikot und winkt mit gerührter Mine in die Menge.
Letztes Heimspiel von Dirk Nowitzki (dpa / Philipp Hülsmann)
Bei seinem letzten Heimspiel trifft Nowitzki noch einmal wie in besten Zeiten - er erzielt 30 Punkte gegen die Phoenix Suns. Als die Schlusssirene ertönt, verlässt kein Fan seinen Platz. Es passiert, was niemand sicher wusste, doch viele geahnt hatten - Nowitzki greift sich das Mikro, atmet nochmal tief durch und verabschiedet sich von den Fans. Tränen fließen. Viele hätten sich das ja schon gedacht, sagt Nowitzki, das sei sein letztes Heimspiel.
"As you guys might have expected, this is my last home game."
Schrempf war der Vorreiter
Fünf Basketballlegenden sind angereist, um Nowitzki bei seinem letzten Heimspiel in Dallas zu ehren. Es sind die Helden des deutschen Basketballers, seine Idole: Charles Barkley, Larry Bird, Shawn Kemp und Scottie Pippen - und auch der Detlef Schrempf ist dabei. In den 90er-Jahren gehört der gebürtige Leverkusener zu den besten Spielern der NBA. Im Scheinwerferlicht der dunklen Halle richtet Schrempf ein paar Worte an Nowitzki - erst auf Deutsch und dann auf Englisch:
"Ich wollte dir sehr gerne gratulieren und ich bin sehr stolz auf dich. Und ich wünsche die Dir alles Gute für die Zukunft. Was Du für den Basketball getan hast, nicht nur in den USA, auch in Deutschland und global, ist fantastisch. Es war toll, das zu verfolgen."
Schrempf bewies, dass Spieler aus der Bundesrepublik einen Platz haben in der NBA. Als Dirk Nowitzki das allererste Mal auf dem Parkett der NBA aufläuft, im Februar 1999, stehen ihm Schrempf und seine Seattle SuperSonics gegenüber. Zwei Jahrzehnte später liegen sich die beiden in den Armen, vor 20.000 Zuschauern in der Arena der Dallas Mavericks. Auch für Schrempf ein emotionaler Moment:
"Ich bin froh, dass Du gekommen bist, als ich aufgehört habe. Der deutsche Basketball hat dich gebraucht. Viele wissen hier nicht, was du für herausragende Dinge nicht nur für den europäischen, sondern den deutschen Basketball geleistet hast. Es ist eine Ehre, hier zu sein."
Dirk Nowitzki hat alles erreicht in der NBA - er wurde als bester Spieler der Liga ausgezeichnet und krönte 2011 seine Karriere mit dem Gewinn der Meisterschaft. Kein Deutscher hat das vor ihm erreicht. Nowitzki hat Generationen von Basketballern vorgemacht, dass der Traum vom Parkett der NBA in Erfüllung gehen kann - selbst wenn man nicht aus Chicago oder New York, sondern aus Würzburg kommt.
Sieben deutsche Spieler liefen in dieser Saison in der NBA auf - so viele wie nie zuvor. Wer es aus Deutschland in die beste Liga der Welt schaffen will, muss hart arbeiten und braucht außergewöhnliches Talent. Viele träumen davon - doch nur ganz wenige schaffen es, in den größten Hallen der USA zu bestehen - und dort vor 20.000 Zuschauern aufzulaufen.
Von den Löwen Braunschweig in die NBA
Die Halle rund um den Basketballcourt ist voll besetzt. Gut 3000 Fans jubeln als die Spieler der Löwen Braunschweig auflaufen. In einer Ecke Trommler, die Stimmung machen, ihr Team nach vorn peitschen. Der Weg von hier in die NBA ist weit. Dennis Schröder und Daniel Theis haben ihn geschafft. Der große Bruder von Daniel Theis lächelt, wenn er davon erzählt, wie entschlossen der "Kleine" war, es zu schaffen:
"Für meinen Bruder war das dann immer so: 'Frank, ich beweise es Dir. Es ist zwar noch weit weg - aber, ich beweise es dir!' So war das!"
Der 2,01-Meter-Mann war selbst Basketballspieler. Sein jüngerer Bruder hat aber seinen eigenen Kopf, spielt Fußball, steht im Tor. Basketball guckt er sich lange von der Seitenlinie aus an, dreht Videos von den Spielen. Aber irgendwann kriegt er die Kurve und damit beginnt eine steile Karriere, die ihn innerhalb von zehn Jahren bis in die NBA zu den Boston Celtics geführt hat:
"Mein Vater hat irgendwann gesagt: 'Frank spielt gut Basketball, spiel du doch auch. Ich kaufe dir ein ganzes Outfit, alles!' Mein Bruder hat drei, vier Jahre gesagt: 'Nee, mach ich nicht - auf gar keinen Fall.' Bis er dann irgendwann wirklich zu groß war und keinen Bock mehr hatte, im Tor zu stehen. Und dann hat er angefangen mit Basketball. Aber es hat gedauert."
Jetzt spielt er in einer Liga mit seinem ehemaligen Teamkollegen aus Braunschweig: Dennis Schröder. Wenn man in Braunschweig fragt, warum es die beiden Jungs bis in die amerikanische Profi-Liga NBA geschafft haben, dann antworten viele ohne zu zögern mit einem Namen: Liviu Carlin. Er hat sie trainiert, gepusht und vorbereitet. Das macht er heute noch mit den Spielern der Löwen Braunschweig:
"Es ist eine amerikanische Sportart. Man kann nicht eine amerikanische Sportart mit deutscher Mentalität spielen. Und sie auf diese Linie zu bringen, war nicht so einfach."
Training, bis die Tränen fließen
Dennis Schröder hat er im Prinzenpark entdeckt. Da hat der Point Guard der Oklahoma City Thunder geskatet und zwischendurch ein paar Körbe geworfen. Aber der Teenager nimmt es nicht so genau mit den Trainingszeiten, tanzt immer mal aus der Reihe. Als er 16 ist, stirbt sein Vater. Dennis Schröder hat ihm wenige Tage, bevor er starb, versprochen, dass er es in die NBA schaffen wird. Ein radikaler Einschnitt. Ab jetzt gibt’s nichts anderes mehr: Schröder ackert und Liviu Carlin nimmt ihn ran:
"Ich kann das nicht vergessen. Wir hatten ein Training und ich habe ihn getestet, ob er sich durchsetzt. Ich habe eine Übung gemacht, wo er immer verteidigen musste, weil er nicht verteidigen konnte und da musste er es 20 Mal machen. Irgendwann hat er angefangen zu weinen. Da habe ich gesagt: 'Pass auf, ich habe keine Mädchenmannschaft, wenn dir das nicht passt, nimm deine Tasche und geh wieder nach Hause.' Und er hat nichts gesagt und hat weitergemacht. Ich dachte, entweder kommt er wieder oder nicht mehr. Am nächsten Tag ist wiedergekommen."
Der NBA-Star Dennis Schröder besucht das Basketball Spiel Löwen Braunschweig.
NBA-Star Dennis Schröder (dpa-Bildfunk / Peter Steffen)
Harte Arbeit. Durchbeißen für den Durchbruch. 2013 wird Dennis Schröder von den Atlanta Hawks verpflichtet. 2017 geht’s auch für Daniel Theis in die USA. Sein Bruder erzählend grinsend von dem Sprung in einen Traum:
"Vom Dorf in die Weltmetropole: es war klar - wow! Aber es war auch wirklich so ein Gefühl: endlich, es wird belohnt."
Dennis Schröder steht in der Umkleidekabine. Um ihn herum drängt sich eine Traube von Journalisten. Auf dem grauen Teppich der Kabine liegen riesige Basketball-Schuhe und die Sporttaschen der Spieler mit ihren persönlichen Gegenständen. Ein Basketballer nach dem anderen kommt aus der Dusche - nur mit einem Handtuch bekleidet. Dann ziehen sie sich um, während die Journalisten gleich daneben ihre Interviews führen. Das ist in der NBA ganz normal.
Im Team der Oklahoma City Thunder hat Dennis Schröder gerade gegen die Washington Wizards gewonnen. Die Saison ist noch jung und Schröder neu im Team der Thunder. Viele zweifeln, ob er in die Mannschaft passt. Denn der Deutsche gilt als Hitzkopf - und er kommt in Oklahoma, anders als zuvor bei den Atlanta Hawks, nur von der Bank. Doch es läuft es gut Schröder:
"Die Organisation, die hilft mir, ist eine ganz andere Saison, als ich das letzte Jahr hatte. Deswegen freue ich mich, dass ich hier bin, die helfen mir alle, das Team hat mich sehr gut aufgenommen. Jetzt bin ich mit zwei Superstars - Paul George und Russell Westbrook - es ist halt eine super gute Gruppe."
Blonde Strähne als Markenzeichen
In seiner sechsten Saison in der NBA erzielt Dennis Schröder mehr als 15 Punkte im Schnitt. Längst gilt er als bester deutscher Basketballer. Private Skandale lässt der Braunschweiger hinter sich: Im September 2017 wird er nach einer Schlägerei vorrübergehend festgenommen, doch wirkt Schröder in Oklahoma zunehmend gereift, gelassen und zufrieden. Der 25-Jährige ist in der NBA angekommen:
"Am Anfang war es natürlich eine andere Situation, weil ich halt in einer anderen Organisation bin, ein anderes System spiele. Deswegen musste ich mich halt erstmal dran gewöhnen. Aber meine Teamkollegen haben es leicht gemacht, haben mich gut aufgenommen und deswegen, glaube ich, ging das für mich ganz schnell. Jetzt fühle ich mich natürlich wohl."
Eine blonde Strähne im dunklen Haar, das ist Schröders Markenzeichen. Der Braunschweiger besticht in der NBA vor allem durch seine Schnelligkeit: sein Zug zum Korb ist nur schwer zu stoppen. Teamkollege Paul George gehört selbst zu den größten Stars der Liga - er schätzt Schröder als Stütze des Teams:
"Er ist großartig am Ball und auch ohne. Sein Einfluss ist enorm - er entlastet uns, wir können uns auch mal eine Pause erlauben. Er ist einer der besten Spieler in dieser Liga und sehr wichtig für das, was wir uns vorgenommen haben."
Daniel Theis und Dennis Schröder leben ihren Traum
Der Konkurrenzkampf in der NBA ist brutal, die Belastung groß: Trainieren, spielen, weiterreisen - jedes Team absolviert von Oktober bis April 82 Partien. Höhen und Tiefen gehören zum Alltag: Auch für Daniel Theis von den Boston Celtics. Spieler wie er, die in ihrer Mannschaft nicht zu den Stars gehören, müssen immer bereit sein. Und Theis ist bereit, wenn er gebraucht wird - egal wie lange er auf dem Parkett steht.
Theis hat die Haare fast komplett geschoren, seine muskulösen Arme sind großflächig tätowiert. Im Dezember trägt er das grün-weiße Outfit der Boston Celtics fast 20 Minuten im Schnitt. Kurz vor Weihnachten erzielt Theis 22 Punkte - so viele wie nie zuvor in einem NBA-Spiel:
"Es ist einfach gut für mich wieder in den Rhythmus zu kommen - nach der Verletzung mit dem Fuß, die in dieser Saison jetzt schon war, hoffe ich einfach, dass ich jetzt gesund bleibe."
Daniel Theis und Dennis Schröder leben ihren Traum. Zuhause in Braunschweig werden die Nationalspieler verehrt. Nach dem Spiel der Löwen läuft ein Song - keine Frage Theis, Schröder und Braunschweig, das gehört zusammen:
Dabei war es erstmal nur ein Traum. Wenn Dennis Schröder und Daniel Theis gesagt haben: 'Wir wollen es in die NBA schaffen', haben viele sie nur belächelt, erinnert sich Theis Bruder Frank:
"Dennis Schröder hat von Anfang an immer gesagt: 'Ich bin besser als Ricky Rubio.' Und Rubio war zu dem Zeitpunkt, als er in die NBA kam, ich glaube, 17 oder 18 Jahre alt - also sehr, sehr jung. Und Dennis hat immer gesagt, voller Überzeugung: 'Ich bin besser'. Und mein Bruder noch dazu: 'Ich schaffe das auch irgendwann.' Alle haben gesagt: 'Ihr spinnt doch, das geht doch sowieso nicht, komm du doch erstmal hier in die BBL und so weiter.' Keiner hat dran geglaubt."
Der Basketballer Daniel Theis
Der Basketballer Daniel Theis (dpa/ picture alliance/ newscom)
Dennis Nawrocki läuft heute noch für die Löwen in der Bundesliga auf. Dass Schröder und Theis eine Klasse für sich waren, war offensichtlich, erzählt der ehemalige Mitspieler:
"Sie hatten definitiv Talent von Anfang an. Das hat man definitiv gesehen. In der U19 hat sich das, glaube ich, herauskristallisiert. Da waren Dennis und Daniel die beiden go-to-guys. Da hat man schon gesehen, dass sie eine große Karriere vor sich haben werden. Es hat definitiv sehr viel Spaß gemacht, mit denen zu spielen. Es ist immer geil, wenn man so eine Story erzählen kann, dass man mal mit zwei NBA-Spieler mal zusammengespielt hat und damals viel Zeit mit denen verbracht hat."
Stolz auf den kleinen Bruder
Und Frank Theis muss heute noch lachen, wenn er sich an die eine Saison erinnert, in der er mit seinem kleinen Bruder und Dennis Schröder auf dem Platz stand.
"Ganz ehrlich - wir haben Spiele gehabt, ich habe Situationen gehabt, wo ich wirklich als Großer hinten stand und den Jungs selbst zugesehen habe, obwohl ich im Team war. Ob Dennis mit seiner Verteidigung so tief war, dass die Arme auf dem Boden waren - oder mein Bruder mit dem Kopf auf Ringniveau. Das war für mich teilweise wirklich 'wow'. Und ich stand da und dachte: 'Oh Gott, es geht weiter, Du musst spielen.' Aber es war wirklich unglaublich."
Zwei der sieben Deutschen in der amerikanischen Profi-Liga kommen aus Braunschweig. Ein kleines Nest für NBA-Talente. Für den ehemaligen Mitspieler Dennis Nawrocki ist es vor allem eiserner Wille, der aus der NBA mehr als einen Traum macht:
"Dieser Traum und dieser Wille. Ich glaube, das ist ausschlaggebend. Viele Menschen haben vielleicht einen Traum und wollen etwas verwirklichen. Aber im Endeffekt trauen sie sich das vielleicht am Ende des Tages nicht. Und die beiden haben halt immer, seit dem ersten Tag, diesen riesengroßen Traum gehabt, Profi zu werden oder - im Fall von Dennis - NBA-Spieler zu werden. Ich erinnere mich an Dennis, als er 15 oder 16 war, hat er schon immer gesagt, er werde in die NBA kommen. Damals haben ihn viele belächelt. Und im Endeffekt hat er es dann doch abgeliefert."
Den Willen, es bis in die NBA zu schaffen, hat auch Isaac Bonga. Als er 1999 in Neuwied in Rheinland-Pfalz zur Welt kommt, bestreitet Dirk Nowitzki für die Dallas Mavericks sein erstes NBA-Spiel. 20 Jahre später macht es Bonga ihm nach - er hat einen Vertrag bei den Los Angeles Lakers - als jüngster Spieler der NBA. Der 19-Jährige strahlt vor Glück:
"Die NBA ist einfach die beste Liga der Welt. Ich glaube, das ist einfach etwas, das man schaffen möchte. Das Ziel der Ziele, in der NBA zu sein. Das ist einfach so etwas wie ein Kindheitstraum für jeden, in die NBA zu kommen - so ist das für mich wahr geworden."
LeBron James als Teammate
Bonga sitzt auf einem Klappstuhl in der Umkleide, zwei Stunden sind es noch bis zum Spiel. Drei Meter entfernt von ihm macht sich LeBron James fertig für die Partie. Er ist der Superstar der Liga, dreifacher NBA-Champion - und Bongas Teamkollege.
"Die ersten Tage, als ich halt alle getroffen habe, war ich schon so - okay, darüber muss ich erstmal einen Tag nachdenken, klarkommen. Dass jetzt LeBron und die ganzen Leute jetzt Deine Teammates sind, dass Du sie jeden Tag siehst. Aber mit der Zeit gewöhnst Du Dich dran, aber wir haben so viel Erfahrung im Team, deswegen ist das einfach etwas Besonderes."
Einen Vertrag in der NBA zu bekommen ist das eine, auch wirklich spielen zu dürfen und das Vertrauen der Trainer zu gewinnen, das andere. In der Rotation der Los Angeles Lakers hat Isaac Bonga keinen festen Platz - nur, wenn Spiele deutlich gewonnen oder verloren sind, darf er NBA-Luft schnuppern:
"Um ehrlich zu sein, wenn ich zwei oder drei Jahre zurückgucke, hätte ich niemals gedacht, jetzt in dieser Situation zu sein. Ich habe dafür hart gearbeitet, viel geopfert. Ich bin jetzt einfach froh hier zu sein - und teilweise zu genießen, aber immer noch weiterzugehen und weiterzuarbeiten, und hoffe, dass man irgendwann auch mehr Minuten spielt und sich hier beweisen kann."
April 2, 2018 - San Antonio, TX, USA - Michigan forward Moritz Wagner (13) drives to the basket against Villanova forward Eric Paschall (4) during the NCAA College League USA division 1 men s basketball national championship game between Michigan and Villanova on Monday, April 2, 2018, at the Alamodome in San Antonio, Texas. Villanova won, 79-62. Villanova wins NCAA Championship 79-62 over Michigan PUBLICATIONxINxGERxSUIxAUTxONLY - ZUMAm67_ 20180402_zaf_m67_065 Copyright: xJunfuxHanx
Basketball-Talent Moritz Wagner (imago sportfotodienst)
Sich in der NBA beweisen, das will auch Teamkollege Moritz Wagner - der kommt aus Berlin und ist wie Bonga ein Rookie - so werden in den USA die Neulinge der Liga genannt. In seiner ersten Saison lässt Wagner sein Talent in einigen Spielen aufblitzen - doch bleibt es in vielen Partien bei Kurzeinsätzen:
"Nichts, was ich jemals gemacht habe in meinem Leben, war am Anfang leicht. Sagen wir es mal so - ich quäle mich nicht oder so - ich versuche so geduldig wie möglich zu bleiben. Sobald meine Nummer gecalled wird, bin ich ready. Es ist mein erstes Jahr, ich habe keine Eile - aber es wäre schon schön zu spielen. Denn was will ein Basketballspieler machen? Er will zocken! Darauf arbeite ich hin, aber es hat alles seine Zeit."
Wagner gilt als hoffnungsvollstes deutsches Talent. Anders als Teamkollege Isaac Bonga, der direkt aus Deutschland in die NBA wechselte, erkämpfte sich Wagner seinen Platz über ein College in den USA - für Athleten dort ist das der gängige Weg in den Profisport. Mit 18 Jahren wechselte Wagner von ALBA Berlin an die University of Michigan. Drei Jahre bleibt er im Team der Wolverines, weit weg von zu Hause, weit weg von der Familie - es ist ein Leben für den Basketball.
Millionenvertrag in der NBA
Ein Leben für den Basketball. Auch Daniel Theis hat alles für das große Ziel NBA getan. Als er in die amerikanische Profi-Liga kommt, erfüllt sich auch für seinen Bruder Frank ein Traum. Schließlich hing bei ihm schon im Kinderzimmer ein Poster von Michael Jordan über dem Bett. Jetzt ist sein zehn Jahre jüngerer Bruder bei den Boston Celtics und er ist quasi mit dabei:
"Du kannst jetzt an der Reise teilnehmen. Das, was Du dir früher aus den Zeitschriften geholt hast, das kriegst Du jetzt aus erster Reihe - und das ist Dein Bruder."
Theis hat einen Millionenvertrag bei den Boston Celtics. Zuletzt bekam er 1,3 Millionen US-Dollar pro Saison. Zuhause sind sie stolz darauf, was Daniel geschafft hat:
"Mein Vater ist ein lustiger Vogel - das muss man einfach sagen. Mein Vater sagt immer: 'Mensch Frank, wir können beide froh sein, dass Daniel was kann. Er kann den Ball da oben reinwerfen - und das macht er so gut, dass er für sich und seine Familie sorgen kann. Da haben wir echt Glück gehabt.'"
Im Vergleich zu NBA-Stars wie LeBron James, der letzte Saison mehr als 35 Millionen US-Dollar verdient hat, kommt Theis unter ferner liefen auf den Gehaltslisten der amerikanischen Profi-Liga. Der Schritt in die NBA kam nicht von heute auf morgen. Im ersten Anlauf klappt der Sprung in die USA nicht. Aber zu Hause bekommt Daniel Theis volle Unterstützung:
"Die Frau, die dann zu Hause ein Poster im Wohnzimmer gemacht hat, wo ganz groß draufstand in der Mitte: NBA - und was muss ich dafür tun, und so weiter. Die Frau, die da wirklich hinterstand."
Eine andere Liga. Ein anderes Land. Alles stürzt auf die Profis ein, wenn sie dann unterschrieben haben. Die Vereine machen den Einstieg durchaus leichter, ist Frank Theis überzeugt, nachdem er miterlebt hat, wie der Umzug seines Bruders nach Boston lief:
"Das ganze System, wie das funktioniert, dass der Sportler sich nur auf den Sport konzentrieren kann. Dafür wird so viel gemacht. Da fängt es an mit dem Kita-Platz für das Kind, wie fühlt sich Deine Frau? Gibt es irgendwelche Probleme? Wie können wir unterstützen? Andere Spielerfrauen und so weiter. Das ganze System ist so familiär und perfekt aufgebaut, dass der Spieler sich am Ende nur auf den Sport konzentrieren muss, was man in Deutschland weniger kennt."
Und wenn Daniel Theis in Boston ist, textet und redet er immer wieder mal mit seinen deutschen Kollegen quer durch die USA:
"Natürlich habe ich engen Kontakt zu Dennis, wir kennen uns ja jetzt schon seit Jahren. Mit Maxi habe ich Kontakt. Die anderen sind halt ein bisschen jünger. Aber ich denke, der deutsche Basketball kann einfach stolz sein, dass wir jetzt so viele haben und die Jugend und die Zukunft so positiv aussieht."
Die Braunschweig-Connection ist immer noch stark. Theis in Boston, Schröder Tausende Kilometer entfernt in Oklahoma City - aber in ihrem Leben gibt es immer noch viele Gemeinsamkeit, vieles, was sie verbindet, erzählt Frank Theis:
"Egal was es für Schritte sind. Wie fühlst Du Dich? Wie läuft das Vatersein? Das ist für Dennis jetzt gerade neu, da werden Tipps gegeben. Beide haben Hunde. Beide wollen möglichst viel spielen, leiden miteinander und machen sich gegenseitig stark - so wie Freunde eben miteinander umgehen."
Schröder hat schon einmal den Verein in der NBA gewechselt. Wo Daniel Theis in Zukunft spielt, ist direkt nach dem Ausscheiden in den Playoffs noch offen. Eine Unsicherheit, die zum Alltag gehört, meint Theis Bruder Frank:
"Natürlich werden andere Vereine mit ins Boot geholt und es wird geguckt, was möglich ist. Aber mein Bruder ist da so abgebrüht mittlerweile, dass ihm das gar nichts mehr ausmacht. Zumal er ja in Deutschland ja auch mehrmals den Verein gewechselt hat. Ich glaube, solange das Umfeld stimmt und dahinter steht, sind solche großen Schritte und Veränderungen immer möglich."
Dass ein Spieler wie Nowitzki 21 Saisons beim gleichen Verein bleibt, ist die absolute Ausnahme. Für die meisten Spieler verändern sich das Leben, der Verein und das Umfeld hingegen regelmäßig.
Dass ein Profi mitten in der der Saison das Team wechselt, ist keine Seltenheit. Die NBA ist ein Geschäft und die Spieler sind die Ware. Die 30 Mannschaften der Liga versuchen permanent, ihre Kader zu verbessern. Maxi Kleber von den Dallas Mavericks hat sich in seiner zweiten Saison daran gewöhnt, dass er als Basketballer in den USA flexibel sein muss:
"Ich fühl mich wohl und ich denke auch, dass ich angekommen bin - auf der anderen Seite muss man wissen, dass man sich nie zu wohl fühlen darf. Es ist ein Business, das sehr schnelllebig ist, viele Wechsel - wenn man sich da eine Minute zu lang ausruht, kommt der nächste nach. Da muss man aufpassen. Und deswegen will ich mich jetzt auch nicht ausruhen und sagen 'Hey, ich bin angekommen' - sondern es gibt auf jeden Fall noch mehr Arbeit zu tun."
Die Disziplin dominiert den Alltag
In der NBA geht es um Leistung, um Siege - und es geht um viel Geld. Liga und Teams setzen mit Tickets, Fernsehrechten und Merchandise-Produkten Milliarden um. Der Rummel rund um die Spiele - ein perfekt orchestriertes Schauspiel - auch das gehört zum Traum von der besten Basketballliga der Welt. Es ist ein zerbrechlicher Traum, wenn Spieler verletzt oder erschöpft sind, nicht mehr das bringen, was von ihnen erwartet wird. Physische und mentale Fitness sind essentiell, sagt Maxi Kleber:
"Es wird immer volle Leistung erwartet, egal wie müde man ist. Das ganze Reisen und alles, das merkt man natürlich auch. Es ist eben ein Teil vom Business - es ist keine leichte Liga - vor allem im Westen ist es nicht leicht, in die Playoffs zu kommen. Das spürst Du als Sportler schon, aber ich glaube, wenn man hier rüber kommt, dann hat man auch keine Zweifel, dass es so ist. Man kennt es, und es gehört einfach dazu und das unterschreibt man auch, wenn man seinen Vertrag unterschreibt. Damit muss man umgehen können."
Wer in der NBA spielt, richtet Freizeit und Privatleben voll auf den Sport aus. Die Disziplin dominiert den Alltag. Während der Saison ist der Zeitplan der Spieler eng getaktet. Dirk Nowitzki weiß das aus 21 Saisons bei den Dallas Mavericks - er gönne sich jetzt mal Pizza und Eis zum Frühstück, scherzt der Würzburger nach seinem Karriereende:
"Ich freue mich jetzt natürlich jetzt auf das nächste Kapitel, dass so ein bisschen der Druck weg ist: ständig Workouts, ständig an Basketball denken - dass das ein bisschen vorbei ist. Jetzt steht die Familie im Vordergrund und ich freue mich darauf, was die nächste Phase bringt."
Allein im Sommer, wenn die NBA pausiert, haben die internationalen Spieler Gelegenheit, nach Hause zu fahren, zu ihren Familie und Freunden, alten Vereinen und Trainern. So geht das auch den deutschen Spielern, wie Dennis Schröder und Daniel Theis, die in Niedersachsen fest verwurzelt sind.
Zuhause in Niedersachsen
Tausende Kilometer liegen zwischen Braunschweig und Boston. Es sind noch mehr bis Oklahoma City. Aber Zuhause, das ist für die beiden NBA-Profis immer noch die Stadt in Niedersachsen. Ab und zu kommen sie nach Hause. Dann sieht Dennis Nawrocki seine alten Teamkollegen, die jetzt in einer anderen Basketball-Dimension unterwegs sind, bei ihren Heimatbesuchen:
"Wenn sie hier in Deutschland sind, wenn Dennis in Braunschweig ist, dann sieht man sich ab und zu in der Halle, wenn er trainiert. Bei Daniel ist es ein bisschen seltener, weil er nicht ganz so oft hier ist, wie Dennis. Der Dennis hat noch ein paar mehr Bezugspunkte hier in Braunschweig. Aber, wenn man sich sieht, dann unterhält man sichteilweise über alte Zeiten und lässt alte Erinnerungen aufleben."
Es ist ein anderes Leben. Eine andere Welt, in der Dennis Schröder und Daniel Theis in den USA leben. Dennis Schröder zeigt aber immer wieder, wie tief er mit Braunschweig verbunden ist. Er unterstützt seinen Heimatklub, ist letztes Jahr als Gesellschafter eingestiegen. So konnten überhaupt die Lizenzauflagen erfüllt werden. Unterschrieben wurde das Ganze in den USA bei Schröder in Atlanta. Liviu Carlin freut sich darüber, wie verwurzelt Schröder in Braunschweig ist, wie sehr er sich an die Welt erinnert, die vor seiner NBA-Zeit liegt und mit einer eigenen Akademie den Nachwuchs unterstützt:
"Wir haben eine Eröffnung der Dennis-Schröder-Basketball-Akademie. Das finde ich eine große Geste von ihm, dass er unterstützt, dass Kinder - genauso wie er - eine Chance bekommen, das zu machen."
Liviu Calin mit seinen Entdeckungen v.l. Denis Schroeder und Daniel Theis
Liviu Calin mit seinen Entdeckungen v.l. Denis Schröder und Daniel Theis (imago)
Eine Talentschmiede, bei der der Profi aus der NBA zahlt und mitmacht. Er will, dass auch in Zukunft NBA-Profis in Braunschweig geformt werden. Dass Jungs wie er ihren Traum wahr machen können. Aus der Liebe zu seiner Stadt und seinem Verein macht Schröder kein Geheimnis. Hier kommt er her, hier ist sein Herz. Hier will er die Zukunft mitgestalten. Sein Nationalmannschafts-Kollege Maxi Kleber ist optimistisch, was die Perspektive des deutschen Basketballs angeht:
"Es ist wirklich schön zu sehen, dass so viele deutsche NBA-Spieler jetzt da sind und auch wirklich Leistung zeigen. Und ich glaube, das ist ein gutes Zeichen für den deutschen Basketball im Allgemeinen. Man hat viel in der Jugendarbeit richtig gemacht. Es kommen immer mehr Talente hoch. Und glaube jetzt auch im Sommer, wenn wir mit der Nationalmannschaft Deutschland vertreten, haben wir nochmal die Möglichkeit den Basketball insgesamt zu pushen. Das ist natürlich ein großes Ziel von uns."
Nachfolger für Nowitzki und irgendwann für Schröder und Theis - sie könnten gerade im deutschen Basketball heranwachsen, sich herankämpfen und heranträumen, ist Trainer Liviu Carlin überzeugt:
"Es sind sehr, sehr viele, die Potenzial haben. Man muss nur mit ihnen arbeiten - und gut arbeiten, richtig arbeiten - dann schaffen die das."
Mit oder gegen Dirk Nowitzki werden sie nicht mehr spielen. Aber der 2,13-Meter-Mann wird sie unter Garantie alle auf dem Schirm haben. Gucken, was die deutschen Basketballer in der NBA reißen können. Auch wenn ihm dabei ein bisschen das Herz schwer wird:
"Es ist klar, dass ich es vermisse werde - für Monate, wahrscheinlich ein paar Jahre oder für immer. Aber ich habe doch alles gegeben."
Jetzt müssen andere übernehmen. Alles geben. Auch in Zukunft werden deutsche Spieler in die NBA exportiert. In eine andere Welt katapultiert - Talent gibt es genug. Die nächste Erfolgsgeschichte wird vielleicht gerade geschrieben.