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Die Dopingvorwürfe gegen Fußballelf 1954

Zagatta: 3:2 durch Helmut Rahn, Deutschland siegt gegen die Ungarn im Endspiel um die Fußballweltmeisterschaft im Juni 1954. Der Kinofilm "Das Wunder von Bern" stimmt uns schon seit Wochen ein auf das Jubiläum. Die Heldenverehrung zum 50. Jahrestag dieses unvergesslichen Spiels wird jetzt allerdings etwas gestört, zumindest durch Vorwürfe, die deutschen Spieler hätten mysteriöse Spritzen erhalten, manche nennen das Doping. Vorwürfe, die gestern abend auch Gegenstand eines Fernsehbeitrags in der Sendung Report waren. Für uns Anlass, mit einem der drei heute noch lebenden Spieler aus dieser Weltmeisterelf zu sprechen, mit Horst Eckel. Und der war ziemlich empört, als wir ihn jetzt am Telefon danach fragen konnten, wie das damals war mit diesen ominösen Spritzen.

30.03.2004
    Eckel: Was da geschrieben wird oder hochkommt, das ist die größte Frechheit, die ich überhaupt erlebe. Nach 50 Jahren so etwas noch mal auf den Tisch zu bringen - und ich kann beschwören, dass da überhaupt Null war mit Doping.

    Zagatta: Aber Sie haben damals Spritzen bekommen bei der Weltmeisterschaft?

    Eckel: Ja, das war ein Versuch mit Traubenzucker, sonst gar nichts. Diese Sachen haben wir ja auch morgens am Kaffeetisch gehabt.

    Zagatta: Warum muss man das dann spritzen?

    Eckel: Weil es ein Versuch war, wie schnell das ins Blut geht. Wir haben eine Spritze für alle gehabt und es war freigestellt, ob man es machen will.

    Zagatta: Haben Sie selbst auch solche Spritzen bekommen?

    Eckel: Ja, ich habe mir auch eine geben lassen. Und dann wird geschrieben, all die Spieler, die die Spritze bekamen, haben Gelbsucht gehabt. Das ist schon eine große Lüge, ich hatte keine Gelbsucht.

    Zagatta: Aber insgesamt sieben oder acht Spieler sollen ja Gelbsucht gehabt haben.

    Eckel: Nein, es waren höchstens sechs.

    Zagatta: Das ist doch auch schon viel.

    Eckel: Das hat doch aber mit Doping nichts zu tun.

    Zagatta: War es normal vor 50 Jahren mit solchen Spritzen ins Spiel zu gehen?

    Eckel: Wir haben die nicht vorm Spiel bekommen, sondern irgendwann. Vorm Training oder so. Das war nicht vor einem Spiel oder dem Endspiel, wir haben diesen Besuch ein mal gemacht, vor irgendeinem Training, nicht vor einem Spiel.

    Zagatta: Aber es gibt ja die Aussage, dass diese Ampullen bei Ihnen in der Kabine gefunden wurden. Das stimmt nicht?

    Eckel: Was? Ich habe keine gesehen. Nie Doping, wenn, dann war es Traubenzucker. Und das ist kein Doping. Ich war jetzt in Bad Oeynhausen beim Ärztekongress, wo wir auch darüber sprachen. Die haben sich totgelacht, 1954 Doping. Da haben die sich totgelacht und das ist ja doch bezeichnend.

    Zagatta: Aber die Ungarn haben ja bald nach dem Spiel schon Dopingvorwürfe erhoben. Da hat dann die deutsche Mannschaft jahrelang bestritten, dass es überhaupt Spritzen gegeben hat. Wollte man das nicht zugeben, direkt hinterher?

    Eckel: Das wurde früh zugeben. Das Thema ist vor 50 Jahren schon auf dem Tisch gewesen und jetzt will irgend jemand dadurch Geld verdienen oder groß rauskommen, das ist alles. Und das ist das Schlimmste, was uns passieren kann, wir Spieler werden da noch einmal verunglimpft.

    Zagatta: Aber das Interesse, das jetzt hochkommt hängt vielleicht auch damit zusammen, dass man eben 50 Jahre später sich noch immer so für dieses Spiel interessiert, da es so wichtig und toll war für die Deutschen.

    Eckel: Nein, nein, nein, das ist eine Frechheit. Nach 50 Jahren, so ein Spiel um die Weltmeisterschaft - dann noch mal alles rauszubringen und zu sagen 'die waren gedopt, darum sind sie Weltmeister geworden'. Das ist für uns Spieler, die noch leben, ganz schlimm.

    Zagatta: Was ist denn mit dem anderen Thema, jetzt soll auch neues oder altes Filmmaterial aufgetaucht sein, das man bisher nicht kannte mit dem Abseitstor, das die Ungarn geschossen haben. War es eins?

    Eckel: Das ist doch genau dasselbe. Und ja, das war ein ganz klares Abseitstor. Der Linienrichter hat sofort die Fahne gehoben.

    Zagatta: Das muss ja noch nichts sagen.

    Eckel: Was? Das muss nichts sagen?

    Zagatta: Ich meine, wenn es jetzt einen Fernsehbeweis geben sollte, das erleben wir ja ständig, dann könnte es ja trotzdem Abseits oder keines gewesen sein.

    Eckel: Ach, gut, dann war es Abseits. Wenn alle das meinen. Und ich sage: es war Abseits. Ich habe ja da gestanden und mein erster Blick war raus zum Linienrichter und der hat sofort die Fahne gehoben gehabt, der hat nicht gezögert.

    Zagatta: Dann wollen wir das auch gar nicht bezweifeln. Kein irregulärer Pfiff, kein medizinisches Wunder. Gefällt Ihnen denn nach 50 Jahren noch der Ausdruck "Wunder von Bern", war es ein Wunder für Sie?

    Eckel: Selbstverständlich war das ein Wunder, wir sind ja als krasse Außenseiter da hingefahren. Wenn man das nicht glaubt und ich sage auch wenn ich das noch Hundert mal sagen muss und es kommt immer wieder hoch, dann muss man sich ja fragen, was da los ist.

    Zagatta: Das war Horst Eckel, einer der Helden von Bern. Ich bedanke mich ganz herzlich für das Gespräch.

    Eckel: Wiederhören.