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Die Dresdner Frauenkirche als Konzertsaal

Früher, vor der Zerstörung, da wurde die Frauenkirche von bedeutenden Musikern wegen ihrer akustischen Qualitäten geschätzt. Richard Wagner und Carl Maria von Weber ließen sich davon beim Komponieren anregen, und Johann Sebastian Bach hatte sich hier an die Orgel gesetzt. Nun wurde ein eigens für diesen Raum und das zweite Dresdner Orchester, die Philharmonie, komponiertes "Te Deum" uraufgeführt. Siegfried Matthus, schon bei der Wiedereinweihung der Semperoper mit einem neuen Werk dabei und zu DDR-Zeiten einer der führenden Komponisten des Landes, war auch diesmal eingeladen worden und hatte in seinem Lobgesang auf Gott auch die Schrecken des Kriegs und der Zerstörung thematisiert. Geleitet wurde die Aufführung von keinem anderen als Kurt Masur, der vor seiner ganz großen Karriere in New York Dirigent der Dresdner Philharmonie gewesen war.

Von Georg Friedrich Kühn |
    Der Beginn des Te Deum mit dem Motiv aus dem Ambrosianischen Lobgesang. Der Kuppelraum der Dresdner Frauenkirche beweist gerade bei solchen solistischen Stellen seine Stärken. Er gibt dem Klang des Solo-Instruments ein hüllendes Kleid und wahrt doch dessen Transparenz.

    Aber auch wenn die Orgel einbezogen wird, trägt der Raum mit seiner Nachhallzeit von erlauschten etwa vier Sekunden. Der Komponist Siegfried Matthus hat in einem "Die Orgel" überschriebenen Abschnitt seines Te Deums Bachs d-Moll-Toccata mit in seine Komposition einbezogen zur Erinnerung daran, dass einst der große Johann Sebastian die erste Orgel der Frauenkirche weihte.

    Der Auftrag, ein eigens für diesen Raum geschriebenes Werk zu komponieren kam spät: Erst im Dezember letzten Jahres, vermittelt durch den Freundeskreis und Ludwig Güttler.

    Siegfried Matthus, der schon zur Wiedereinweihung der Semperoper vor 20 Jahren um ein neues Werk dafür gebeten wurde und dann seinen inzwischen viel gespielten Cornet nach Rilke schrieb, entschloss sich zu einem Werk, das neben dem Jubel über den wieder erstandenen Kirchenraum auch an die Male seiner Zerstörung erinnert.

    " Ich habe mich da an Verdi angelehnt, der ja sehr dramatisch, fast opernhaft sein Requiem komponiert hat, und auch an Britten, der Zeitdokumente hereingenommen hat. Das habe ich auch getan. Und der Raum hat natürlich auch eine große Rolle gespielt. Ich hatte ja gehört, dass Wagner und andere die Kuppel benutzt haben. Das habe ich auch.

    Ich habe Proben gemacht. Da hatten noch Maler ihre Planen gespannt. Bei dieser Probe war die Akustik ein bisschen anders, eigentlich günstiger, als sie sich jetzt darstellt. Der Hall ist doch sehr groß dort oben. Aber es gibt noch viele Ecken in dieser Kirche, die man ausnutzen kann. Aber wir hatten keine Zeit. Wir hatten nur eine Haupt- und eine Generalprobe im Kirchenraum, und das ist zu wenig. Aber ich denke, wir haben erst einmal für dies Stück eine optimale Variante gefunden. "

    Im Zentrum des etwa 75minütigen Werks steht ein "Inferno" überschriebener Abschnitt. In ihn hat Matthus Teile seiner Cornet-Oper übernommen, die mit heftigen Schlagzeug-Kaskaden und einem Chor an den Feuersturm von 1945 erinnern. Aber auch ein historisches Zeugnis ist eingefügt von diesem Ort, ebenfalls mit einem Zitat unterlegt von Bach aus der "Johannespassion".

    " Das ist eines der erschütterndsten Dokumente, die ich gefunden habe, da berichtet jemand: der hat nach dieser Bombennacht auf den Trümmern ein Mädchen gesehen mit zerrissenen Kleidern und verbanntem Gesicht, hatte ein verbogenes Fahrrad auf dem Rücken und sang… "

    Kurt Masur, der trotz einiger organisatorischer Komplikationen für das Projekt als Dirigent gewonnen werden konnte, die Dresdner Philharmonie , die sechs Solisten und die Chöre aus Berlin und Dresden - sie sind mit großem Ernst bei der Sache und wurden am Ende mit lang anhaltendem Beifall bedankt.

    Und der Klang, zeigt sich an diesem Abend, bleibt transparent, solange die Partitur schlank instrumentiert ist. Schnelle und laute Tutti-Stellen hingegen sind kaum adäquat darzustellen. Dann wird der Klang dick und beginnt zu mulmen. Auch ist Textverständlichkeit in diesem Raum nur sehr bedingt möglich.

    In Dresden gibt es seit Jahren und verstärkt nach der Wende eine Diskussion um einen angemessenen Konzertsaal für diese Musikstadt. Die Dresdner Philharmonie spielt normalerweise in der Kongresshalle neben an, einem ursprünglich für die Massenveranstaltungen der SED entworfenen Zweckbau.

    Die Staatskapelle, das Opernorchester, zog mit ihren Konzerten nach Wiederherstellung der Semperoper ins eigene Haus. Manche meinten, die Philharmonie könnte nun die Frauenkirche als ihren neuen Konzertsaal nutzen. Das wird aber nach den ersten Erfahrungen nur für ausgewählte Werke sinnvoll sein.

    Das Thema Konzerthaus in Dresden bleibt trotz der vielfältigen räumlichen Möglichkeiten in der Frauenkirche auf der Tagesordnung.