"Im Namen der Max-Planck-Gesellschaft und in meinem eigenen Namen möchte ich Ihnen sagen, wie sehr ich es zutiefst bedauere, dass Sie unter den scheußlichen Verbrechen zu leiden hatten, die deutsche Forscher im Dienste einer pervertierten Ideologie an Ihnen begangen haben. Als deutscher Wissenschaftler empfinde ich Schuld und Scham darüber und ich bitte Sie - und nicht nur Sie persönlich - sondern stellvertretend für alle Opfer dieser Verbrechen, den Toten und Überlebenden, ich bitte Sie um Verzeihung für das, was Ihnen angetan wurde."
Prof. Hubert Markl, ehemaliger Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, entschuldigt sich am 7. Juni 2001 bei Zwillingen, die in der NS-Zeit grausame medizinische Experimente ertragen mussten. Daran beteiligt war die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, die Vorgängerorganisation der MPG und renommiertester deutscher Forschungsverband.
Eva Mozes Kor und ihre Zwillingsschwester Miriam kommen 1944 im Alter von zehn Jahren von Rumänien nach Auschwitz und werden menschliche Versuchskaninchen des SS-Arztes Josef Mengele.
"Sie banden mir meinen rechten und meinen linken Arm ab. Zur gleichen Zeit, als sie mir Blut aus meinem linken Arm abnahmen, gaben sie mir eine Menge Spritzen. Sie gaben mir mindestens fünf Spritzen."
Von den 2000 Zwillingspaaren in Auschwitz überleben nur 200 Mengeles mörderische Menschenversuche. Und diese leiden ihr Leben lang an den Folgen der Experimente. 1985 diagnostiziert ein Arzt bei Miriam, der Zwillingsschwester von Eva Mozes Kor, eine Niere so klein wie bei einer Zehnjährigen. Eine Transplantation hilft nicht, sie stirbt 1993.
Der Empfänger der Blutproben und Organe aus Auschwitz war der renommierte Zwillingsforscher und Mengeles Doktorvater Otmar Freiherr von Verschuer. Er leitete das 1928 gegründete Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik in Berlin-Dahlem.
Erst 1997 stellt sich die Max-Planck-Gesellschaft ihrer eigenen Vergangenheit. Warum dieses Thema so lange tabuisiert wurde, erklärt sich der 1996 berufende Präsident der Gesellschaft Hubert Markl so:
"Man hat es wahrscheinlich erst später ernsthaft begonnen, weil vorher vielleicht doch eine gewisse Rücksichtnahme auf Überlebende eine Rolle gespielt hat. Ich will das auch für die Wissenschaft nicht ausschließen. Und so kommt da mehr zusammen: Einerseits der Wunsch von Leuten, die was zu verbergen haben, dass das nicht aufgedeckt wird, andererseits auch rechtsstaatliches Vorgehen im Umgang mit Informationen. Und alles das hat dazu geführt, dass die ersten Jahrzehnte nicht gerade Jahrzehnte der großartigen Aufklärung waren, das müssen wir wohl feststellen."
1997 beruft Hubert Markl eine unabhängige Kommission, die die Rolle ihrer Vorgängerorganisation der KWG im Nationalsozialismus untersuchen soll. 1999 nimmt eine unabhängige, international besetzte Forschungsgruppe die Arbeit auf. Die Max-Planck-Gesellschaft fördert dieses Projekt mit 4,1 Millionen Euro.
Der vorher eher aktenorientierte Leiter der Präsidentenkommission, der Historiker Prof. Reinhard Rürup, empfindet heute rückblickend die Begegnung mit den Opfern als besonders wertvoll:
"Das war für die Wissenschaftler sehr bedeutsam, weil es doch immer einen Unterschied macht, ob man Akten liest oder ob man Menschen sieht, die diese Geschichte erlitten haben."
Hubert Markl entschuldigte sich 2001 bei den Opfern nicht nur für die an Ihnen begangenen Verbrechen im Dienste der Wissenschaft, so Reinhard Rürup:
"Markl hat es ja damals dadurch ergänzt, dass er gesagt hat: Und eigentlich muss ich mich auch dafür entschuldigen, dass wir jahrzehntelang geglaubt haben, wir brauchen uns damit nicht zu beschäftigen - und dieses nicht unter dem Druck eines diktatorischen Systems, sondern in einer demokratischen Gesellschaft, wo jede Möglichkeit bestanden hätte."
Die Wissenschaftler der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft befürworteten nicht nur Experimente an lebenden Menschen, sondern auch die Tötung sogenannten "unwerten Lebens". 400.000 Behinderte werden im Laufe des Nationalsozialismus ermordet. Darunter sind 5000 Kinder, viele aus Pflegeanstalten wie der Landesanstalt Brandenburg-Görden. Die rassenideologischen Grundlagen verfassen Wissenschaftler der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Später nutzen sie das Euthanasie-Programm der Nationalsozialisten, um Gehirne von Ermordeten zu untersuchen.
Der ehemalige Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Hubert Markl:
"Deswegen ist für mich eine der Lehren, wenn ich die Arbeiten der AG lese und auch andere Schriften darüber, wie wichtig es ist, dass man das nicht auf einzelne Täter und ihre schrecklichen Gedanken fokussiert, sondern dass man erkennt, dass eine ganze Gesellschaft moralisch verrotten kann, wenn ihre Institutionen verrottet sind. Und wenn die Machthaber mit krimineller Energie und mit menschenfeindlichen Intentionen ihre Politik verfolgen."
Nach fast zehnjähriger Forschung steht fest: Von den über 50 Instituten des damals renommiertesten deutschen Forschungsverbandes, der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, haben einige davon die Rüstungsforschung vorangetrieben, andere die Rassenhygiene der Nazis unterstützt und wiederum andere sich an Menschenversuchen beteiligt.
Der Historiker Prof. Reinhard Rürup - und Leiter der Präsidentenkommission der Max-Planck-Gesellschaft - zieht als Fazit:
"Eine der wichtigen Einsichten, die im Laufe dieses Forschungsprogramms gewonnen worden ist und die sich jetzt bei dem nachfolgenden Forschungsprojekt "Zur Geschichte der DFG im Nationalsozialismus" bestätigt hat, ist, dass nicht, wie immer behauptet worden ist in langen Nachkriegsjahrzehnten, die Wissenschaftler von den Nazis instrumentalisiert worden sind, sondern dass sie versucht haben sozusagen, das NS-System für ihre Forschungsinteressen zu instrumentalisieren. Und die Forscher, auch die Spitzenforscher, wurden auf diese Weise zu Teilhabern an der Macht und zu Mitträgern des Systems."
Fast zeitgleich mit der Forschungsgruppe ruft Hubert Markl auch einen Ethikrat ins Leben. Seine Aufgabe ist es, die Lehren aus der NS-Vergangenheit auch jungen Wissenschaftlern transparent zu machen.
Grundlage sind die 17 erschienenen Dokumentationen und Monografien der Forschungsgruppe.
"Ich glaube, jetzt haben wir die Chance, auch die Jüngeren, in diesen Bänden nachzulesen, zu studieren, welche Verfehlungen begangen worden sind, um damit natürlich, und das muss das Ziel sein, auszuschließen, dass so etwas irgendwann noch einmal wieder geschehen kann."
Damit appelliert der heutige Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Peter Gruß, ganz im Sinne von Eva Mozes Kor, die in Auschwitz die Menschenversuche im Dienste der Wissenschaft überlebte.
"Sie sollten ihre Erkenntnisse an ihre jungen Wissenschaftler weitergeben, weil sie ähnliche Probleme schaffen können und ähnliche Fehler machen können. Die moralische Verantwortung liegt bei den Wissenschaftlern. Deswegen ist es sehr wichtig, dies auf jede erdenkliche Weise zu vermitteln."
Prof. Hubert Markl, ehemaliger Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, entschuldigt sich am 7. Juni 2001 bei Zwillingen, die in der NS-Zeit grausame medizinische Experimente ertragen mussten. Daran beteiligt war die Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, die Vorgängerorganisation der MPG und renommiertester deutscher Forschungsverband.
Eva Mozes Kor und ihre Zwillingsschwester Miriam kommen 1944 im Alter von zehn Jahren von Rumänien nach Auschwitz und werden menschliche Versuchskaninchen des SS-Arztes Josef Mengele.
"Sie banden mir meinen rechten und meinen linken Arm ab. Zur gleichen Zeit, als sie mir Blut aus meinem linken Arm abnahmen, gaben sie mir eine Menge Spritzen. Sie gaben mir mindestens fünf Spritzen."
Von den 2000 Zwillingspaaren in Auschwitz überleben nur 200 Mengeles mörderische Menschenversuche. Und diese leiden ihr Leben lang an den Folgen der Experimente. 1985 diagnostiziert ein Arzt bei Miriam, der Zwillingsschwester von Eva Mozes Kor, eine Niere so klein wie bei einer Zehnjährigen. Eine Transplantation hilft nicht, sie stirbt 1993.
Der Empfänger der Blutproben und Organe aus Auschwitz war der renommierte Zwillingsforscher und Mengeles Doktorvater Otmar Freiherr von Verschuer. Er leitete das 1928 gegründete Kaiser-Wilhelm-Institut für Anthropologie, menschliche Erblehre und Eugenik in Berlin-Dahlem.
Erst 1997 stellt sich die Max-Planck-Gesellschaft ihrer eigenen Vergangenheit. Warum dieses Thema so lange tabuisiert wurde, erklärt sich der 1996 berufende Präsident der Gesellschaft Hubert Markl so:
"Man hat es wahrscheinlich erst später ernsthaft begonnen, weil vorher vielleicht doch eine gewisse Rücksichtnahme auf Überlebende eine Rolle gespielt hat. Ich will das auch für die Wissenschaft nicht ausschließen. Und so kommt da mehr zusammen: Einerseits der Wunsch von Leuten, die was zu verbergen haben, dass das nicht aufgedeckt wird, andererseits auch rechtsstaatliches Vorgehen im Umgang mit Informationen. Und alles das hat dazu geführt, dass die ersten Jahrzehnte nicht gerade Jahrzehnte der großartigen Aufklärung waren, das müssen wir wohl feststellen."
1997 beruft Hubert Markl eine unabhängige Kommission, die die Rolle ihrer Vorgängerorganisation der KWG im Nationalsozialismus untersuchen soll. 1999 nimmt eine unabhängige, international besetzte Forschungsgruppe die Arbeit auf. Die Max-Planck-Gesellschaft fördert dieses Projekt mit 4,1 Millionen Euro.
Der vorher eher aktenorientierte Leiter der Präsidentenkommission, der Historiker Prof. Reinhard Rürup, empfindet heute rückblickend die Begegnung mit den Opfern als besonders wertvoll:
"Das war für die Wissenschaftler sehr bedeutsam, weil es doch immer einen Unterschied macht, ob man Akten liest oder ob man Menschen sieht, die diese Geschichte erlitten haben."
Hubert Markl entschuldigte sich 2001 bei den Opfern nicht nur für die an Ihnen begangenen Verbrechen im Dienste der Wissenschaft, so Reinhard Rürup:
"Markl hat es ja damals dadurch ergänzt, dass er gesagt hat: Und eigentlich muss ich mich auch dafür entschuldigen, dass wir jahrzehntelang geglaubt haben, wir brauchen uns damit nicht zu beschäftigen - und dieses nicht unter dem Druck eines diktatorischen Systems, sondern in einer demokratischen Gesellschaft, wo jede Möglichkeit bestanden hätte."
Die Wissenschaftler der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft befürworteten nicht nur Experimente an lebenden Menschen, sondern auch die Tötung sogenannten "unwerten Lebens". 400.000 Behinderte werden im Laufe des Nationalsozialismus ermordet. Darunter sind 5000 Kinder, viele aus Pflegeanstalten wie der Landesanstalt Brandenburg-Görden. Die rassenideologischen Grundlagen verfassen Wissenschaftler der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft. Später nutzen sie das Euthanasie-Programm der Nationalsozialisten, um Gehirne von Ermordeten zu untersuchen.
Der ehemalige Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Hubert Markl:
"Deswegen ist für mich eine der Lehren, wenn ich die Arbeiten der AG lese und auch andere Schriften darüber, wie wichtig es ist, dass man das nicht auf einzelne Täter und ihre schrecklichen Gedanken fokussiert, sondern dass man erkennt, dass eine ganze Gesellschaft moralisch verrotten kann, wenn ihre Institutionen verrottet sind. Und wenn die Machthaber mit krimineller Energie und mit menschenfeindlichen Intentionen ihre Politik verfolgen."
Nach fast zehnjähriger Forschung steht fest: Von den über 50 Instituten des damals renommiertesten deutschen Forschungsverbandes, der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft, haben einige davon die Rüstungsforschung vorangetrieben, andere die Rassenhygiene der Nazis unterstützt und wiederum andere sich an Menschenversuchen beteiligt.
Der Historiker Prof. Reinhard Rürup - und Leiter der Präsidentenkommission der Max-Planck-Gesellschaft - zieht als Fazit:
"Eine der wichtigen Einsichten, die im Laufe dieses Forschungsprogramms gewonnen worden ist und die sich jetzt bei dem nachfolgenden Forschungsprojekt "Zur Geschichte der DFG im Nationalsozialismus" bestätigt hat, ist, dass nicht, wie immer behauptet worden ist in langen Nachkriegsjahrzehnten, die Wissenschaftler von den Nazis instrumentalisiert worden sind, sondern dass sie versucht haben sozusagen, das NS-System für ihre Forschungsinteressen zu instrumentalisieren. Und die Forscher, auch die Spitzenforscher, wurden auf diese Weise zu Teilhabern an der Macht und zu Mitträgern des Systems."
Fast zeitgleich mit der Forschungsgruppe ruft Hubert Markl auch einen Ethikrat ins Leben. Seine Aufgabe ist es, die Lehren aus der NS-Vergangenheit auch jungen Wissenschaftlern transparent zu machen.
Grundlage sind die 17 erschienenen Dokumentationen und Monografien der Forschungsgruppe.
"Ich glaube, jetzt haben wir die Chance, auch die Jüngeren, in diesen Bänden nachzulesen, zu studieren, welche Verfehlungen begangen worden sind, um damit natürlich, und das muss das Ziel sein, auszuschließen, dass so etwas irgendwann noch einmal wieder geschehen kann."
Damit appelliert der heutige Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, Peter Gruß, ganz im Sinne von Eva Mozes Kor, die in Auschwitz die Menschenversuche im Dienste der Wissenschaft überlebte.
"Sie sollten ihre Erkenntnisse an ihre jungen Wissenschaftler weitergeben, weil sie ähnliche Probleme schaffen können und ähnliche Fehler machen können. Die moralische Verantwortung liegt bei den Wissenschaftlern. Deswegen ist es sehr wichtig, dies auf jede erdenkliche Weise zu vermitteln."