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Die einmalige Google-Erfolgsgeschichte

Ken Auletta erforscht in seinem Buch "Googled. The End of the World as We Know It" die Geheimnisse von Google. Dabei bietet einen glänzend recherchierten Einblick in den gewaltigen technologischen und gesellschaftlichen Wandel, den die Erfolgsfirma ausgelöst hat.

Von Gregor P. Schmitz |
    "Wir suchen nicht mehr nach Informationen, wir "googlen" sie. "Das Internet macht Informationen verfügbar. Google aber macht sie zugänglich. Google ist eine der Marken, die weltweit das meiste Vertrauen genießen. Unter den traditionellen Medienfirmen - von Zeitungen und Magazinen über Buchverleger, Fernsehen, Hollywoodstudios, Werbeagenturen, Telefonfirmen und Microsoft - ruft keine mehr Bewunderung hervor, löst keine mehr Furcht aus.""

    Der Autor geht dieser Faszination und Angst akribisch nach, führte Interviews mit den Chefs fast aller führenden Medienunternehmen der Welt. Es ist ihm sogar gelungen, mit den äußerst öffentlichkeitsscheuen Google-Gründern Sergey Brin und Larry Page persönlich zu sprechen. In seinem Buch hat er zahlreiche erhellende Anekdoten zusammengetragen: Er beschreibt ein frühes Treffen der beiden mit dem damaligen Chef des Mediengiganten Vicacom, in dem sich dieser entsetzt über ihre ehrgeizigen Pläne zeigt, die Wirkung von Werbung per Suchmaschine berechenbarer und messbarer zu machen. Der Medienveteran ahnt, was das für seine Sender und Magazine bedeutet - die bis dahin gut davon lebten, dass die Werber nie genau wussten, ob ihre Ausgaben sich eigentlich lohnen oder nicht. "Sie zerstören die Magie", ruft er den jungen Google-Gründern zu.

    Auletta erzählt, wie Brin erst einmal seine Mutter anruft, nachdem der Börsengang von Google ihn als Endzwanziger zum Milliardär gemacht hat. Oder wie die Firma Jobinteressierte durch einen bizarren Auswahlmarathon jagt: Eine junge Frau, die als Anwältin für das Unternehmen arbeiten möchte, lässt Brin zum Test einen Vertrag über den Verkauf seiner Seele an den Teufel aufsetzen. Sie bekommt den Job - das ist nur einem Prozent aller Bewerber vergönnt. Der Medienjournalist würdigt die einmalige Google-Erfolgsgeschichte ausgiebig. Doch gerade in der Analyse seiner Interviews mit dessen Gründer-Duo lässt er auch Skepsis durchblicken:

    "Google wird von Ingenieuren gesteuert. Ingenieure sind Leute, die nach dem Warum fragen: Warum sollten nicht alle Bücher, die jemals veröffentlicht wurden, digital zugänglich sein? Wieso sollten wir nicht in der Lage sein, Zeitungen oder Magazine online zu lesen? Warum können wir nicht Fernsehen umsonst auf unseren Computern schauen? Googles Spitzenleute sind nicht kalte Geschäftsleute, aber sie sind kalte Ingenieure. Sie glauben naiverweise, dass die meisten Rätsel - darunter das Rätsel menschlichen Verhaltens - durch Daten entschlüsselt werden können. Genau dieser feste Glaube an mathematische Modelle hat Wall Street aber gerade die US-Wirtschaft fast ruinieren lassen."

    Auletta zitiert Google-Chef Eric Schmidt, der sagt, Googles Ziel sei, die Welt zu verändern. Das viele Geld der Firma mit 132 Milliarden Dollar Umsatz diene dafür nur als Instrument.

    Doch wohin soll dieser Wandel führen? Auletta moniert, dass die Google-Leute Bücher lieber digital zugänglich machen als lesen wollen. Nicht zuletzt treibt Firmenkritiker die Ungewissheit darüber um, welchen sozialen Nutzen Google eigentlich erfüllt.

    Über diese Frage werden Medienexperten wohl noch so lange streiten wie darüber, ob das Internet dumm macht oder nicht. Unstrittig sind aber die ökonomischen Auswirkungen Googles auf den Rest der Medienbranche. Deren Werbeerlöse brechen dramatisch ein, während Google 40 Prozent aller Online-Werbeeinnahmen einstreicht. Eric Schmidt rät Medien, weiterhin nichts für Online-Inhalte zu berechnen - 100 Prozent freier Zugang bedeuteten schließlich auch 100 Prozent Marktanteil. Doch Auletta bleibt skeptisch, ob diese Gleichung aufgeht.:

    "Google hat eine Medienwelt geschaffen, in der sich vor allem mit dem Inhalt anderer Leute Geld machen lässt. Die zentrale Frage bleibt offen: Wie lässt sich damit Geld verdienen? Auch wird die Art des Erzählens im Internet die Vorlieben der Zuschauer verändern, wie es YouTube täglich vormacht - sie suchen sich viele kleine Bissen zusammen. Alles wird schneller werden, wahrscheinlich auch der Niedergang der 'alten' Medien."

    So könnte Google die Medienlandschaft revolutionieren, falls es das nicht schon getan hat. Doch auch dem kreativen Zerstörer Google selbst drohen Rückschläge, wie Aulettas brillant analytisches Schlusskapitel belegt.

    Datenschutzdebatten könnten die Firma aus der Bahn werfen, argumentiert er und verweist auf die aktuellen Diskussionen um die Zulässigkeit von Google-Straßenaufnahmen. Neue Trends könnten auch Google rasch alt aussehen lassen. Beim Wettstreit um soziale Online-Netzwerke etwa wurde der Suchmaschinengigant vom Newcomer Facebook abgehängt.

    So etwas geht gerade in der sprunghaften Internetbranche blitzschnell. Auletta erinnert sich zum Schluss seines Buchs an ein Treffen mit Microsoft-Chef Bill Gates im Jahr 1998, als dessen Unternehmen gerade auf dem Höhepunkt seiner Macht war:

    "Ich fragte ihn: Welche Konkurrenz fürchten Sie am meisten? Er schaukelte sanft vor und zurück, und überlegte still. Als er schließlich sprach, ratterte er nicht die Liste seiner üblichen prominenten Widersacher herunter: Netscape, Sun Microsystems, Oracle oder Apple. Stattdessen sagte er: 'Ich fürchte jemanden in einer Garage, der etwas ganz Neues entwickelt'."

    Gates Angst war berechtigt. Im selben Jahr gründeten Brin und Page Google - und lehrten Microsoft so das Fürchten. Irgendwann könnten auch die Google-Pioniere in der Lage von Gates sein - ein kleiner Trost für alle, denen die Krake Google Angst macht.

    Ken Auletta: "Googled. The End of the World as we know it."
    Virgin Books, 400 Seiten, ca. 13 Euro. ISBN 978-0753522424