"Manche sammeln Briefmarken, manche Pornohefte und andere eben hochwertige Tonträger."
Den Mann, der mit dem typisch Magdeburger Charme seine Leidenschaft auf den Punkt bringt, nennen seine Kunden Franz, einfach nur Franz! Der knapp über 50-Jährige rotiert hinter dem Tresen seines Ladens "Hot Rat Records". Ein frisch eingetroffenes Paket mit Tonträgern will ausgetütet und einsortiert werden. Nebenbei gießt er ein paar Stammkunden des Hot Rats Kaffee nach.
"Milch, Zucker?"
Um den Tresen herum haben es sich Niels und Jens bequem gemacht, Stammkunden im Hot Rats. Die beiden lehnen auf ihren Barhockern und sind in ein Gespräch mit Franz vertieft. Es geht, klar um Musik. Die Chemnitzer Band Kraftklub ist auch hier im "Hot Rats" ganz großes Thema:
"Ich find Kraftklub auch gut, auch wenn ich jetzt allein da steh"
"Hey, ich hab's mir auch gekauft! – Das sind für mich die deutschen Strokes, die sind witzig, die sind cool, die klauen zwar, aber ... "
Es ist fast ein bisschen wie in "High Fidelity" – der Verfilmung des Nick Hornby-Romans um die durchgeknallte Belegschaft eines Londoner Plattenladens. Alles dreht sich um Musik. Und genau wie in "High Fidelity" gibt es im Hot Rats nicht jede Musik, wie Jens und Franz versichern:
"Es gibt so No-Gos, Tina Turner, Phil Collins! – Ja, es steht hier auch irgendwo eine U2-Platte rum, aber es steht keine Böhse Onkelz-Platte rum. Es steht hier auch irgendwo 'ne Simple Minds rum, aber mit Sicherheit keine Rechtsscheiße!"
Franz' Laden in der Magdeburger Arndstraße, einem alternativen Szenehotspot der Stadt, ist nicht viel größer als ein Wohnzimmer. Die Fläche ist streng unterteilt, links hoch geht's zu den CDs – rechts hoch in die Vinylecke, geradezu der Tresen. An der Wand hängen überall Promoplakate und T-Shirts, Kartons stehen hier und da im Weg herum. Auf den Neuankömmling wirkt das "Hot Rats"-Innenleben vielleicht chaotisch - eventuell sogar ein bisschen einschüchternd:
"Es gibt schon, dadurch, dass der Raum so klein ist, halt schon Berührungsängste. Für den einen oder anderen, der sich sonst nur in Großmärkten oder im großen Netz rumtreibt, ist das schon intimer, ist ganz klar. Aber die meisten sind dann so locker und fragen, hey wo find ich denn das. Haste die da oder nicht?"
In erster Linie lebt das "Hot Rats Records" aber von seinen Stammkunden. Und die biegen nach einem Plausch am Tresen meist nach rechts, nehmen die zwei Stufen und wühlen sich durch die Vinylneuerscheinungen. So wie Jens. Der Endvierziger kauft sich Musik fast ausschließlich auf Vinyl - des Klanges und der Aufmachung wegen. Und wegen des ganz speziellen Geruchs:
"Wie ein neu gedrucktes Buch, dann so meistens laminiert, also es hat einen Geruch, kann man gar nicht beschreiben. Das gehört eben einfach alles zusammen. Das ist ein sinnliches Erlebnis, Vinyl hören. Das ist ja nicht nur der Klang, das ist das Gesamtpaket. Und wenn ich halt so eine CD nach einem halben Jahr aus dem Schrank ziehe, dieses Jewel Case, sieht einfach scheiße aus!"
Und das fast ein Vierteljahrhundert, nachdem die Compact Disc die Vinyl-LP offiziell als Tonträger Nummer eins abgelöst hat. Damals in den Neunziger Jahren lösten viele Musikfans ihre LP-Sammlungen auf. Zu eindeutig schienen die Vorteile der Compact Disc, dieses digitalen Klang- und Raumwunders. Auch Jens rüstete damals um, bereute diesen Schritt aber schnell:
"Viele haben auch in den 90er-Jahren ihre Plattensammlung verkauft gegen CDs. Aber es gibt auch Leute, die gemerkt haben: scheiße, es klingt nicht so. Ich hab nicht das Feeling beim Hören der CD wie Vinyl. Und die merken dann auch, dass eine Analogspur einfach wärmer klingt."
Jens ist gebürtiger Magdeburger, lebt aber mittlerweile in Berlin. Immer wenn er in der Heimat ist, wirft er einen Blick ins "Hot Rats", lässt sich von Franz Kaffee servieren, plaudert über aktuelle Neuheiten und lässt sich vom Chef, wie er ihn auch nennt, neue Sachen empfehlen:
"Der Umsatz spielt natürlich auch 'ne Rolle. Er hat so ein Karteikartensystem, da steht dann drauf, was du gekauft hast. Und unten ganz rechts Empfehlungen, die er dir das nächste Mal verkaufen will. Da guckt er, du hast schon zwei Monate nichts mehr gekauft. Da unten hab ich für dich ne Empfehlung, hör mal rein, vielleicht ist das was für dich!"
So ähnlich machen das ja auch die Online-Großhändler wie Amazon. Nur bekommt man im Netz eben keinen Kaffee hingestellt. Trotzdem ist klar: eine goldene Nase verdient sich Franz schon lange nicht mehr, zu groß ist die Konkurrenz durch den Großhandel, zu leicht die Möglichkeit, Musik gratis zu bekommen:
"Vor fünf Jahren, als es mit diesen MP3 und mit der Brennerei für jeden einfacher war, als vor ich sag mal zehn Jahren, da war ein ziemlicher Einbruch. Aber ich find, jetzt so seit zwei Jahren ist's wieder ein Aufwind. Nicht weil die Presse jetzt sagt, Vinyl ist wieder im Kommen ... "
... sondern weil viele einfach begriffen haben: Musik ist Kunst. Und Kunst hat einen Wert, und diesen Wert lohnt es sich, zu bezahlen. Erstens weil diejenigen, die den Wert schaffen, davon auch leben müssen. Und zweitens, weil es einfach ein schönes Gefühl ist, Musik in den Händen zu halten. Christian ist mit 26 Jahren einer der eher jüngeren Stammkunden im Laden. Der Student gibt einen Großteil seines spärlichen Einkommens für Musik aus, auch eher schwört auf Vinyl:
"Zum Vinyl gekommen bin ich so vor fünf, sechs Jahren, beeinflusst durch Freunde. Dann hab ich mir einen Plattenspieler gekauft und seitdem kauf ich vorwiegend Vinyl, aber nicht ausschließlich. So im Durchschnitt wahrscheinlich ein bis zwei Platten die Woche, sprich im Monat gerechnet so 100 Euro."
Auch heute nimmt Christian wieder eine neue Platte mit nach Haus, genau wie Jens und Niels. Seinen Stammkunden kann Franz immer etwas andrehen. Am meisten Mut macht Franz aber, dass in letzter Zeit auch immer mehr ganz junge Leute zu ihm in den Laden kommen und nach Musik fragen:
"Die haben die schon auf dem Rechner, die wollen die trotzdem haben. Die wollen die Band unterstützen und letztendlich auch die Plattenläden nicht aussterben lassen. Die wollen was in der Hand haben, nicht irgendwelche Daten, sich die umher schieben und wieder löschen. Die wollen ein Booklet haben, die wollen die Texte dazu haben, ja die wollen sich dabei wohlfühlen und nicht irgendwie fünf Gigabyte verschenken zum Geburtstag."
Den Mann, der mit dem typisch Magdeburger Charme seine Leidenschaft auf den Punkt bringt, nennen seine Kunden Franz, einfach nur Franz! Der knapp über 50-Jährige rotiert hinter dem Tresen seines Ladens "Hot Rat Records". Ein frisch eingetroffenes Paket mit Tonträgern will ausgetütet und einsortiert werden. Nebenbei gießt er ein paar Stammkunden des Hot Rats Kaffee nach.
"Milch, Zucker?"
Um den Tresen herum haben es sich Niels und Jens bequem gemacht, Stammkunden im Hot Rats. Die beiden lehnen auf ihren Barhockern und sind in ein Gespräch mit Franz vertieft. Es geht, klar um Musik. Die Chemnitzer Band Kraftklub ist auch hier im "Hot Rats" ganz großes Thema:
"Ich find Kraftklub auch gut, auch wenn ich jetzt allein da steh"
"Hey, ich hab's mir auch gekauft! – Das sind für mich die deutschen Strokes, die sind witzig, die sind cool, die klauen zwar, aber ... "
Es ist fast ein bisschen wie in "High Fidelity" – der Verfilmung des Nick Hornby-Romans um die durchgeknallte Belegschaft eines Londoner Plattenladens. Alles dreht sich um Musik. Und genau wie in "High Fidelity" gibt es im Hot Rats nicht jede Musik, wie Jens und Franz versichern:
"Es gibt so No-Gos, Tina Turner, Phil Collins! – Ja, es steht hier auch irgendwo eine U2-Platte rum, aber es steht keine Böhse Onkelz-Platte rum. Es steht hier auch irgendwo 'ne Simple Minds rum, aber mit Sicherheit keine Rechtsscheiße!"
Franz' Laden in der Magdeburger Arndstraße, einem alternativen Szenehotspot der Stadt, ist nicht viel größer als ein Wohnzimmer. Die Fläche ist streng unterteilt, links hoch geht's zu den CDs – rechts hoch in die Vinylecke, geradezu der Tresen. An der Wand hängen überall Promoplakate und T-Shirts, Kartons stehen hier und da im Weg herum. Auf den Neuankömmling wirkt das "Hot Rats"-Innenleben vielleicht chaotisch - eventuell sogar ein bisschen einschüchternd:
"Es gibt schon, dadurch, dass der Raum so klein ist, halt schon Berührungsängste. Für den einen oder anderen, der sich sonst nur in Großmärkten oder im großen Netz rumtreibt, ist das schon intimer, ist ganz klar. Aber die meisten sind dann so locker und fragen, hey wo find ich denn das. Haste die da oder nicht?"
In erster Linie lebt das "Hot Rats Records" aber von seinen Stammkunden. Und die biegen nach einem Plausch am Tresen meist nach rechts, nehmen die zwei Stufen und wühlen sich durch die Vinylneuerscheinungen. So wie Jens. Der Endvierziger kauft sich Musik fast ausschließlich auf Vinyl - des Klanges und der Aufmachung wegen. Und wegen des ganz speziellen Geruchs:
"Wie ein neu gedrucktes Buch, dann so meistens laminiert, also es hat einen Geruch, kann man gar nicht beschreiben. Das gehört eben einfach alles zusammen. Das ist ein sinnliches Erlebnis, Vinyl hören. Das ist ja nicht nur der Klang, das ist das Gesamtpaket. Und wenn ich halt so eine CD nach einem halben Jahr aus dem Schrank ziehe, dieses Jewel Case, sieht einfach scheiße aus!"
Und das fast ein Vierteljahrhundert, nachdem die Compact Disc die Vinyl-LP offiziell als Tonträger Nummer eins abgelöst hat. Damals in den Neunziger Jahren lösten viele Musikfans ihre LP-Sammlungen auf. Zu eindeutig schienen die Vorteile der Compact Disc, dieses digitalen Klang- und Raumwunders. Auch Jens rüstete damals um, bereute diesen Schritt aber schnell:
"Viele haben auch in den 90er-Jahren ihre Plattensammlung verkauft gegen CDs. Aber es gibt auch Leute, die gemerkt haben: scheiße, es klingt nicht so. Ich hab nicht das Feeling beim Hören der CD wie Vinyl. Und die merken dann auch, dass eine Analogspur einfach wärmer klingt."
Jens ist gebürtiger Magdeburger, lebt aber mittlerweile in Berlin. Immer wenn er in der Heimat ist, wirft er einen Blick ins "Hot Rats", lässt sich von Franz Kaffee servieren, plaudert über aktuelle Neuheiten und lässt sich vom Chef, wie er ihn auch nennt, neue Sachen empfehlen:
"Der Umsatz spielt natürlich auch 'ne Rolle. Er hat so ein Karteikartensystem, da steht dann drauf, was du gekauft hast. Und unten ganz rechts Empfehlungen, die er dir das nächste Mal verkaufen will. Da guckt er, du hast schon zwei Monate nichts mehr gekauft. Da unten hab ich für dich ne Empfehlung, hör mal rein, vielleicht ist das was für dich!"
So ähnlich machen das ja auch die Online-Großhändler wie Amazon. Nur bekommt man im Netz eben keinen Kaffee hingestellt. Trotzdem ist klar: eine goldene Nase verdient sich Franz schon lange nicht mehr, zu groß ist die Konkurrenz durch den Großhandel, zu leicht die Möglichkeit, Musik gratis zu bekommen:
"Vor fünf Jahren, als es mit diesen MP3 und mit der Brennerei für jeden einfacher war, als vor ich sag mal zehn Jahren, da war ein ziemlicher Einbruch. Aber ich find, jetzt so seit zwei Jahren ist's wieder ein Aufwind. Nicht weil die Presse jetzt sagt, Vinyl ist wieder im Kommen ... "
... sondern weil viele einfach begriffen haben: Musik ist Kunst. Und Kunst hat einen Wert, und diesen Wert lohnt es sich, zu bezahlen. Erstens weil diejenigen, die den Wert schaffen, davon auch leben müssen. Und zweitens, weil es einfach ein schönes Gefühl ist, Musik in den Händen zu halten. Christian ist mit 26 Jahren einer der eher jüngeren Stammkunden im Laden. Der Student gibt einen Großteil seines spärlichen Einkommens für Musik aus, auch eher schwört auf Vinyl:
"Zum Vinyl gekommen bin ich so vor fünf, sechs Jahren, beeinflusst durch Freunde. Dann hab ich mir einen Plattenspieler gekauft und seitdem kauf ich vorwiegend Vinyl, aber nicht ausschließlich. So im Durchschnitt wahrscheinlich ein bis zwei Platten die Woche, sprich im Monat gerechnet so 100 Euro."
Auch heute nimmt Christian wieder eine neue Platte mit nach Haus, genau wie Jens und Niels. Seinen Stammkunden kann Franz immer etwas andrehen. Am meisten Mut macht Franz aber, dass in letzter Zeit auch immer mehr ganz junge Leute zu ihm in den Laden kommen und nach Musik fragen:
"Die haben die schon auf dem Rechner, die wollen die trotzdem haben. Die wollen die Band unterstützen und letztendlich auch die Plattenläden nicht aussterben lassen. Die wollen was in der Hand haben, nicht irgendwelche Daten, sich die umher schieben und wieder löschen. Die wollen ein Booklet haben, die wollen die Texte dazu haben, ja die wollen sich dabei wohlfühlen und nicht irgendwie fünf Gigabyte verschenken zum Geburtstag."