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"Die einzige Möglichkeit üble Machenschaften aufzudecken"

Den Abhörskandal um den Medienunternehmer Rupert Murdoch in Großbritannien nehmen die Italiener mit Erstaunen zur Kenntnis. Sie akzeptieren hingegen den Medienunternehmer Silvio Berlusconi als Regierungschef und die Staatsanwaltschaft nutzt Abhörsysteme, um die Kriminalität einzudämmen.

Von Karl Hoffmann |
    In Italien - wo Abhörskandale an der Tagesordnung sind - ist das Problem nicht so sehr das verbotene Lauschen, sondern vielmehr was da alles abgehört und dem staunenden Publikum zu Gehör gebracht wird:

    "Die nächsten drei Wochen werden wir mal so richtig Spaß haben und der Marcegaglia den Hintern heißmachen."

    So der Originalton eines von der Polizei abgehörten Telefongespräches. Emma Marcegaglia, die Präsidentin des italienischen Arbeitgeberverbandes, hatte Anzeige erstattet, nachdem der Journalist Nicola Porro mit schlimmen Enthüllungen gedroht hatte. Warum macht ihr das, fragte besorgt Marcegaglias persönlicher Sekretär. Porros Antwort:

    "Weil sie eine blöde Kuh ist, weil sie und ihr Pressesprecher uns links liegen lassen, der hat mir sogar gesagt, ich solle mich verpissen. "

    Der Journalist mit der deftigen Wortwahl ist stellvertretender Chefredakteur bei der Tageszeitung "Il Giornale", Besitzer ist der Bruder von Regierungschef Berlusconi. In Großbritannien fliegen die illegalen Abhörmachenschaften auf, Pressemagnat Rupert Murdoch gibt sich tief zerknirscht, Regierungschef David Cameron versucht vehement, sich zu distanzieren. In Italien kommt dergleichen nicht infrage, denn hier sind skrupelloser Medienzar und machtbewusster Regierungschef ein und dieselbe Person: Silvio Berlusconi. Er benützt nicht nur schamlos seine hauseigenen Zeitungen zur Verunglimpfung politischer Gegner, die er auch schon mal heimlich abhören lässt, sondern kontrolliert ohne Hemmungen auch das öffentlich rechtliche Fernsehen RAI, wobei er selbst abgehört wird.

    Berlusconi meldet sich bei einem freudig erregten Fernsehdirektor und erklärt, es gehe im so là-là - immerhin werde er vom Volk mit dem Papst verglichen. Berlusconi platziert mit Erfolg irgendwelche Showgirls, die als Gegenleistung Oppositionsabgeordneten zu Diensten sind, zu Berlusconis Nutzen.
    Korruption, Prostitution - dank der von Ermittlungsrichtern angeordneten Telefonüberwachung von Berlusconis Mitarbeitern kamen in den letzten Monaten immer neue Peinlichkeiten ans Tageslicht. Berlusconi fordert deshalb vehement ein weitgehendes Abhörverbot und massive Strafen.

    ""Fünf Jahre soll ins Gefängnis, wer die Abhörung anordnet, fünf Jahre, wer sie durchführt und wer sie veröffentlicht. Und zwei Millionen Euro Strafe für die Herausgeber!"

    Ein reines Lippenbekenntnis, denn Berlusconis hauseigene Medien verbreiten wollüstig abgehörte Gespräche von Mitgliedern der Opposition, die ja auch selbst in Skandale verwickelt ist und deshalb gar nicht so abgeneigt scheint, der richterlich angeordneten Telefonüberwachung einen Riegel vorzuschieben. Was vor allen Dingen die Anti-Mafia-Staatsanwälte - wie Antonio Ingroia - in helle Aufregung versetzt. Denn 80 Prozent der etwa 30.000 im vergangenen Jahr legal abgehörten Telefone gehören mutmaßlichen Mafiosi und ihren Komplizen:

    "Das Abhören wird immer wichtiger, um flüchtige Mafiosi zu stellen, Morde und Attentate zu verhindern, Waffenlager auszuheben und riesige Rauschgiftmengen zu konfiszieren. Und um die Verbindungen Mafia und Politik aufzudecken."

    Deshalb ist für den sizilianischen Staatsanwalt Roberto Scarpinato das Abhören gar unverzichtbar für Italiens Demokratie:

    "Es ist inzwischen die einzige Möglichkeit die üblen Machenschaften unserer politisch Mächtigen aufzudecken. Es gibt keine wirkliche Opposition mehr: Presse, Fernsehen und auch die Justiz werden in ihrer Freiheit immer mehr eingeschränkt. Die einzige Gelegenheit, bei der man das wahre Gesicht der Mächtigen im Lande sehen kann, ist, wenn sie abgehört werden."