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Die Elbe-Jeetzel-Zeitung
Was macht eine Lokalzeitung erfolgreich?

Der Branchendienst Meedia hat 2016 die Elbe-Jeetzel-Zeitung aus Lüchow zur Lokalzeitung mit den treuesten Lesern gekürt. Fast ein Viertel der nicht mal 50.000 Einwohner liest sie täglich. Das sind 11.000 verkaufte Exemplare.

Von Agnes Bührig |
    Rouven Groß, Redakteur der Elbe-Jeetzel-Zeitung bei seinen Recherchen zum Thema "Wolf"
    Elbe-Jeetzel-Zeitung - thematisch breit aufgestellt. Redakteur Rouven Groß recherchiert zum Thema "Wolf" (Deutschlandfunk / Agnes Bührig)
    Themenplanung im Konferenzraum der Elbe-Jeetzel-Zeitung in Lüchow: Rund die Hälfte des zwölfköpfigen Redaktionsteams bespricht die Beiträge der kommenden Ausgaben. Pressemeldungen und Ausdrucke von Emails pflastern die Tische: 50 Jahre Grundschule Hitzacker, Wolfssicherung am Wildgatter in Gartow, Portrait eines Ortsbrandmeisters, der im Bus wohnt. "Die Kunst besteht darin, Altbewährtes und Unerwartetes zu mischen", sagt Benjamin Piel, einer der beiden Chefredakteure.
    Unglaubliches hervorkramen
    "Es gibt einen Strang des Sich-immer-Wiederholenden. Ich finde, man muss auch aufpassen, dass man darin nicht versackt. Auf der anderen Seite darf man auch nicht den Fehler machen, das alles nicht mehr zu machen. Und es gibt Dinge, die muss man ausgraben, hervorkramen, wo die Leute sagen: Das ist ja unglaublich, das habe ich noch nie gehört, dass es das hier gibt."
    Ein Pflegedienst, der für die Zeugen Jehovas wirbt, ein YouTube-Kanal, der Verschwörungstheorien aus der Nachbarschaft verbreitet oder der Schüler im Wohnwagen neben der Schule. Dazu kommen die Aufreger-Themen: Etwa, wenn ein Bürgermeister eine EU-finanzierte Apfelbaumplantage fällen lässt. Dass er dem Menschen dann am nächsten Tag unter Umständen beim Bäcker begegnen könnte, hindert Benjamin Piel nicht, kritisch zu berichten. Zumal der politische Diskurs seit den Anfängen der Atombewegung zum Alltag im Wendland gehört.
    "Die Zeitung hat sich damals in dem heftigen Gorleben-Konflikt, zu einer ganz frühen Zeit, als es wirklich noch gar nicht opportun war, gegen Atomkraft zu sein, geöffnet für die kritischen Stimmen, die die Kritik geübt haben an Atomkraft, am Endlagerprojekt in Gorleben. Und das hat eine Breite ins Blatt gebracht, die sehr beachtlich ist, und auf diese Leistung bauen wir heute noch auf."
    Zum Beispiel beim Thema Wolf, der mal mit einer Sonderausstellung in einer Schule, mal als Feind der Heidetierhalter eine Rolle spielt.
    An diesem regnerischen Frühlingstag steht ein Termin mit Peter Burkhardt am Wildgatter Gartow an. Der Mann in Regenmontur verwaltet das Gehege. Doch das Wild, das hier wohnt, ist vom Wolf bedroht. Der könnte sich unter dem Zaun durchgraben, zum Beispiel beim Tor.
    "Hier kommt ein Untergrabschutz in Form von Beton hin, 'ne Schwelle. Das sind immer die neuralgischen Punkte, wo wir dann noch eine Schwachzelle im Zaun hätten."
    Peter Burkhardt zeigt auf die Baugrube für den neuen Zaun. Er soll wird zukünftig nicht nur 50 Zentimeter in die Tiefe reichen, es sollen gleichzeitig auch neue Wege installiert werden, damit sich Besucher über die Geschichte der Wölfe im Wendland informieren können, die für Peter Burkhardt allerdings nichts Besonderes mehr sind.
    "Wenn man die jetzt schon über zehn Jahre hier hat, sind die für mich, aus meiner ganz subjektiven Sicht Normalität geworden. Die sind halt da. Und das ist eigentlich unser Ziel, dass beides nebeneinander geht."
    Leser, die die Debatte befördern
    Pluralität der Meinungen und Themen, das ist eines der Erfolgsrezepte der Elbe-Jeetzel-Zeitung - immer im regen Austausch mit den Lesern, die die Debatte fleißig befördern, sagt Rouven Groß, der an diesem Tag die Wolfsgeschichte recherchiert.
    "Wir haben einmal die Woche eine Leserbriefseite drin, in der - wenn die Leserbriefe natürlich den rechtlichen Anforderungen entsprechen, also nicht zu Straftaten aufrufen, keine Volksverhetzung betreiben - findet sich auch jeder wieder, auch mit jeder Kritik an der EJZ."
    Der Leser steht ganz klar im Mittelpunkt. Daneben strahlen die Kollegen der Elbe-Jeetzel-Zeitung vor allem aus, dass sie Spaß an der Arbeit haben - für den Leser und mit dem Leser. Wenig Verständnis hat darum Benjamin Piel für alle Jammerer, die das Ende des Lokaljournalismus heraufbeschwören.
    "Ich kenne nicht die Zukunft und ich habe auch keine Lust, mich immer runterziehen zu lassen von negativen Nachrichten. Ich finde, die ganze Branche ist oft so negativ. Ich liebe das, was ich tue, und so lebe ich von Tag zu Tag. Und ich beschäftige mich nicht damit, dass es vielleicht in zehn Jahren nicht mehr funktioniert. Dann mache ich halt was anderes."