Als im vergangenen Oktober in der Metropolitan Opera in New York "Der Tod von Klinghoffer" Premiere feierte, protestierten vor der Tür wütende Demonstranten gegen das aus ihrer Sicht antisemitische Stück. Die bereits 1991 entstandene Oper des US-amerikanischen Komponisten John Adams rechtfertige Terrorismus, die Aufführung romantisiere und legitimiere den Mord an ihrem Vater, hieß es in einer Stellungnahme von Klinghoffers Töchtern.
Leon Klinghoffer war ein querschnittsgelähmter US-Amerikaner, der am 8. Oktober 1985 an Bord der "Achille Lauro" getötet und über Bord geworfen worden war. Die Täter hatten ihn gezielt ermordet, weil er Jude war: Sie gehörten einer Abspaltung der PLO, der palästinensischen Befreiungsfront PLF, an und hatten das italienische Kreuzfahrtschiff einen Tag zuvor, am 7. Oktober, vor der Küste Ägyptens in ihre Gewalt gebracht.
Zugestiegen waren die vier schwer bewaffneten Männer bereits im Abfahrtshafen Genua, ihr eigentliches Ziel war die israelische Hafenstadt Aschdod, doch als ihre Waffen entdeckt wurden, schossen die Palästinenser um sich und nahmen rund 500 Passagiere als Geiseln. Der damalige Hörfunkkorrespondent Klaus Metzler berichtete aus Kairo über die Entführung:
"Die Entführer fordern die Freilassung von 50 in Israel, aber offensichtlich auch Italien, einsitzenden Gesinnungsgenossen, vor allem die Freilassung eines Mannes namens Samir Kuntar, ein berüchtigter palästinensischer Terrorist, der offenbar 1979 an einem Strand in Israel einen israelischen Vater und seinen 5-jährigen Sohn getötet hat."
Ein Vergeltungsakt gegen einen Militäreinsatz der israelischen Luftwaffe
Die Entführung der "Achille Lauro" war auch ein Vergeltungsakt gegen einen Militäreinsatz der israelischen Luftwaffe. Diese hatte eine Woche zuvor das Hauptquartier der PLO in Tunis zerstört und dabei über 60 Palästinenser getötet. PLO-Chef Yassir Arafat, der nicht in Tunis gewesen war, verurteilte das Vorgehen der PLF allerdings: Er befürchtete, dass die Entführung dem Ansehen der PLO schaden könne.
Arafat nahm Kontakt mit dem Führer der PLF, Abu Abbas, auf, der selbst nicht an Bord der "Achille Lauro" war, aber als Drahtzieher der Entführung galt. Gemeinsam mit dem ägyptischen Staatspräsidenten Hosni Mubarak gelang es dem PLO-Chef, die Terroristen zur Beendigung der Entführung zu bewegen. Im Gegenzug war ihnen freies Geleit in einer Passagiermaschine nach Algier zugesagt worden, doch auf dem Weg dorthin wurde die Boeing von US-amerikanischen Jagdflugzeugen abgefangen. Nachdem der Tod Klinghoffers bekannt geworden war, wollte die Reagan-Administration die Entführer in den USA vor Gericht stellen. Die Jagdflugzeuge vom Typ C140 zwangen die äygptische Boeing deshalb zur Landung auf der sizilianischen Nato-Basis Sigonella. Dort kam es zu einem offenen Konflikt mit den Italienern, die die Entführer ebenfalls verhaften wollten.
Der italienische Ministerpräsident Bettino Craxi: "Sofort nach der Landung wurde die ägyptische Boeing unter die Kontrolle von 50 italienischen Soldaten gestellt. Aus den C 140 Maschinen stiegen 50 amerikanische Soldaten in voller Gefechtsausrüstung aus, die ihrerseits die italienischen Militärs umstellten. Es handelte sich um ein Kommando, das einsatzbereit war, um die Passagiere aus der Boeing zu holen. Der Befehl kam direkt aus dem Weißen Haus und lautete, die Terroristen festzunehmen."
In Genua vor Gericht
Nach fünfstündigen Verhandlungen mit Washington, in denen Craxi auf der Einhaltung der italienischen Souveränität beharrte, zogen die US-Amerikaner schließlich ab, die vier palästinensischen Terroristen wurden verhaftet und von einem Gericht in Genua zu langjährigen Haftstrafen verurteilt. Der Anführer der PLF, Abu Abbas, der als Vermittler mit den Entführern ebenfalls an Bord der ägyptischen Boeing war und für sich diplomatische Immunität in Anspruch nahm, konnte dagegen nach Rom und von dort über Belgrad nach Bagdad weiterfliegen. Craxi fürchtete eine Verschlechterung der Beziehungen zu Ägypten, da sich Mubarak durch die erzwungene Landung der ägyptischen Boeing auf Sizilien von Italien betrogen fühlte und seinerseits gedroht hatte, die in Port Said liegende "Achille Lauro" nicht mehr freizugeben.
Abu Abbas, der Drahtzieher der Entführung, wurde 18 Jahre später, im April 2003, im Irak verhaftet, nach dem Sturz Saddam Husseins durch die USA. Er starb elf Monate später in US-Gefangenschaft im Irak an den Folgen einer Herzkrankheit. Zuvor hatte eine der Töchter Klinghoffers seine Auslieferung an die USA gefordert.