Der Krieg ist der Vater aller Dinge; vielleicht auch der amerikanischen Malerei. Warum? Dazu muss man etwas ausholen. Der Wilde Westen ist bekanntlich ohne Colts nicht denkbar. Ein gewisser Samuel Colt aus Hartford, Connecticut, gilt als Erfinder und massenhafter Produzent dieser ersten Faustfeuerwaffe mit Drehzylinder. Und dass es in Hartford, Connecticut, das größte Museum für die romantische Landschaftsmalerei Amerikas gibt, ist kein Zufall: Samuel Colts Witwe nämlich, eine gewisse Elisabeth Hart Jarvis Colt, führte die boomende Waffenfirma ihres früh verstorbenen Mannes weiter und: sammelte Kunst.
Beraten wurde sie dabei von einem der berühmtesten Landschaftsmaler des 19. Jahrhunderts: Frederic Edwin Church, ein Künstler, der - England, Frankreich und Italien immer wieder bereisend - sich ganz in die Tradition der europäischen Romantik stellte. Church wandelte auf den Spuren Alexander Humboldts; er malte in Nord- und Südamerika, auf Jamaika und Sizilien, phantastische amerikanische Weiten, sturmgepeitschte Felsstrände am Nordatlantik und scheinbar menschenleere Gebirgsstücke in den Catskills, nördlich von New York, aber auch erstaunlich sensible arkadische Ruinenlandschaften am Ätna.
Sie bilden den Grundstock des Wadsworth Atheneum Museum of Art in Hartford. 1844 von einem kunstsinnigen Dandy namens Daniel Wadsworth gegründet, ist es nicht nur das älteste Museum der Vereinigten Staaten, es beherbergt auch die größte Sammlung früher amerikanischer Landschaftskunst. Fünf Dutzend kleiner und großer Gemälde aus dieser Sammlung, die jetzt in Hamburg zu sehen sind, zeigen nicht nur, was dort im 19. Jahrhundert gemalt wurde, sondern auch wer es sammelte. Den Künstlern, die damals von New York aus - mit Staffelei und auch schon mal mit dem Fotoapparat - in die vielfach noch ungezähmte Natur des Neuen Kontinents vordrangen, ging es weniger um topografische Genauigkeit als vielmehr um den höheren Ruhm des frisch geborenen Vaterlands USA. Wildnis war Trumpf.
Damals begab sich der Zivilisationskritiker Henry Thoreau in seine berühmte Einsiedelei. Zur gleichen Zeit trumpfte der Maler-Pionier Thomas Cole, der Vater der so genannten "Hudson-River-School of Painting", mit breiten Tableaux auf; er beschwor einen arkadischen Wilden Westen, den es schon damals nicht mehr gab. In einer Mischung aus Claude Lorrains, William Turners und Salvator Rosas Manier wirft er tiefe Blicke in eine bestürzend chaotische Wildnis, die gelegentlich nur von symbolischen Figuren belebt wird: Hier ein Trapper, dort ein Siedler, und immer wieder einmal auch ein paar versprengte Indianer. In einer delirierenden Fels-, Wald- und Wiesen-Landschaften illustriert Cole nebenbei eine berühmte Szene aus James Fenimore Coopers berühmten Roman "Der letzte Mohikaner": Vor einer vaginal dunkelnden Höhle und einem daneben phallisch aufragenden Felsen bereiten blutrünstige amerikanische Ureinwohner die Ritual-Marter zweier weißer Frauen vor.
Insgesamt verblüfft allerdings, wie wenig die Auslöschung der Indianer die malenden Zeitgenossen rührte. Wenn auch ihre Abschlachtung nicht in gemalter Kriegsberichterstattung gefeiert wird, so scheint man doch das Verschwinden der lästigen roten Ureinwohner in Kauf zu nehmen, als notwendige Konsequenz des Fortschritts, das heißt des unaufhaltsamen "Westward-Hoh" der Landnahme von weißen Goldgräbern, Waffenhändlern und Siedlern.
Einzig die grandiose Landschaft selbst, die vorwiegend als menschenleere, also jungfräuliche, unbesiedelte, wahrgenommen wird, gerät bisweilen als durch den Zivilisationsprozess bedrohte in den Blick. In einer Melancholie, die lebhaft an Caspar David Friedrich Abendbilder erinnert, malt etwa der deutsche Auswanderer Albert Bierstadt 1862 einen Sonnenuntergang in der Steppe: Statt gotischer Domspitzen ragen zwei von spätem Licht vergoldete Indianer-Tippies ins Abendrot.
Doch das Drama des Tourismus hat längst begonnen: Spießer in Gehrock und Zylinder bestaunen beim Picknick die Niagarafälle, und winterlich verschneite Blockhütten gaukeln ein idyllisch-heiteres Landleben im Gebirge vor. Und das Erhabene der Landschaft, das die frühen US-Romantiker noch zum höheren Lobe von "God's own Country" vollmundig als das Unverwechselbare der Vereinigten Staaten beschworen, weicht nach dem Bürgerkrieg einer intimeren, fast biedermeierlichen Sicht der Neuen Welt.
Der Maler Martin Johnson Heade malt gegen Ende des 19. Jahrhunderts einen ironischen Abgesang auf die "Gebüsch-Ritter" der "Hudson-River-School". Zur Hinrichtung des Erhabenheits-Pathos seiner Lehrer braucht er nicht einmal einen Colt: Einer hübsch breit hingelagerten Seenlandschaft wird von unten das Wasser abgelassen: Ein hämischer Kobold hat ein Loch in die Leinwand gebohrt; er könnte einem der Alptraum-Bilder Odilon Redons entsprungen sein.
Beraten wurde sie dabei von einem der berühmtesten Landschaftsmaler des 19. Jahrhunderts: Frederic Edwin Church, ein Künstler, der - England, Frankreich und Italien immer wieder bereisend - sich ganz in die Tradition der europäischen Romantik stellte. Church wandelte auf den Spuren Alexander Humboldts; er malte in Nord- und Südamerika, auf Jamaika und Sizilien, phantastische amerikanische Weiten, sturmgepeitschte Felsstrände am Nordatlantik und scheinbar menschenleere Gebirgsstücke in den Catskills, nördlich von New York, aber auch erstaunlich sensible arkadische Ruinenlandschaften am Ätna.
Sie bilden den Grundstock des Wadsworth Atheneum Museum of Art in Hartford. 1844 von einem kunstsinnigen Dandy namens Daniel Wadsworth gegründet, ist es nicht nur das älteste Museum der Vereinigten Staaten, es beherbergt auch die größte Sammlung früher amerikanischer Landschaftskunst. Fünf Dutzend kleiner und großer Gemälde aus dieser Sammlung, die jetzt in Hamburg zu sehen sind, zeigen nicht nur, was dort im 19. Jahrhundert gemalt wurde, sondern auch wer es sammelte. Den Künstlern, die damals von New York aus - mit Staffelei und auch schon mal mit dem Fotoapparat - in die vielfach noch ungezähmte Natur des Neuen Kontinents vordrangen, ging es weniger um topografische Genauigkeit als vielmehr um den höheren Ruhm des frisch geborenen Vaterlands USA. Wildnis war Trumpf.
Damals begab sich der Zivilisationskritiker Henry Thoreau in seine berühmte Einsiedelei. Zur gleichen Zeit trumpfte der Maler-Pionier Thomas Cole, der Vater der so genannten "Hudson-River-School of Painting", mit breiten Tableaux auf; er beschwor einen arkadischen Wilden Westen, den es schon damals nicht mehr gab. In einer Mischung aus Claude Lorrains, William Turners und Salvator Rosas Manier wirft er tiefe Blicke in eine bestürzend chaotische Wildnis, die gelegentlich nur von symbolischen Figuren belebt wird: Hier ein Trapper, dort ein Siedler, und immer wieder einmal auch ein paar versprengte Indianer. In einer delirierenden Fels-, Wald- und Wiesen-Landschaften illustriert Cole nebenbei eine berühmte Szene aus James Fenimore Coopers berühmten Roman "Der letzte Mohikaner": Vor einer vaginal dunkelnden Höhle und einem daneben phallisch aufragenden Felsen bereiten blutrünstige amerikanische Ureinwohner die Ritual-Marter zweier weißer Frauen vor.
Insgesamt verblüfft allerdings, wie wenig die Auslöschung der Indianer die malenden Zeitgenossen rührte. Wenn auch ihre Abschlachtung nicht in gemalter Kriegsberichterstattung gefeiert wird, so scheint man doch das Verschwinden der lästigen roten Ureinwohner in Kauf zu nehmen, als notwendige Konsequenz des Fortschritts, das heißt des unaufhaltsamen "Westward-Hoh" der Landnahme von weißen Goldgräbern, Waffenhändlern und Siedlern.
Einzig die grandiose Landschaft selbst, die vorwiegend als menschenleere, also jungfräuliche, unbesiedelte, wahrgenommen wird, gerät bisweilen als durch den Zivilisationsprozess bedrohte in den Blick. In einer Melancholie, die lebhaft an Caspar David Friedrich Abendbilder erinnert, malt etwa der deutsche Auswanderer Albert Bierstadt 1862 einen Sonnenuntergang in der Steppe: Statt gotischer Domspitzen ragen zwei von spätem Licht vergoldete Indianer-Tippies ins Abendrot.
Doch das Drama des Tourismus hat längst begonnen: Spießer in Gehrock und Zylinder bestaunen beim Picknick die Niagarafälle, und winterlich verschneite Blockhütten gaukeln ein idyllisch-heiteres Landleben im Gebirge vor. Und das Erhabene der Landschaft, das die frühen US-Romantiker noch zum höheren Lobe von "God's own Country" vollmundig als das Unverwechselbare der Vereinigten Staaten beschworen, weicht nach dem Bürgerkrieg einer intimeren, fast biedermeierlichen Sicht der Neuen Welt.
Der Maler Martin Johnson Heade malt gegen Ende des 19. Jahrhunderts einen ironischen Abgesang auf die "Gebüsch-Ritter" der "Hudson-River-School". Zur Hinrichtung des Erhabenheits-Pathos seiner Lehrer braucht er nicht einmal einen Colt: Einer hübsch breit hingelagerten Seenlandschaft wird von unten das Wasser abgelassen: Ein hämischer Kobold hat ein Loch in die Leinwand gebohrt; er könnte einem der Alptraum-Bilder Odilon Redons entsprungen sein.