Friedbert Meurer: In Europa und Deutschland bangen wir um den Euro, machen uns Sorgen, welche Folgen die Schuldenkrise noch haben kann. So sehr diese Krise unseren Wohlstand gefährden kann, weltweit haben Hunderte Millionen Menschen ganz andere, viel existenziellere Probleme. Der Reichtum bleibt ungerecht verteilt auf der Welt. Millionen hungern vor allem nicht nur in Ostafrika. Zurzeit ist die Woche der Welthungerhilfe und Silvia Engels hat den Buchautor und Publizisten Wilfried Bommert gefragt, ob er vielleicht doch für Ostafrika Zeichen der Besserung sieht.
Wilfried Bommert: Nein. Es gibt keine Zeichen der Besserung, weil die Voraussetzungen einfach nicht da sind. Da ist sozusagen die ideale Kombination für eine Hungersnot schon lange gewesen: Da sind Kriege gewesen, da hat man die Landwirtschaft nicht gefördert und schließlich sind die Folgen des Klimawandels da deutlich zu spüren, und wenn man diese drei zusammennimmt, dann kann man sagen, die werden auch so schnell nicht abnehmen. Das heißt, die Situation bleibt da sehr anstrengend für die Menschen und viele müssen weiter fliehen.
Silvia Engels: Welche weiteren Weltregionen sind denn derzeit akut durch Hungersnöte gefährdet?
Bommert: Tendenziell ist Indien gefährdet. Das nehmen wir zwar gar nicht so wahr, aber Indien, da lebt die Landwirtschaft größtenteils vom Grundwasser und dieses Grundwasser ist langsam abgepumpt, und jede mögliche Verschiebung des Monsuns könnte dazu führen, dass es dort viel schwieriger wird. Tendenziell ist China gefährdet. In China haben wir eine ähnliche Sachlage: Viel wird vom Grundwasser her an Bewässerung gemacht, und sobald die Grundwasservorräte schwinden und der Monsun nicht richtig kommt, könnte auch das große Getreideausfälle geben, gibt es in der Gegenwart auch schon. China hat mehrfach hintereinander jetzt die größten Dürren des Jahrhunderts gemeldet. Damit müssen wir rechnen und wir müssen im Übrigen in Afrika auch damit rechnen, dass die Ernten keineswegs sicher sind, und das greift ja mittlerweile auch nach Europa, oder sagen wir in die näheren Gebiete Europas über. Die Unsicherheiten in Russland im letzten Jahr, wo ein Viertel der Ernte einfach verschwunden ist, weil es so schrecklich heiß geworden ist und in Pakistan quasi zur gleichen Zeit in den riesigen Regenmengen des Monsuns die Hälfte des Landes untergegangen ist. Diese Entwicklungen werden wir weiter haben, tendenziell ist kein Bereich der Welt da wirklich ausgenommen, ausgenommen, würde ich mal sagen, Europa. Da geht es relativ einfach noch zu, da werden die Zustände stabil bleiben.
Engels: Suchen wir nach weiteren tieferen Ursachen für die wieder zunehmende Zahl der Hungernden. Klimawandel sprechen Sie an, dann sprechen Sie auch politische Instabilität, Kriege an, dann gibt es ja auch immer das Argument der Börsenspekulation. Die schwankenden, aber auch tendenziell höheren Lebensmittelpreise seien mit ausschlaggebend dafür, dass der Hunger in der Welt wieder zunimmt. Teilen Sie diese Einschätzung?
Bommert: Ja. Die Börse richtet sich aber nicht nach den schwankenden Preisen, die Börse richtet sich nach den Gewinnerwartungen und den potenziellen Knappheiten, und bei Lebensmitteln haben wir nun wirklich eine wachsende Knappheit. Schon seit Jahren steigen die Ernten nicht mehr so schnell wie der Hunger auf das, was da geerntet wird, und diese tendenzielle Knappheit löst natürlich an den Märkten Spekulationen aus. Wir haben auf dem Weltgetreidemarkt, an den Weltgetreidebörsen mittlerweile eine Spekulation, die zehnmal mehr verspekuliert als die Weltgetreideernten ausmachen. Das heißt, riesige Mengen an Geld kommen dahin und die kommen auch nicht von Ungefähr dahin. Die Landwirtschaft und die landwirtschaftlichen Ernten sind plötzlich interessant für die Kapitalmärkte geworden, deren andere Produkte überall unsicher werden, und das schlägt sich langsam durch.
Engels: Umgekehrt könnte es ja für Landwirte weltweit interessanter sein, mehr Nahrungsmittel zu produzieren, eben weil die Weltmarktpreise so hoch sind. Liegt darin vielleicht auch eine Chance?
Bommert: Darin liegt natürlich eine Chance. Allerdings die Landwirte, die wirklich produzieren müssen – und das sind die rund 700 Millionen Kleinlandwirte der Welt -, die haben nicht das Geld, um richtig in die Produktion einzusteigen. Die haben seit Jahren keine vernünftige landwirtschaftliche Förderung bekommen. Da sind in den Ländern die Preise unten gehalten worden, da gibt es keine landwirtschaftliche Forschung mehr. Das heißt, die können zurzeit gar nicht einsteigen. Wer weiter einsteigen kann, sind die Industrienationen, aber selbst bei denen wird langsam die Produktionsgrundlage knapp. Die Böden geben nicht mehr viel her in Zukunft, die Wasserreserven schwinden in den Industrienationen auch und das Klima sorgt auch dafür, dass die Ernten unsicherer werden. Das heißt, wir haben also keinen auf der Welt, auf den wir uns wirklich in Zukunft noch verlassen können.
Engels: Welche Rolle spielt denn in dieser Gemengelage, die ohnehin schon angespannt ist, dann noch der Anbau von Pflanzen für Biotreibstoff, der ja auf den knappen Agrarflächen produziert wird und dort mit dem Lebensmittelanbau konkurriert?
Bommert: Das ist sozusagen der Brandverstärker für alles. Die Flächen, auf denen heute für Biosprit vor allen Dingen angebaut wird, sind potenzielle Nahrungsmittelflächen. Da kann Getreide angebaut werden, da können auch andere Früchte angebaut werden. Und wir sehen es schon, wie dieser Biospritmarkt die Lebensmittelpreise treibt. In den USA ist mittlerweile sogar die Lebensmittellobby aufgestanden und hat gesagt, das dürft ihr hier nicht weitermachen, denn wenn die Preise weiter steigen auf unseren Märkten, dann kaufen die Leute weniger, das ist nicht im Interesse unserer Konzerne, und die Weltbank hat berechnet, dass die Biospritproduktion der Welt ungefähr 40 bis 70 Prozent zu den gegenwärtigen Preissteigerungen beiträgt, und da sieht man, welch ein Problem wir haben.
Meurer: Meine Kollegin Silvia Engels sprach mit dem Buchautor und Experten Wilfried Bommert aus Anlass der Woche der Welthungerhilfe.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Wilfried Bommert: Nein. Es gibt keine Zeichen der Besserung, weil die Voraussetzungen einfach nicht da sind. Da ist sozusagen die ideale Kombination für eine Hungersnot schon lange gewesen: Da sind Kriege gewesen, da hat man die Landwirtschaft nicht gefördert und schließlich sind die Folgen des Klimawandels da deutlich zu spüren, und wenn man diese drei zusammennimmt, dann kann man sagen, die werden auch so schnell nicht abnehmen. Das heißt, die Situation bleibt da sehr anstrengend für die Menschen und viele müssen weiter fliehen.
Silvia Engels: Welche weiteren Weltregionen sind denn derzeit akut durch Hungersnöte gefährdet?
Bommert: Tendenziell ist Indien gefährdet. Das nehmen wir zwar gar nicht so wahr, aber Indien, da lebt die Landwirtschaft größtenteils vom Grundwasser und dieses Grundwasser ist langsam abgepumpt, und jede mögliche Verschiebung des Monsuns könnte dazu führen, dass es dort viel schwieriger wird. Tendenziell ist China gefährdet. In China haben wir eine ähnliche Sachlage: Viel wird vom Grundwasser her an Bewässerung gemacht, und sobald die Grundwasservorräte schwinden und der Monsun nicht richtig kommt, könnte auch das große Getreideausfälle geben, gibt es in der Gegenwart auch schon. China hat mehrfach hintereinander jetzt die größten Dürren des Jahrhunderts gemeldet. Damit müssen wir rechnen und wir müssen im Übrigen in Afrika auch damit rechnen, dass die Ernten keineswegs sicher sind, und das greift ja mittlerweile auch nach Europa, oder sagen wir in die näheren Gebiete Europas über. Die Unsicherheiten in Russland im letzten Jahr, wo ein Viertel der Ernte einfach verschwunden ist, weil es so schrecklich heiß geworden ist und in Pakistan quasi zur gleichen Zeit in den riesigen Regenmengen des Monsuns die Hälfte des Landes untergegangen ist. Diese Entwicklungen werden wir weiter haben, tendenziell ist kein Bereich der Welt da wirklich ausgenommen, ausgenommen, würde ich mal sagen, Europa. Da geht es relativ einfach noch zu, da werden die Zustände stabil bleiben.
Engels: Suchen wir nach weiteren tieferen Ursachen für die wieder zunehmende Zahl der Hungernden. Klimawandel sprechen Sie an, dann sprechen Sie auch politische Instabilität, Kriege an, dann gibt es ja auch immer das Argument der Börsenspekulation. Die schwankenden, aber auch tendenziell höheren Lebensmittelpreise seien mit ausschlaggebend dafür, dass der Hunger in der Welt wieder zunimmt. Teilen Sie diese Einschätzung?
Bommert: Ja. Die Börse richtet sich aber nicht nach den schwankenden Preisen, die Börse richtet sich nach den Gewinnerwartungen und den potenziellen Knappheiten, und bei Lebensmitteln haben wir nun wirklich eine wachsende Knappheit. Schon seit Jahren steigen die Ernten nicht mehr so schnell wie der Hunger auf das, was da geerntet wird, und diese tendenzielle Knappheit löst natürlich an den Märkten Spekulationen aus. Wir haben auf dem Weltgetreidemarkt, an den Weltgetreidebörsen mittlerweile eine Spekulation, die zehnmal mehr verspekuliert als die Weltgetreideernten ausmachen. Das heißt, riesige Mengen an Geld kommen dahin und die kommen auch nicht von Ungefähr dahin. Die Landwirtschaft und die landwirtschaftlichen Ernten sind plötzlich interessant für die Kapitalmärkte geworden, deren andere Produkte überall unsicher werden, und das schlägt sich langsam durch.
Engels: Umgekehrt könnte es ja für Landwirte weltweit interessanter sein, mehr Nahrungsmittel zu produzieren, eben weil die Weltmarktpreise so hoch sind. Liegt darin vielleicht auch eine Chance?
Bommert: Darin liegt natürlich eine Chance. Allerdings die Landwirte, die wirklich produzieren müssen – und das sind die rund 700 Millionen Kleinlandwirte der Welt -, die haben nicht das Geld, um richtig in die Produktion einzusteigen. Die haben seit Jahren keine vernünftige landwirtschaftliche Förderung bekommen. Da sind in den Ländern die Preise unten gehalten worden, da gibt es keine landwirtschaftliche Forschung mehr. Das heißt, die können zurzeit gar nicht einsteigen. Wer weiter einsteigen kann, sind die Industrienationen, aber selbst bei denen wird langsam die Produktionsgrundlage knapp. Die Böden geben nicht mehr viel her in Zukunft, die Wasserreserven schwinden in den Industrienationen auch und das Klima sorgt auch dafür, dass die Ernten unsicherer werden. Das heißt, wir haben also keinen auf der Welt, auf den wir uns wirklich in Zukunft noch verlassen können.
Engels: Welche Rolle spielt denn in dieser Gemengelage, die ohnehin schon angespannt ist, dann noch der Anbau von Pflanzen für Biotreibstoff, der ja auf den knappen Agrarflächen produziert wird und dort mit dem Lebensmittelanbau konkurriert?
Bommert: Das ist sozusagen der Brandverstärker für alles. Die Flächen, auf denen heute für Biosprit vor allen Dingen angebaut wird, sind potenzielle Nahrungsmittelflächen. Da kann Getreide angebaut werden, da können auch andere Früchte angebaut werden. Und wir sehen es schon, wie dieser Biospritmarkt die Lebensmittelpreise treibt. In den USA ist mittlerweile sogar die Lebensmittellobby aufgestanden und hat gesagt, das dürft ihr hier nicht weitermachen, denn wenn die Preise weiter steigen auf unseren Märkten, dann kaufen die Leute weniger, das ist nicht im Interesse unserer Konzerne, und die Weltbank hat berechnet, dass die Biospritproduktion der Welt ungefähr 40 bis 70 Prozent zu den gegenwärtigen Preissteigerungen beiträgt, und da sieht man, welch ein Problem wir haben.
Meurer: Meine Kollegin Silvia Engels sprach mit dem Buchautor und Experten Wilfried Bommert aus Anlass der Woche der Welthungerhilfe.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.