Wann beginnt die Beziehung der 68er-Bewegung zur evangelischen Kirche? Zum Beispiel ein Jahr zuvor, am 2. Juni 1967.
"Ich kann mich an den 2. Juni 1967 nicht erinnern. Ich kann mich erst in dem Zusammenhang erinnern an die Beerdigung."
Sagt Hans Otte. Er ist 17 Jahre alt, als in Berlin der Student Benno Ohnesorg erschossen wird, von einem Polizisten am Rande einer Demonstration. Eine Woche später wird Benno Ohnesorg in seiner Heimatstadt Hannover beerdigt. 7000 Studenten beteiligen sich am Trauerzug.
"Das war ein nebliger, kalter Tag. Dann sind wir als Schüler mitgetrottet und haben von Reden oder so nichts mitgekriegt, weil wir viel zu weit da hinten waren. Auf der anderen Seite wollten wir schon auch ein Signal setzen und uns beteiligen."
"Dass die Kirche auch Schuld trägt..."
In Berlin war Benno Ohnesorg in der Evangelischen Studentengemeinde aktiv, die kräftig mitmischt bei den Studentenprotesten. Die Trauerrede in Hannover hält Kurt Scharf, evangelischer Bischof von Berlin.
"Kurt Scharf hat den Tod von Benno Ohnesorg zum Anlass genommen, wirklich kritisch die Rolle der evangelischen Kirche zu hinterfragen."
Sagt Katharina Kunter. Sie ist Historikerin und hat sich intensiv befasst mit der Verbindung zwischen evangelischer Kirche und den 68ern. Bischof Kurt Scharf habe in seiner Trauerrede für Benno Ohnesorg eingestanden:
"Dass die Kirche auch Schuld trägt durch ihre Verfasstheit, dass sie von oben nach unten strukturiert ist. Und er hat ein sehr differenziertes, auch ein sehr glaubwürdiges Statement gegeben, das zeigte, dass die Kirche in dieser Zeit bereit war, sich auf ihre tieferen Ursachen hin befragen zu lassen."
Das zeigt sich auch zwei Wochen nach der Beisetzung von Benno Ohnesorg auf dem evangelischen Kirchentag. Der findet 67 ebenfalls in Hannover statt.
Diskussionen über Autorität
Hans Otte: "Ich habe den Kirchentag damals ja als Jugendlicher erlebt, und was mich interessiert hat, waren die Diskussionen um Autorität. Das war damals ein großes Thema. Ich hatte dann immer das Gefühl, das sind die Kirchenoberen – mehr so würdige Herren, Bischöfe und ähnliche – die versuchen, damit umzugehen. Und wir als Jugendliche hatten eigentlich nur eine Möglichkeit: durch Beifall oder Nicht-Beifall so etwas zu signalisieren. Und das Zweite war dann Entwicklungspolitik. Das war das, was auch mich oder uns damals ganz enorm beschäftigte."
Außerdem bewegt junge Protestanten wie Hans Otte die Ostpolitik. Den Anstoß dafür hatte auch die evangelische Kirche gegeben, mit ihrer "Ostdenkschrift", veröffentlicht 1965.
"Die Evangelische Kirche in Deutschland … beobachtet mit wachsender Sorge, dass die Wunden, die der Zweite Weltkrieg im Verhältnis des deutschen Volkes zu seinen östlichen Nachbarn geschlagen hat, bis heute ... noch kaum angefangen haben zu verheilen."
Die protestantische Ostdenkschrift trägt dazu bei, dass sich die Ostpolitik der Bundesrepublik nach und nach verändert. Und sie wird aufgegriffen von evangelischen Jugendlichen wie Hans Otte.
"Ja, also wir waren eine ausgesprochen muntere Truppe. Ich habe jetzt hier nochmal rausgesucht ein Flugblatt, was wir zum 17. Juni 1968 herausgegeben haben."
"Deutschland erwache! ... Oder-Neiße, DDR-Anerkennung und Vertriebene sind die Probleme von gestern! Der 17. Juni ist zum Feiertag der Satten geworden! Wir erklären ihn zum Feiertag der Hungernden, zum Feiertag der Entwicklungsländer!"
"Das ist natürlich jugendlicher Übermut, den wir da getrieben haben. Aber es zeigt so ein bisschen doch auch dieses Selbstbewusstsein von Jugendlichen, die sagen wollten: Also so, wie das bisher hier war, geht es nicht weiter."
Rudi Dutschke sind christliche Überzeugungen wichtig
Das finden damals nicht nur protestantische Jugendliche. Auch in der Studentenbewegung mischen überzeugte Protestanten mit – wie Rudi Dutschke.
"Für mich war immer die schon entscheidende realgeschichtliche Frage: Was hatte Jesus Christus da eigentlich getrieben? Wie wollte er seine Gesellschaft verändern? Und welche Mittel benutzt er?"
Rudi Dutschke 1967 im "Südwestfunk". Dutschke war zuvor in der evangelischen Jugendorganisation der DDR aktiv, der Jungen Gemeinde.
"Und so geht also das, was ich in der Vergangenheit als Christ begriffen habe, ein in meine politische Arbeit, auf dem Wege zur Realisierung vielleicht doch des Friedens auf Erden."
Für den führenden Kopf der Studentenbewegung sind seine christlichen Überzeugungen damals von großer Bedeutung, erinnert sich Dutschkes Witwe Gretchen Dutschke-Klotz:
"Also ich denke, dass er gesehen hat, dass Jesus eine Botschaft hatte, und das war die Liebe zu den Menschen – und dass man eben diese Botschaft ernst nehmen sollte und so versuchen, das durchzuführen."
Diese Botschaft Jesu will Rudi Dutschke auch in die Kirchen tragen. Weihnachten 67, die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin. Dutschke und einige andere, teils aus der Evangelischen Studentengemeinde, unterbrechen den Gottesdienst.
Gretchen Dutschke: "Man wollte an diesem Weihnachtsabend die Leute in der Kirche aufmerksam machen, dass sie nicht nur an ihre Geschenke denken sollen, sondern auch an die Situation woanders in der Welt, wo so viel Leid war."
Etwa im Vietnamkrieg. Die Studenten haben ein Plakat dabei, darauf zu sehen ist ein gefolterter Vietnamese. Darunter ein Jesuszitat:
"Was ihr getan habt einem unter diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan."
Gewaltausbrüche
Doch viele Berliner Kirchenbesucher wollen diese politische Botschaft an Weihnachten nicht hören. Einer von ihnen greift Rudi Dutschke an.
Gretchen Dutschke: "Er war ein Kriegsveteran, hatte eine Krücke und fing an, auf Rudi zu hauen. Dann kamen auch andere Leute dazu und haben Rudi festgehalten, damit er ihn richtig zusammenschlagen konnte. Da wurde Rudi auch ziemlich verletzt, Blut überall und ja – die Leute fanden das ganz okay."
Weit größere Gewaltausbrüche folgen vor und an Ostern 68. Es beginnt am 2. April mit zwei brennenden Kaufhäusern in Frankfurt am Main – angezündet unter anderem von der späteren Mitbegründerin der Roten Armee Fraktion Gudrun Ensslin. Sie kommt aus dem protestantischen Milieu – wie überdurchschnittlich viele RAF-Terroristen der ersten Generation. Ensslin ist sogar die Tochter eines Pfarrers. Ein Psychiater befragt sie 68 in der Untersuchungshaft und notiert, Ensslin …
"...wollte in die Tat umsetzen, was sie letztendlich im Pfarrhaus gelernt hatte."
Zwei Tage später wird die Stimmung in Deutschland von Nachrichten aus den USA weiter angeheizt.
Hans Otte: "Das hat etwas gedauert, bis wir kapiert haben, dass bei Martin Luther King der Vorname Martin Luther war. Wir waren aber sehr stolz darauf. Also das war offensichtlich Martin Luther so, wie wir ihn uns vorstellten."
Hans Otte geht in Hannover noch zur Schule, als der evangelische Prediger Martin Luther King in Memphis erschossen wird, am 4. April 68. Das bewegt auch die evangelische Jugend in Deutschland. Werner Peter, damals 19 Jahre, erinnert sich an die Andacht einer Jugendgruppe in Verden bei Bremen, zwei Tage nach Kings Tod. Eine außergewöhnliche Andacht.
Werner Peter: "Wenn dann jemand kommt und sagt: Ihr müsst pünktlich sein. Und er stellt ein Kofferradio da hin, es laufen die Nachrichten. Dann ist das etwas schon sehr Bemerkenswertes."
Die Nachrichten behandeln Kings Ermordung und die darauf folgenden Rassenunruhen in den USA. Danach spricht der junge Protestant, der in Verden die Andacht leitet, ein Gebet:
"Wir sahen, dass in dem Land, das wir lange als Heimat der Freiheit angesehen haben, Ungerechtigkeit und soziale Ausbeutung herrschen … die größte Bedrohung für den Weltfrieden (ist) die jetzige USA. … Dies begreifen wir, weil wir aus der Geschichte des Jesus von Nazareth und seiner Solidarität mit den Unterdrückten gelernt haben … Amen."
Werner Peter: "Die Reaktionen waren auch entsprechend heftig. Also das wollte man nicht als Andacht anerkennen, viele."
Religion und Revolte
Nur eine Jugendandacht, aber sie zeigt, wie sie sich Ende der 60er Jahre die Hände reichen: Religion und Revolte. Eine Woche nach dem Tod von Martin Luther King wird in Berlin auch auf Rudi Dutschke geschossen. Es folgen die Osterunruhen mit heftigen Straßenschlachten. Und die Studentenproteste machen erneut auch an den Kirchentüren nicht halt.
"Ein Zug von Demonstranten in Frankfurt traf sich am Bahnhof und stürmte verschiedene evangelische Kirchen auch – unter anderem hier die Peterskirche, in der wir jetzt sitzen – wo der Karfreitagsgottesdienst am Morgen stattfand und dann eine Gruppe von stürmenden Studenten den Gottesdienst sprengte."
Doch die Anliegen der Studenten stoßen bei den meisten Gottesdienstbesuchern auf Ablehnung, erklärt die Historikerin Katharina Kunter.
"1968, wenn man das auf die Studentenbewegung bezieht, muss man sich glaube ich doch klarmachen, dass die Mehrheit der evangelischen Kirche eben doch viel konservativer und autoritätsgläubiger war, und die Mehrheit unterstützte die Anliegen der Studenten eigentlich überhaupt nicht."
Warum haben sich die Studenten dann auch Kirchen als Orte des Protests ausgesucht?
Katharina Kunter: "Die Kirchen standen für diese Verhältnisse, die umgestürzt werden sollten. In vielerlei Hinsicht konnte man das auch so sehen, denn die Kirchen waren ja nicht – so wie heute – sehr basisorientiert, sondern männerdominiert und es waren keine modernen jugendlichen inklusiven Formen in der Kirche, wie wir sie heute kennen. Die Gottesdienste waren traditionell und boten auch nicht viele Öffnungsräume für die modernen Fragestellungen."
Ändern will das die Theologin Dorothee Sölle. Ab Herbst 68 beteiligt sie sich an den "Politischen Nachtgebeten". Auf dem Katholikentag in Essen erprobt, haben diese Gebete in der evangelischen Antoniterkirche in Köln schnell großen Zulauf. Für viel Aufsehen, auch Kritik, sorgt das von Dorothee Sölle abgewandelte Glaubensbekenntnis.
"… ich glaube an jesus christus
… jeden tag habe ich angst
dass er umsonst gestorben ist
weil er in unseren kirchen verscharrt ist
weil wir seine revolution verraten haben"
… jeden tag habe ich angst
dass er umsonst gestorben ist
weil er in unseren kirchen verscharrt ist
weil wir seine revolution verraten haben"
"Die Verheißung, die etwa in der Bibel ausgedrückt ist, dass jeder Mensch die Chance des ewigen Lebens hat, die ermutigt uns dazu, an einer Veränderung der Zustände zu arbeiten, so dass auch der Einzelne ein erfülltes Leben gewinnen kann."
Dorothee Sölle 1969 im "Südwestfunk". Viele junge Protestanten wie Hans Otte verfolgen damals begeistert diese christliche Gesellschaftskritik.
Nicht nur die Kirche der alten Männer
Hans Otte: "Da war dann Dorothee Sölle für uns eine Erlösung. Die bot ein Verständnis von Theologie und Kirche an, mit dem wir uns identifizieren konnten und sagen konnten: Ja, das ist auch Kirche und das ist nicht die Kirche nur der alten Männern, sondern da wird doch versucht, Kirche auch darzustellen als jemanden, der vorwärts drängt und Menschenrechte auch einfordert."
Mit den "alten Männern" in der Kirche geraten die Jungen immer wieder aneinander. So auch Werner Peter, der damals eine evangelische Jugendgruppe leitet in der niedersächsischen Kleinstadt Stadthagen.
"Es gab dann einen Religionslehrer, von Beruf Pastor, aus einer sehr frommen Fraktion. Und der stellte sich vor seine Klasse und erklärte: 'Wenn Ihr mit dem Werner Peter was macht, dann habt Ihr bei mir keine Chance. Der ist der Allerletzte, das geht nicht.' Also das waren schon – da gab es schon Fronten. Wir haben aber diese Fronten ausgehalten. Wir fühlten uns da auch auf der stärkeren Seite."
Die Fronten verlaufen aber nicht immer zwischen den Generationen. Ein Beispiel dafür ist der evangelische Theologieprofessor Helmut Gollwitzer.
Gretchen Dutschke: "Gollwitzer hat wirklich an allen Demos teilgenommen. Er war wirklich einer von denen – vielleicht der einzige Professor, der immer dabei war."
Gretchen Dutschke-Klotz studiert damals bei Helmut Gollwitzer in Berlin Theologie. Zeitweise leben die Dutschkes sogar im Haus der Gollwitzers – wie viele andere Studierende auch.
"Für mich ist das äußerst wichtig, dass ich das Leben der Studenten aus nächster Nähe sehe und an ihm teilnehme."
Helmut Gollwitzer 1971 im "Sender Freies Berlin". Gollwitzer, Jahrgang 1908, ist ein Schüler Karl Barths. In der Zeit des Nationalsozialismus ist er in der Bekennenden Kirche aktiv, die sich gegen das Hitler-Regime zur Wehr setzt. Später vertritt Gollwitzer sozialistische Positionen, wie hier bei einer Predigt in Berlin-Dahlem 1971.
"Oben zu stehen und nach unten schauen – verächtlich nach unten schauen zu können: Darauf beruht unsere ganze Gesellschaftsordnung."
Solche Sätze kommen an in der Studentenbewegung – auch bei denen, die mit der Kirche eigentlich nichts anfangen können, erinnert sich Gretchen Dutschke-Klotz.
"Die meisten Studenten im SDS, die haben das nicht verstanden: 'Warum seid Ihr überhaupt religiös?' Aber Gollwitzer haben sie alle gut gefunden, weil er immer dabei war, immer das Richtige gemacht hat."
Mit seinem Linksprotestantismus steht Helmut Gollwitzer in der evangelischen Kirche allerdings eher am Rand. Doch auch die Spitzenvertreter der EKD kommen 68 nicht daran vorbei, sich mit den Themen der Studentenbewegung auseinanderzusetzen.
"Deutschlands evangelische Spitzenchristen gaben fern der Heimat sich und anderen Rätsel auf: Im schwedischen Uppsala beratschlagten die Führer der Evangelischen Kirche in den beiden letzten Wochen über Revolution und Gewalt fast so intensiv wie über Nächstenliebe und Barmherzigkeit."
So beschreibt der "Spiegel" im Juli 68 die Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen. Vertreter von über 200 Kirchen, vor allem protestantische und orthodoxe Christen, kommen zu der Konferenz nach Schweden. Ein Teilnehmer aus den USA will laut dem "Spiegel" sogar das Vaterunser neu übersetzen:
"Deine Revolution komme!"
Revolution durch die Kirche und Revolution in der Kirche
Die Historikerin Katharina Kunter: "Eine Botschaft von Uppsala 1968 war zu sagen: Das, was Christen hier auf der Welt können, ist, das Reich Gottes vorwegzunehmen."
"Und das bedeutete in der größeren theologischen Dimension auch, dass man wegkommt von dem metaphysischen Bild von Christus, der weit oben als vielleicht Retter des Königreiches steht – dass Jesus Christus sehr viel stärker menschlich, anthropologisch gedeutet wurde und dass ein Großteil der ökumenischen Bewegung davon überzeugt war, dass man das Reich Gottes jetzt hier auf dieser Welt revolutionär verändern kann."
Revolution durch die Kirche und Revolution in der Kirche: Auf die Spitze treibt diese Ideen unter den deutschen Protestanten die Celler Konferenz. Sie trifft sich erstmals im Oktober 68 in der niedersächsischen Kleinstadt Celle. "60 antiautoritäre Studenten, Pfarrer und Vikare", wie der "Spiegel" damals schreibt.
"Sie sangen die Internationale und grüßten 'Jesu, geh voran' - bis ihnen gegen Mitternacht der Text ausging. Das ‚Hauptziel‘ nannte der Frankfurter Vikar Rolf Trommershäuser, 29: 'Die Zerstörung des Kapitalismus. Die Zerschlagung der Kirche ist nur ein erwünschtes Nebenziel.'"
So schildert der "Spiegel" das zweite Treffen der Celler Konferenz im März 69, dieses Mal in Bochum.
Hans Otte: "Sie waren entschieden der Meinung, dass diese bürgerliche Kirche eigentlich die Botschaft von Jesus zerstört."
Der Theologe Hans Otte ist nicht nur ein Zeitzeuge der 68er, sondern auch Experte für die jüngere Kirchengeschichte:
"Diejenigen, die dann in die Gemeinden gingen, die sind dann ganz schnell gescheitert, landeten auf dem Boden der Tatsachen. Einige von diesen sind dann aus der Kirche ausgetreten. Das gab dann ein großes Freudengeheul bei den richtig konservativen, die sagten: ‚Da sieht man es. Die haben eigentlich mit Kirche gar nichts im Sinn gehabt.‘ Das war aber falsch, denn es war ursprünglich schon wirklich der Wille, etwas von der radikalen Verkündigung von Jesus in der Kirche auch sichtbar zu machen und dann auch durchzusetzen. Es vertrug sich aber eben nicht mit normalen Sonntagsgottesdiensten."
"Wir kämpfen darum, mit Hilfe des kirchlichen Machtapparats mitwirken zu können an allen emanzipatorischen Bestrebungen. Wir werden jeder für sich versuchen, in die Kirche einzusickern. In Zukunft wird man nie wissen, ob nicht im schwarzen Rock ein Roter steckt."
Das erklärt die Celler Konferenz 1968. Einige ihrer Mitglieder werden später, nach dem Radikalenerlass, aus dem kirchlichen Dienst entlassen. Wie viel 68 steckt also heute noch in der evangelischen Kirche?
Kirche nachhaltig verändert
Katharina Kunter: "Insgesamt wurde Kirche – auch wenn man noch heute Kritik daran haben kann – aber sehr viel weniger elitenorientiert. Sie wurde inklusiver."
Werner Peter: "Ganz andere Themen wurden diskutiert: Theologie der Befreiung, der Kontext zur Dritten Welt – das waren neue Fragestellungen und das hat aus meiner Sicht unsere Kirche nachhaltig verändert."
Hans Otte: "Verändert hat sich ganz stark damals die Frauenfrage."
Katharina Kunter: "Jugendliche, Frauen, Laien, andere Berufsgruppen fanden mehr und mehr einen Raum."
Hans Otte: "Was sich wirklich verändert hat, ist die Struktur in den Kirchengemeinden – dass jedenfalls dort, wo es gutgeht, Kirchenvorstände sehr viel selbstbewusster sind gegenüber den Pfarrern."
Werner Peter: "Also das ist unvergleichlich, was heute unsere Kirche vertritt und das, was sie 1968 vertreten hätte."
Und noch etwas anderes ändert sich ab 68 für die evangelische Kirche – und auch für die katholische: Die Zahl der Kirchenaustritte steigt erheblich an.