Bettina Klein: Vor einigen Wochen war die Empörung groß: Unbegrenzter Ankauf von Staatsanleihen, auf welch heikles Gelände begibt sich die Europäische Zentralbank da eigentlich? Inzwischen scheint die Europapolitik etwas weniger umstritten, als noch vor kurzer Zeit. Die Stimmen der Kritiker scheinen, etwas leiser zu werden; verstummt sind sie nicht. Die Bundesbank wie auch eine Reihe von Ökonomen haben sich kurz vor dem Besuch von Mario Draghi heute im Bundestag erneut kritisch geäußert. Fraglich ist, was will er heute im deutschen Parlament erklären oder auch erreichen, was möchten die Abgeordneten gerne wissen.
Einer der Abgeordneten, die heute Fragen stellen werden, ist Steffen Kampeter von der CDU. Er ist zugleich Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen, Herr Kampeter.
Steffen Kampeter: Guten Morgen, Frau Klein.
Klein: Was wird Ihre kritischste Frage an Mario Draghi heute sein im Bundestag?
Kampeter: Na ja, also erst mal hören wir mal zu. Das ist ja jetzt kein Staatsbesuch, sondern ist ein Informationsaustausch zwischen den Abgeordneten und einem wesentlichen Repräsentanten der europäischen Geldpolitik. Mir scheint, das ein bisschen überhöht zu sein. Der EZB-Präsident war kurz nach seinem Antritt schon mal zu Vorträgen in Deutschland, ist regelmäßig in Gesprächen sowohl mit Parlamentariern wie mit Regierungsvertretern und anderen Multiplikatoren in Deutschland. Ich finde, die Debatte und die Erwartungshaltung muss man wieder normalisieren. Mario Draghi wird seine Politik erklären und die Abgeordneten werden fragen, je nachdem was er vorträgt.
Klein: Also wir halten mal fest: Sie haben keine kritischen Fragen mehr an Mario Draghi, bezüglich der EZB-Politik sind alle Bedenken ausgeräumt?
Kampeter: Frau Klein, das ist eine Verkürzung meiner Antwort, sondern ich habe gesagt, ich höre jetzt erst mal zu, was er zu sagen hat, ich erwarte keine Neuerung. Das Aufkaufprogramm der EZB kann man kritisch sehen, die Besorgnisse muss man ernst nehmen. Wichtig ist aus Sicht der Bundesregierung, dass die EZB im Rahmen ihres Mandates Inflationsbekämpfung erarbeitet. Das ist der Auftrag, den diese Institution hat. Und ich habe keinen Zweifel, dass sich Mario Draghi dessen bewusst ist und dass er auf diesen Missionsauftrag der EZB besonderen Wert legt auch in der Kommunikation gegenüber dem Deutschen Bundestag. Das halte ich für selbstverständlich. Und je nachdem, was er vorträgt, muss man dann kritisch nachfragen.
Klein: Aber vieles liegt ja auf dem Tisch und ist ja bekannt, Herr Kampeter, und die Fragen nach dem Mandat der EZB werden seit Wochen und Monaten debattiert. Ich zitiere mal den Unions-Fraktionsvize Michael Meister, also ein Abgeordneter aus Ihrer Fraktion. Der sagt, er erwartet ein klares Bekenntnis zur Geldwertstabilität und eine klare Ablehnung der Staatsfinanzierung durch die EZB. Das heißt, für Sie ist das bereits geklärt, Sie brauchen diese Art von Erklärung nicht?
Kampeter: Ich kann die Kritik an den bisherigen Aktivitäten der EZB nur teilweise nachvollziehen. Experten weisen unter anderem ja darauf hin, dass die EZB mit den Aufkäufen am Sekundärmarkt ja nicht lediglich Risiken kumuliert, sondern vielmehr auch Gewinne mobilisiert, denn sie kauft ja die Staatspapiere nicht zum Wert von 100, sondern deutlich niedriger auf, und wenn sie fällig werden, realisiert die Europäische Zentralbank einen Gewinn. Und zum anderen – daran hat Mario Draghi und seine Kollegen ja nie einen Zweifel gelassen – werden sie ihre Gewinne in diesem Bereich neutralisieren. Das ist ein technischer Begriff. Der heißt aber, dass die Geldpolitik das Geldmengenwachstum, das aus solchen Aktivitäten auf den Sekundärmärkten erfolgt, durch andere Instrumente, die der EZB zur Verfügung stehen, begrenzt und damit auch dem Hauptauftrag der EZB Rechnung trägt, nämlich Inflationsbekämpfung zu machen, und in dem beiden Verbund muss man im Detail gucken, ob die EZB mittel- und langfristig eine kluge Exit-Strategie hat. Das lässt sich heute noch nicht abschließend beurteilen.
Aber Besorgnisse muss man ernst nehmen, aber man darf sie auch nicht überhöhen. Die EZB hat in der Vergangenheit einen guten Job geleistet, in der Krise handelt sie im Rahmen des Mandates, und jetzt muss sie diese Mandatswahrnehmung gegenüber der europäischen Öffentlichkeit erklären. Heute macht sie das im Deutschen Bundestag und das finde ich gut.
Klein: Jetzt haben wir noch ein bisschen Lob über die EZB gehört. – Ich frage noch mal: Jens Weidmann, der Präsident der Bundesbank, hat kurz vor dem Besuch von Mario Draghi am Montag noch mal gesagt: "Je wirksamer die Geldpolitik mit ihren Maßnahmen die Finanzsysteme der Krisenländer stützt, desto stärker werden Risiken auf die Bilanz des Eurosystems übertragen und letztlich auch auf die Steuerzahler der Mitgliedsländer insgesamt umverteilt." So richtig viel Unterstützung bekommt er für seine Haltung nicht. Kann er da ruhig so alleine stehen bleiben mit seiner Meinung, wie das im Augenblick den Anschein erweckt?
Kampeter: Frau Klein, ich habe gerade gesagt, man muss diese Kritik ernst nehmen und man muss schauen, ob die vorübergehenden Kriseninterventionen – das gilt ja nicht nur für die EZB, sondern das gilt ja auch für die europäischen Akteure insgesamt – mit Nachlassen der Krise auch sogenannte Exit-Strategien beinhalten. Das bedeutet für die EZB, ob sie die Bilanzbereinigung, die Jens Weidmann fordert, dann auch vornimmt. Ich habe aber neben der öffentlichen Debatte eigentlich aus Kenntnis der beiden Personen überhaupt gar keinen Zweifel, dass sie sich dieser Herausforderung bewusst sind, und dass eine krisenbedingt aufgeblähte Bilanz der EZB kein Dauerzustand ist, daran kann doch sowohl aus Sicht der Politik, aber auch aus Sicht der Geldpolitik überhaupt gar kein Zweifel bestehen.
Klein: Und genau da werfen Finanzpolitiker anderer Parteien im Deutschen Bundestag noch andere Fragen auf: Zum Beispiel, wie es mit der Transparenz der EZB aussieht – nun, da sie nicht mehr nur im ganz klassischen Sinne auf die Geldpolitik beschränkt bleibt, sondern im gewissen Sinne auch zu einer Bankenretterin, zu einer Staatenretterin damit möglicherweise auch geworden ist. Muss da deutlich mehr Transparenz her auch aus Ihrer Sicht?
Kampeter: Die Forderung nach Transparenz dient ja der Einschränkung der Unabhängigkeit der Bundesbank bei der Ausübung ihres geldpolitischen Mandates. Nun kann man der Auffassung sein, dass unabhängige Zentralbanken etwas Unsinniges sind. Ich habe aber mit der Bundesbank und mit der Europäischen Zentralbank in den vergangenen Jahrzehnten (und viele andere Deutsche und Europäer ja auch) gute Erfahrungen gehabt. Vergleicht man die Performance dieser Institutionen an ihrem Hauptauftrag, nämlich Inflationsbekämpfung, dann muss man sagen, da ist die Europäische Zentralbank außerordentlich erfolgreich. Sie ist sensibler als beispielsweise ihre transatlantischen Partner, was die Geldmengensteuerung und damit die Inflationsgefahren angeht, sie ist sehr, sehr engagiert, dieses auch gegenüber der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Die Unabhängigkeit der Zentralbank bei ihrer Geldpolitik gilt ja nicht nur, wenn einem das gefällt, was sie macht, sondern auch, wenn man das kritisch sieht, und deswegen ist sie in jeder Situation zu respektieren. Sie dankt es uns mit einer inflationsarmen Zone in der Euro-Zone.
Klein: Ich formuliere es noch mal etwas konkreter. Gerhard Schick, der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, etwa wird heute fragen: Bei massivem Ankauf von Staatsanleihen bisher, wo genau ist das Geld hin, wer wacht darüber, in welchem Umfang wird geholfen? Das interessiert Sie als Abgeordneter nicht, beziehungsweise sagen Sie, das darf mich nicht interessieren, weil das würde die Unabhängigkeit der EZB einschränken?
Kampeter: Frau Klein, ich bin gespannt auf die Antwort, die Präsident Draghi heute Nachmittag dazu geben wird, ob sie sich mit den bisherigen Einschätzungen deckt, die ich habe. Aber – und das zeigt ja auch die Nichtöffentlichkeit der Veranstaltung – ich empfehle es nicht, alle Fragen der Geldpolitik im Detail in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Das Vertrauen in die europäische Geldpolitik hängt auch ein Stück weit aus der Vergangenheit damit zusammen, dass es so konzipiert ist, dass man es nicht berechnen konnte, was die Europäische Zentralbank macht. Vollständige Transparenz würde die Effektivität der Geldpolitik einschränken und damit die Inflationsgefahren steigern. Ich bin sicher, aus diesem Aspekt wird Mario Draghi auch auf eine entsprechende Frage antworten.
Klein: Stichwort Bankenaufsicht, Herr Kampeter. Die soll ja wie geplante bei der EZB angesiedelt werden. Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um mögliche Interessenkonflikte mit der Geldpolitik der EZB dabei zu vermeiden?
Kampeter: Geldpolitik bedarf Unabhängigkeit, Bankenaufsicht bedarf Transparenz und Legitimität, und deswegen haben ja auch die europäischen Staats- und Regierungschefs beide Seiten in ihren Erklärungen zur Bankenunion deutlich gemacht. Es ist nun an der Kommission und der EZB, hierzu einem organisatorischen Rahmen zu schaffen. Das haben sie sich vorgenommen bis zum Ende des Jahres. Ich glaube, dass die EZB in einem ersten Schritt – so sind ja auch die Vorschläge von Herrn van Rompuy – sich in der Bankenaufsicht auf die global tätigen und grenzüberschreitenden europäischen Institute konzentrieren wird, und dass zukünftig die nationalen Aufseher wie in Deutschland die sehr erfolgreich arbeitende BaFin eine Rolle spielen wird. Wie das im Detail aussehen wird, wird in den nächsten Wochen und Monaten zu diskutieren und dann von den europäischen und nationalen Institutionen zu entscheiden sein.
Klein: ... und wird heute auch Thema sein im Bundestag?
Kampeter: Wie bitte?
Klein: ... wird heute auch Thema sein mit Herrn Draghi?
Kampeter: Ich gehe natürlich davon aus, dass Draghi zu diesem Thema befragt wird, und ich denke mal, dass er seine Vorstellungen, die er in der Vergangenheit ja auch öffentlich geäußert hat, dass Qualität auch ihre Zeit braucht und dass deswegen nicht unmittelbar mit Beginn des Jahres, sondern eher im Verlauf des Jahres 2013 mit einer effektiven Kontrolle durch die Europäische Zentralbank und ihrer Partnerinstitutionen zu rechnen ist, dort noch einmal wiederholen wird.
Klein: Abschließende Frage, Herr Kampeter, mit Bitte um eine kurze Antwort. Die "Süddeutsche Zeitung" titelt heute, "Athen bekommt mehr Zeit", nämlich genau genommen zwei Jahre, um die Neuverschuldung unter die drei Prozent Obergrenze zu drücken, statt 2014 erst 2016. Können Sie das bestätigen?
Kampeter: Nein, das kann ich nicht bestätigen, denn die "Süddeutsche Zeitung" weiß auch nicht mehr als die Bundesregierung. Die wartet auf den Troika-Bericht. Dann werden wir prüfen, was die Troika vorschlägt. Die "Süddeutsche Zeitung" beschreibt ja selbst in ihrem Bericht, dass es sich lediglich um Entwürfe, sprich um Spekulationen handelt. Sobald der Troika-Bericht abgestimmt vorliegt – dazu kann man Herrn Draghi ja auch befragen, wann das aus Sicht der EZB sein wird -, werden wir entscheiden. Alles vorher ist Kaffeesatzleserei.
Klein: Steffen Kampeter, der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, heute im Interview mit dem Deutschlandfunk. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Kampeter, und auf Wiederhören.
Kampeter: Herzlich gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Einer der Abgeordneten, die heute Fragen stellen werden, ist Steffen Kampeter von der CDU. Er ist zugleich Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesfinanzministerium und jetzt bei uns am Telefon. Guten Morgen, Herr Kampeter.
Steffen Kampeter: Guten Morgen, Frau Klein.
Klein: Was wird Ihre kritischste Frage an Mario Draghi heute sein im Bundestag?
Kampeter: Na ja, also erst mal hören wir mal zu. Das ist ja jetzt kein Staatsbesuch, sondern ist ein Informationsaustausch zwischen den Abgeordneten und einem wesentlichen Repräsentanten der europäischen Geldpolitik. Mir scheint, das ein bisschen überhöht zu sein. Der EZB-Präsident war kurz nach seinem Antritt schon mal zu Vorträgen in Deutschland, ist regelmäßig in Gesprächen sowohl mit Parlamentariern wie mit Regierungsvertretern und anderen Multiplikatoren in Deutschland. Ich finde, die Debatte und die Erwartungshaltung muss man wieder normalisieren. Mario Draghi wird seine Politik erklären und die Abgeordneten werden fragen, je nachdem was er vorträgt.
Klein: Also wir halten mal fest: Sie haben keine kritischen Fragen mehr an Mario Draghi, bezüglich der EZB-Politik sind alle Bedenken ausgeräumt?
Kampeter: Frau Klein, das ist eine Verkürzung meiner Antwort, sondern ich habe gesagt, ich höre jetzt erst mal zu, was er zu sagen hat, ich erwarte keine Neuerung. Das Aufkaufprogramm der EZB kann man kritisch sehen, die Besorgnisse muss man ernst nehmen. Wichtig ist aus Sicht der Bundesregierung, dass die EZB im Rahmen ihres Mandates Inflationsbekämpfung erarbeitet. Das ist der Auftrag, den diese Institution hat. Und ich habe keinen Zweifel, dass sich Mario Draghi dessen bewusst ist und dass er auf diesen Missionsauftrag der EZB besonderen Wert legt auch in der Kommunikation gegenüber dem Deutschen Bundestag. Das halte ich für selbstverständlich. Und je nachdem, was er vorträgt, muss man dann kritisch nachfragen.
Klein: Aber vieles liegt ja auf dem Tisch und ist ja bekannt, Herr Kampeter, und die Fragen nach dem Mandat der EZB werden seit Wochen und Monaten debattiert. Ich zitiere mal den Unions-Fraktionsvize Michael Meister, also ein Abgeordneter aus Ihrer Fraktion. Der sagt, er erwartet ein klares Bekenntnis zur Geldwertstabilität und eine klare Ablehnung der Staatsfinanzierung durch die EZB. Das heißt, für Sie ist das bereits geklärt, Sie brauchen diese Art von Erklärung nicht?
Kampeter: Ich kann die Kritik an den bisherigen Aktivitäten der EZB nur teilweise nachvollziehen. Experten weisen unter anderem ja darauf hin, dass die EZB mit den Aufkäufen am Sekundärmarkt ja nicht lediglich Risiken kumuliert, sondern vielmehr auch Gewinne mobilisiert, denn sie kauft ja die Staatspapiere nicht zum Wert von 100, sondern deutlich niedriger auf, und wenn sie fällig werden, realisiert die Europäische Zentralbank einen Gewinn. Und zum anderen – daran hat Mario Draghi und seine Kollegen ja nie einen Zweifel gelassen – werden sie ihre Gewinne in diesem Bereich neutralisieren. Das ist ein technischer Begriff. Der heißt aber, dass die Geldpolitik das Geldmengenwachstum, das aus solchen Aktivitäten auf den Sekundärmärkten erfolgt, durch andere Instrumente, die der EZB zur Verfügung stehen, begrenzt und damit auch dem Hauptauftrag der EZB Rechnung trägt, nämlich Inflationsbekämpfung zu machen, und in dem beiden Verbund muss man im Detail gucken, ob die EZB mittel- und langfristig eine kluge Exit-Strategie hat. Das lässt sich heute noch nicht abschließend beurteilen.
Aber Besorgnisse muss man ernst nehmen, aber man darf sie auch nicht überhöhen. Die EZB hat in der Vergangenheit einen guten Job geleistet, in der Krise handelt sie im Rahmen des Mandates, und jetzt muss sie diese Mandatswahrnehmung gegenüber der europäischen Öffentlichkeit erklären. Heute macht sie das im Deutschen Bundestag und das finde ich gut.
Klein: Jetzt haben wir noch ein bisschen Lob über die EZB gehört. – Ich frage noch mal: Jens Weidmann, der Präsident der Bundesbank, hat kurz vor dem Besuch von Mario Draghi am Montag noch mal gesagt: "Je wirksamer die Geldpolitik mit ihren Maßnahmen die Finanzsysteme der Krisenländer stützt, desto stärker werden Risiken auf die Bilanz des Eurosystems übertragen und letztlich auch auf die Steuerzahler der Mitgliedsländer insgesamt umverteilt." So richtig viel Unterstützung bekommt er für seine Haltung nicht. Kann er da ruhig so alleine stehen bleiben mit seiner Meinung, wie das im Augenblick den Anschein erweckt?
Kampeter: Frau Klein, ich habe gerade gesagt, man muss diese Kritik ernst nehmen und man muss schauen, ob die vorübergehenden Kriseninterventionen – das gilt ja nicht nur für die EZB, sondern das gilt ja auch für die europäischen Akteure insgesamt – mit Nachlassen der Krise auch sogenannte Exit-Strategien beinhalten. Das bedeutet für die EZB, ob sie die Bilanzbereinigung, die Jens Weidmann fordert, dann auch vornimmt. Ich habe aber neben der öffentlichen Debatte eigentlich aus Kenntnis der beiden Personen überhaupt gar keinen Zweifel, dass sie sich dieser Herausforderung bewusst sind, und dass eine krisenbedingt aufgeblähte Bilanz der EZB kein Dauerzustand ist, daran kann doch sowohl aus Sicht der Politik, aber auch aus Sicht der Geldpolitik überhaupt gar kein Zweifel bestehen.
Klein: Und genau da werfen Finanzpolitiker anderer Parteien im Deutschen Bundestag noch andere Fragen auf: Zum Beispiel, wie es mit der Transparenz der EZB aussieht – nun, da sie nicht mehr nur im ganz klassischen Sinne auf die Geldpolitik beschränkt bleibt, sondern im gewissen Sinne auch zu einer Bankenretterin, zu einer Staatenretterin damit möglicherweise auch geworden ist. Muss da deutlich mehr Transparenz her auch aus Ihrer Sicht?
Kampeter: Die Forderung nach Transparenz dient ja der Einschränkung der Unabhängigkeit der Bundesbank bei der Ausübung ihres geldpolitischen Mandates. Nun kann man der Auffassung sein, dass unabhängige Zentralbanken etwas Unsinniges sind. Ich habe aber mit der Bundesbank und mit der Europäischen Zentralbank in den vergangenen Jahrzehnten (und viele andere Deutsche und Europäer ja auch) gute Erfahrungen gehabt. Vergleicht man die Performance dieser Institutionen an ihrem Hauptauftrag, nämlich Inflationsbekämpfung, dann muss man sagen, da ist die Europäische Zentralbank außerordentlich erfolgreich. Sie ist sensibler als beispielsweise ihre transatlantischen Partner, was die Geldmengensteuerung und damit die Inflationsgefahren angeht, sie ist sehr, sehr engagiert, dieses auch gegenüber der Öffentlichkeit zu kommunizieren. Die Unabhängigkeit der Zentralbank bei ihrer Geldpolitik gilt ja nicht nur, wenn einem das gefällt, was sie macht, sondern auch, wenn man das kritisch sieht, und deswegen ist sie in jeder Situation zu respektieren. Sie dankt es uns mit einer inflationsarmen Zone in der Euro-Zone.
Klein: Ich formuliere es noch mal etwas konkreter. Gerhard Schick, der finanzpolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, etwa wird heute fragen: Bei massivem Ankauf von Staatsanleihen bisher, wo genau ist das Geld hin, wer wacht darüber, in welchem Umfang wird geholfen? Das interessiert Sie als Abgeordneter nicht, beziehungsweise sagen Sie, das darf mich nicht interessieren, weil das würde die Unabhängigkeit der EZB einschränken?
Kampeter: Frau Klein, ich bin gespannt auf die Antwort, die Präsident Draghi heute Nachmittag dazu geben wird, ob sie sich mit den bisherigen Einschätzungen deckt, die ich habe. Aber – und das zeigt ja auch die Nichtöffentlichkeit der Veranstaltung – ich empfehle es nicht, alle Fragen der Geldpolitik im Detail in der Öffentlichkeit zu diskutieren. Das Vertrauen in die europäische Geldpolitik hängt auch ein Stück weit aus der Vergangenheit damit zusammen, dass es so konzipiert ist, dass man es nicht berechnen konnte, was die Europäische Zentralbank macht. Vollständige Transparenz würde die Effektivität der Geldpolitik einschränken und damit die Inflationsgefahren steigern. Ich bin sicher, aus diesem Aspekt wird Mario Draghi auch auf eine entsprechende Frage antworten.
Klein: Stichwort Bankenaufsicht, Herr Kampeter. Die soll ja wie geplante bei der EZB angesiedelt werden. Welche Maßnahmen müssen ergriffen werden, um mögliche Interessenkonflikte mit der Geldpolitik der EZB dabei zu vermeiden?
Kampeter: Geldpolitik bedarf Unabhängigkeit, Bankenaufsicht bedarf Transparenz und Legitimität, und deswegen haben ja auch die europäischen Staats- und Regierungschefs beide Seiten in ihren Erklärungen zur Bankenunion deutlich gemacht. Es ist nun an der Kommission und der EZB, hierzu einem organisatorischen Rahmen zu schaffen. Das haben sie sich vorgenommen bis zum Ende des Jahres. Ich glaube, dass die EZB in einem ersten Schritt – so sind ja auch die Vorschläge von Herrn van Rompuy – sich in der Bankenaufsicht auf die global tätigen und grenzüberschreitenden europäischen Institute konzentrieren wird, und dass zukünftig die nationalen Aufseher wie in Deutschland die sehr erfolgreich arbeitende BaFin eine Rolle spielen wird. Wie das im Detail aussehen wird, wird in den nächsten Wochen und Monaten zu diskutieren und dann von den europäischen und nationalen Institutionen zu entscheiden sein.
Klein: ... und wird heute auch Thema sein im Bundestag?
Kampeter: Wie bitte?
Klein: ... wird heute auch Thema sein mit Herrn Draghi?
Kampeter: Ich gehe natürlich davon aus, dass Draghi zu diesem Thema befragt wird, und ich denke mal, dass er seine Vorstellungen, die er in der Vergangenheit ja auch öffentlich geäußert hat, dass Qualität auch ihre Zeit braucht und dass deswegen nicht unmittelbar mit Beginn des Jahres, sondern eher im Verlauf des Jahres 2013 mit einer effektiven Kontrolle durch die Europäische Zentralbank und ihrer Partnerinstitutionen zu rechnen ist, dort noch einmal wiederholen wird.
Klein: Abschließende Frage, Herr Kampeter, mit Bitte um eine kurze Antwort. Die "Süddeutsche Zeitung" titelt heute, "Athen bekommt mehr Zeit", nämlich genau genommen zwei Jahre, um die Neuverschuldung unter die drei Prozent Obergrenze zu drücken, statt 2014 erst 2016. Können Sie das bestätigen?
Kampeter: Nein, das kann ich nicht bestätigen, denn die "Süddeutsche Zeitung" weiß auch nicht mehr als die Bundesregierung. Die wartet auf den Troika-Bericht. Dann werden wir prüfen, was die Troika vorschlägt. Die "Süddeutsche Zeitung" beschreibt ja selbst in ihrem Bericht, dass es sich lediglich um Entwürfe, sprich um Spekulationen handelt. Sobald der Troika-Bericht abgestimmt vorliegt – dazu kann man Herrn Draghi ja auch befragen, wann das aus Sicht der EZB sein wird -, werden wir entscheiden. Alles vorher ist Kaffeesatzleserei.
Klein: Steffen Kampeter, der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium, heute im Interview mit dem Deutschlandfunk. Danke Ihnen für das Gespräch, Herr Kampeter, und auf Wiederhören.
Kampeter: Herzlich gerne!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.