"Das war das Prüfen der Seitenruder. Ob alle Mechanik so weit funktioniert."
Auf den ersten Blick scheint es so, als hantierte Thomas Kraft an einem Miniatur-Segelflugzeug. Wären da nicht die merkwürdigen Bauteile an den Tragflächen, vorne - und hinten!
"Ich habe gerade die Motorgondel hochgeklappt. Das Fluggerät hat vier Rotorblätter. Drehen so mit circa 5.000 Umdrehungen pro Minute im Einsatz."
Eine Chimäre also! Eine Mischung aus einem Flugzeug und einem Kopter. Ein unbemanntes - und ungewöhnliches - Luftgefährt!
Kopter und Drohne in einem
"Das ist ein Flächenflugzeug mit einer Spannweite der Flügel von 3,50 Meter, das aber wie ein Kopter senkrecht starten und landen kann und dann in einen normalen Flächenflug, wie man ihn vom Flugzeug kennt, übergeht und dadurch sehr, sehr lange fliegen kann."
Steven Bayer forscht am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt DLR, und zwar im Institut für Optische Sensorsysteme in Berlin, genauso wie Thomas Kraft. Der nimmt jetzt die Nase des Fliegers ab:
"Da ist 'ne Menge Elektronik drin. Da ist eine Kamera drin mit 29 Megapixeln. Ein Navigationssystem haben wir verbaut wie halt auch einen kleinen embedded PC, der die Bilder entgegennimmt von der Kamera und zum Boden schickt via LTE, klassisches Funknetz oder Telefonnetz."
Aufklärung in Echtzeit
Zu bestaunen war die Flugdrohne bis heute in Duisburg, auf der Jahrestagung der "Vereinigung zur Förderung des Deutschen Brandschutzes". Denn der unbemannte Luftaufklärer soll in Zukunft Feuerwehrleute bei Großeinsätzen unterstützen. Darum geht es im kürzlich begonnenen Forschungsprojekt ‚Live-Lage‘: Es gibt bereits Drohnen im Routine-Einsatz, zum Beispiel bei der Dortmunder Feuerwehr. Doch das sind kleine Quadro- oder Oktokopter:
"Das Gerät bleibt in der Regel stehen, beobachtet dann die Einsatzlage, kann diese auch erkunden, und Sie kriegen ein Videobild dann an den Einsatzleiter vor Ort oder halt auch teilweise in die Leitstelle. Bei uns ist es jetzt so, dass wir von Großlagen ausgehen, das heißt es sind auch mehrere hundert Meter betroffen. Wir haben nicht nur diesen einen Ausschnitt wie ein Videobild, sondern durch die Bewegung des Fluggerätes entsteht wirklich ein Kartenteppich, der die aktuelle Situation am Boden zeigt. Sie können sich das so vorstellen wie Google Earth: Das Bild wird direkt als Überlagerung in eine Karte projiziert."
Bis zu 100 km/h schnell
Die Drohne düst mit bis zu 100 Kilometern pro Stunde durch die Luft. Ihre Bordkamera schießt dabei laufend Bilder, die praktisch live in Leitstelle und Einsatzfahrzeuge übertragen werden, mit exakter Ortsangabe. Man könne sich das wie einen fliegenden Scanner vorstellen, sagt Thomas Kraft:
"Zum Beispiel bei 300 Metern Flughöhe haben wir eine Scannerbreite am Boden von 300 Metern. Mit fünf Zentimeter Bodenauflösung. Also jedes Pixel sind 5x5 Zentimeter. Personen können Sie auf jeden Fall erkennen."
In dem Projekt arbeiten die Forscher mit der Duisburger Feuerwehr zusammen. Jörg Helmrich leitet dort die Abteilung für Informations- und Kommunikationstechnik. In welchen Fällen könnte er sich den Einsatz des Luftaufklärers vorstellen? Der Elektroingenieur überlegt nicht lange. Erst vor kurzem gab es ein solches Unglück:
"Duisburg hat den größten Binnenhafen Europas. Und da passieren auch schon 'mal Unfälle. Vor gar nicht so langer Zeit, im März 2016, hatten wir einen schweren Unfall. Da ist ein Schiff explodiert, tatsächlich. Das lag auf dem Trockendock. Und durch die Wucht der Explosion sind Trümmerteile mehrere hundert Meter weit geflogen. Wir müssen da natürlich gucken. Wir müssen alles absuchen, quasi zentimetergenau. Um auszuschließen, dass nicht noch irgendwo eine Person zu Schaden gekommen ist und wir die jetzt nicht gefunden hätten."
Auch bei Rettung aus Flüssen nützlich
In einem solchen Fall wäre eine Foto-Drohne wie die des DLR äußerst hilfreich, sagt Helmrich. Ein anderes Beispiel:
"Wir haben immer wieder, rein statistisch 30 Mal im Jahr, Personen im Rhein. Und wir werden alarmiert. Jetzt hat der Rhein natürlich eine Stromgeschwindigkeit. Denjenigen aus dem Wasser zu holen, wäre noch das Einfachste am Ende des Suchens, aber ihn zu finden ist schwierig. Und das wäre eine weitere Anwendung, wo uns solch eine Drohne, die eben dann sehr schnell dem Rhein folgen und [ihn] entlangfliegen kann, dabei unterstützen kann, diese Person zu finden."
Die Drohne selbst ist keine Neuentwicklung. Die kann man schon kaufen. Woran die Forscher tüfteln, das sind die optischen Sensoren an Bord. Sie stammen aus den Labors des DLR. Dort werden vor allem Satelliteninstrumente gebaut. Thomas Kraft und sein Team passen sie für den Einsatz in ihrer Feuerwehr-Drohne an:
"Es ist so, dass wir jetzt eine Thermalkamera mit integrieren. Ein ganz neues System. Um Glutnester zu finden, um vielleicht auch nachtflugfähig zu sein. Es ist bisher nicht klar: Muss es thermal plus visuelle Kamera sein? Müssen noch andere Sensoren verbaut werden? Wir versuchen, ein System so zu entwickeln, dass es für den Bedarf der Feuerwehr wirklich funktioniert."
Mit GPS und Autopilot
Dafür sollten die unbemannten Luftaufklärer auch einigermaßen robust sein, wie Sylvia Pratzler betont. Sie ist Leitende Ingenieurin im Institut für Feuerwehr- und Rettungstechnologie in Dortmund. Dort erproben die Brandbekämpfer schon seit Jahren kleinere Drohnen. Und raus müssen sie bei jedem Wetter!
"Da sind teilweise immer noch einige Schwachstellen wie zum Beispiel die Resistenz gegenüber harschen Bedingungen. Zum Beispiel sehr starker Regen, sehr starker Wind, Hagel. Also, alles, was eigentlich an ungenehmen Wetter- und Umweltbedindungen vorhanden ist."
Es wird sich zeigen, wie die viel größere Foto-Drohne des DLR damit klar kommt. Erste Test-Einsätze bei der Duisburger Feuerwehr seien noch in diesem Jahr geplant, sagt Jörg Helmrich. Vorerst nur in Sichtweite der Einsatzkräfte. Später aber soll die Drohne ganz von der Leine - mit GPS-Zielvorgabe und Autopilot:
"Die fliegt dann los, wie ein Rettungswagen losfährt, nur eben unbemannt und völlig alleine."