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"Die Fischbestände sind ausgedünnt"

Wenn die EU die Fangquoten für fast 50 Fischbestände in der Nordsee und im Atlantik senke, bedeute dies zwar kurzfristige Einbußen für die Fischer, sagt Nina Wolff von der Deutschen Umwelthilfe. Mittel- und langfristig könnten die Fischer so aber nachhaltiger wirtschaften und besser verdienen.

Nina Wolff im Gespräch mit Benjamin Hammer |
    Benjamin Hammer: Es könnte auf eine Nachtsitzung hinauslaufen – einmal wieder -, eine dieser zähen EU-Verhandlungen von Brüssel. Doch diesmal geht es ausnahmsweise nicht um die Euro-Krise. Die Fischereiminister treffen sich ab heute und verhandeln über die Fangquoten für Fische in der Nordsee und im Atlantik. Und kollidierende Interessen sind vorprogrammiert, man denke nur man an Binnenländer wie Österreich und Küstenländer wie Griechenland. Über die Fischereipolitik der EU will ich jetzt mit Nina Wolff sprechen, sie arbeitet für die Deutsche Umwelthilfe und ist gerade vor Ort in Brüssel. Guten Tag, Frau Wolff.

    Nina Wolff: Guten Morgen, Herr Hammer, aus Brüssel.

    Hammer: Frau Wolff, essen Sie eigentlich Fisch?

    Wolff: Ja, Herr Hammer. Ich esse Fisch in Maßen und achte darauf, dass ich Fisch aus einer regionalen Fischerei zu mir nehme, einer Fischerei, die nachhaltig bewirtschaftet wird.

    Hammer: Wie steht es Ihrer Meinung nach denn um die Fischbestände in Nordsee und Atlantik?

    Wolff: Um die Fischbestände in Nordsee und Atlantik steht es heute bereits besser als noch vor einigen Jahren. Das liegt daran, dass die EU-Kommissarin Maria Damanaki seit einigen Jahren einen Fahrplan fährt, um die Bestände wieder aufzubauen, um die Bestände in Nordsee und Atlantik auf ein nachhaltiges Niveau zu bringen. Das heißt, dass wir sagen können, dass heute bereits 16 Bestände in diesem Bereich nachhaltig befischt werden können. Für viele andere gilt das aber leider immer noch nicht.

    Hammer: Die EU-Kommission, die hat den Ministern ja jetzt vorgeschlagen, die Fangquoten für fast 50 Fischbestände zu senken, und die Idee ist, wir fangen jetzt weniger Fisch und später steigert das unseren Ertrag. Können Sie uns das erklären, wie das funktioniert?

    Wolff: Ja, das kann ich Ihnen gerne erklären. Die Fischbestände sind jetzt in einem schlechten Zustand. Das heißt, dass die Fischer sich anstrengen müssen, um ihre Mengen dem Meer entnehmen zu können. Das heißt, die Fischbestände sind ausgedünnt, und dementsprechend muss man mehr Aufwand verwenden, um seinen Fang zu realisieren. Wenn die Fischbestände wieder aufgebaut werden, heißt das, dass größere Mengen Fisch sich in den Meeren befinden und dass die Fischer es leichter haben. Das heißt, ihre Kosten für Benzin et cetera sinken auch. Das bedeutet auch, dass längerfristig die Mengen insgesamt auch angehoben werden können gegenüber heute und dass die Fischer insgesamt mehr verdienen.

    Hammer: Klingt nach einer super Sache. Warum sträuben sich Fischer beziehungsweise Interessenvertreter dagegen?

    Wolff: Nun, man kann nicht sagen, dass sich alle dagegen sträuben. Es ist nun mal so, dass man kurzfristig, um zu diesem Ziel zu gelangen, Einbußen in Kauf nehmen muss. Das heißt, dass die Fischer kurzfristig erst mal weniger bekommen, um dann in dieser mittelfristigen, langfristigen Perspektive eine gesunde Wirtschaft betreiben zu können. Das ist natürlich nicht ganz leicht zu akzeptieren für viele Fischer, insbesondere in Staaten, in denen es wirtschaftlich sowieso schon schlecht geht und man Angst haben muss, dass dadurch weitere Arbeitsplätze verloren gehen.

    Hammer: Glauben Sie, dass das Treffen von Brüssel, von den Ministern ein Durchbruch wird?

    Wolff: In den vergangenen Jahren hat sich der Ministerrat mitunter schon besser verhalten als noch, sagen wir, 2005. Ich hoffe natürlich, dass sich die Minister dazu bekennen, zu diesem Nachhaltigkeitsziel, das sie alle vereinbart haben. Bereits beim Nachhaltigkeitsgipfel von Rio 2002 haben sie sich darauf geeinigt, bis 2015 alle Bestände auf ein gesundes Niveau zu bringen. Die Hoffnung ist da, allerdings muss man sagen, in der gegenwärtigen ökonomischen Situation ist es sicherlich schwierig. Ein ganz positives Signal kam heute vom Europäischen Parlament, wo der Fischereiausschuss über die Reform der gemeinsamen Fischereipolitik zu befinden hatte. Kern dieser Reform ist ebenfalls die Nachhaltigkeitsmarke MSY, dieses MSY-Prinzip, den höchst möglichen Dauerertrag jetzt umzusetzen mit einer festen Zeitgrenze, und das hat der Fischereiausschuss heute bejaht. Das heißt, das Europäische Parlament befindet sich auf dem Weg, die Reform umzusetzen, Nachhaltigkeit in der europäischen Fischerei zu realisieren.

    Hammer: Frau Wolff, wir haben jetzt nur noch ganz wenig Zeit. Ich möchte Sie trotzdem kurz fragen: Können Sie uns sagen, welche Meeresfische kann man als Kunde im Moment bedenkenlos kaufen?

    Wolff: Im Moment, wenn es um Nordseefisch geht, ist sicherlich der Hering zu empfehlen. Ich denke, die Kunden müssen sich insgesamt jährlich informieren, was gerade möglich ist, was gerade zu kaufen ist. Insgesamt denke ich aber, dass die Kunden ein bisschen mehr als Bürger Druck machen sollten auf die Politik und die Politik unter Druck setzen sollten, dass die Politik dafür sorgt, dass in unseren Supermärkten und in unseren Märkten nur nachhaltiger Fisch angeboten wird. Das ist eigentlich der richtige Weg.

    Hammer: Nina Wolff von der Deutschen Umwelthilfe, vielen Dank.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.