Jochen Steiner: "Campus & Karriere" beginnt heute mit einem Zitat aus der Doktorarbeit von Karl-Theodor zu Guttenberg. Es lautet: "Nationale Referenden sind in der amerikanischen Verfassung nicht vorgesehen. Auf der Ebene der Bundesstaaten hat sich dagegen das Instrumentarium der direkten Demokratie bis hinab auf die lokale Ebene weitgehend durchgesetzt."
Und nun ein Zitat aus der schriftlichen Fassung eines Vortrags, der 2004 am Liechtenstein-Institut gehalten wurde: "Nationale Referenden sind in der amerikanischen Verfassung nicht vorgesehen. Auf der Ebene der Bundesstaaten hat sich dagegen das Instrumentarium der direkten Demokratie bis hinab auf die lokale Ebene weitgehend durchgesetzt."
Beide Zitate sind nicht zu unterscheiden, wie die "Süddeutsche Zeitung" heute berichtet. Der Juraprofessor Andreas Fischer-Lescano hat am Wochenende entdeckt, dass einige Passagen der Dissertation von zu Guttenberg teilweise wortwörtlich mit bereits zuvor veröffentlichten Texten übereinstimmen. Zu Guttenberg soll also Teile seiner Arbeit abgeschrieben haben, so der Vorwurf, der nun geprüft wird.
Vor der Sendung konnte ich mit Volker Rieble sprechen. Er ist Jurist an der Uni München und Autor des Buches "Das Wissenschaftsplagiat". Ich habe ihn zuerst gefragt, ob ihn der aktuelle Fall überrascht.
Volker Rieble: Also jetzt bei Herrn Guttenberg hätte ich jetzt nicht damit gerechnet, dass so was passiert, weil er ja doch relativ exponiert ist, und solche Plagiate ja doch gut aufgedeckt werden können. Also das Risiko ist immer sehr hoch für den Plagiator, aber ansonsten überrascht es mich nicht. Wir haben ja ständig Plagiatentdeckungen und immer wieder die besten schönen Ausreden, wer das zu verantworten hat außer dem Autor. Nein, nein, das passiert ständig.
Steiner: Das sind also keine Einzelfälle in den Wissenschaften?
Rieble: Jeder Fall ist natürlich besonders und insofern ein Einzelfall, und man wird jetzt auch hier genau prüfen müssen, bei welchen Originalen hat Herr von und zu Guttenberg sich bedient, und ist in jedem Einzelfall das Zitierverhalten sozusagen zu beanstanden, sodass also das Original nicht ausgewiesen ist.
Da muss man ganz mühselig Seite für Seite durchgehen, um das alles zu prüfen. Aber Herr Fischer-Lescano hat das ja schon recht ordentlich gemacht, nach dem, was ich da so weiß. Das muss man dann noch mal überprüfen, und dann geht alles seinen verfahrensgemäßen Gang. Das heißt, die Universität in Bayreuth, die Herrn von und zu Guttenberg promoviert hat, wird prüfen müssen, ob die Beanstandungen der Arbeit für einen Entzug des Doktorgrades reichen.
Steiner: Ist das denn die letztendliche Konsequenz – welche weiteren Konsequenzen gibt es denn in solchen Fällen?
Rieble: Bei Prüfungsplagiaten – und dazu gehört eben auch die Dissertation – ist sozusagen der Entzug der Prüfungsleistung immer die erste Konsequenz. Der Student, der mit einer Hausarbeit mogelt, der besteht halt den Schein nicht. Daneben kommen die ganz normalen Konsequenzen in Betracht. Das sind erstens Urheberrechtliche, das ist ja auch eine Straftat. Da kann ein Originalautor, der hier bestohlen worden ist, der kann Strafanzeige stellen nach dem Urheberrechtsgesetz. Dann können Originalautoren, die beklaut worden sind, auch Unterlassung der Publikation, also der weiteren Veröffentlichung verlangen und des Vertriebes. Und natürlich kann gegebenenfalls auch Schadensersatz verlangt werden, wobei das in der Wissenschaft nicht so bedeutsam ist.
Steiner: Bei Herrn Verteidigungsminister zu Guttenberg ist da jetzt die Doktorarbeit in der Kritik, werden denn aber auch andere Arbeiten gefälscht? Wo liegen denn da so die häufigsten Fälle?
Rieble: Das kann man so schlecht sagen, es gibt ja keine wirklich solide statistische Erhebung, wie viele Plagiate kommen vor, denn das weiß ja niemand. Wir haben Zufallsfunde, eine systematische Plagiatsuche findet nicht statt und ist auch gar nicht möglich. Das heißt, es poppt immer mal irgendwo ein Zufallsfund auf, aber man kann sagen, es wird durchgängig plagiiert.
Steiner: Sie haben gesagt, das sind Zufallsfunde, aber wie kann man denn vielleicht da eine Systematik draus machen, wie kann man denn gegen Plagiate vorgehen, gibt es da Methoden?
Rieble: Nun, es gibt relativ schlechte Vergleichsprogramme, die scheitern vor allem daran, dass ja nicht alles elektronisch verfügbar ist. Wir haben keine "Reichsdatenbank", in der wir jedes Original, das uns auch elektronisch vorliegen muss, mit den anderen Originalen vergleichen können.
Hier in diesem Fall scheint es ja so zu sein, dass Herr Lescano darauf gekommen ist, indem er testweise Phrasen bei Google eingegeben hat und dann erstaunlicherweise bemerken musste, dass der Verteidigungsminister in seiner Doktorarbeit Internetquellen verwertet hat. Das ist natürlich sozusagen ein besonders risikofreudiges Plagiatorenverhalten.
Die meisten Plagiate finden so statt, dass eher abgelegene Originale ausgebeint werden. Wenn Sie von irgendeiner Dissertation aus dem Jahre 1998, die irgendwo im Magazin schon leicht verstaubt vor sich hin gammelt, mal eben 30 Seiten abschreiben, das merkt doch keiner.
Steiner: Was können denn aber vielleicht auch die Universitäten tun, um Plagiate zu verhindern?
Rieble: Na ja, gut, man müsste erstens natürlich bei den Studenten anfangen und bei den Studenten ein gewisses Verständnis für Wissenschaftsethik und Anforderungen an Originalität auch lehren, aber das kann die Universität nur, wenn sie auf der Professorenebene die Plagiate auch glaubhaft verfolgt. Das tut sie aber nicht. Das sind immer Kollegen, da gibt es das Krähensyndrom – eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus – man hat immer irgendwie Verständnis und möchte dem Kollegen nicht sozusagen an die Wäsche gehen. Das verstehe ich auch.
Ich habe ja in meinem Buch ein paar Plagiatfälle benannt, um das mal zu illustrieren, damit die Leute mal eine Vorstellung haben, was so passiert, aber da wurde ich auch als großer Nestbeschmutzer angegangen. Man ist eigentlich dem Plagiataufdecker weniger wohlgesonnen als dem Plagiator.
Steiner: Warum kupfern denn Forschende, Lehrende ab, warum wird das gemacht?
Rieble: Nun, weil ihnen selber nicht genug einfällt. Das ist ja relativ einfach: Wenn ein Forscher erfolgreich ist oder viele eigene Ideen hat, dann hat er es überhaupt nicht nötig, abzukupfern. Es sind also Menschen, die – oft auch unter Zeitdruck – Fremdtexte usurpieren, weil ihnen selber nichts einfällt.
Bei den Promotionsplagiaten kommt noch dazu, dass das vielfach Doktoranden sind, die schon lange an ihrer Arbeit sitzen und es irgendwie nicht weitergebracht haben, dann sind die im Beruf und haben einfach gar keine Zeit mehr. Und dann versucht man das irgendwie an Wochenenden zurechtzunageln, und dann ist eben der Zugriff auf den Fremdtext manchmal die bequeme Flucht vor der Qual des Selberdenkens.
Steiner: Der Juraprofessor Volker Rieble über die Plagiatsvorwürfe gegen Karl-Theodor zu Guttenberg.
Und nun ein Zitat aus der schriftlichen Fassung eines Vortrags, der 2004 am Liechtenstein-Institut gehalten wurde: "Nationale Referenden sind in der amerikanischen Verfassung nicht vorgesehen. Auf der Ebene der Bundesstaaten hat sich dagegen das Instrumentarium der direkten Demokratie bis hinab auf die lokale Ebene weitgehend durchgesetzt."
Beide Zitate sind nicht zu unterscheiden, wie die "Süddeutsche Zeitung" heute berichtet. Der Juraprofessor Andreas Fischer-Lescano hat am Wochenende entdeckt, dass einige Passagen der Dissertation von zu Guttenberg teilweise wortwörtlich mit bereits zuvor veröffentlichten Texten übereinstimmen. Zu Guttenberg soll also Teile seiner Arbeit abgeschrieben haben, so der Vorwurf, der nun geprüft wird.
Vor der Sendung konnte ich mit Volker Rieble sprechen. Er ist Jurist an der Uni München und Autor des Buches "Das Wissenschaftsplagiat". Ich habe ihn zuerst gefragt, ob ihn der aktuelle Fall überrascht.
Volker Rieble: Also jetzt bei Herrn Guttenberg hätte ich jetzt nicht damit gerechnet, dass so was passiert, weil er ja doch relativ exponiert ist, und solche Plagiate ja doch gut aufgedeckt werden können. Also das Risiko ist immer sehr hoch für den Plagiator, aber ansonsten überrascht es mich nicht. Wir haben ja ständig Plagiatentdeckungen und immer wieder die besten schönen Ausreden, wer das zu verantworten hat außer dem Autor. Nein, nein, das passiert ständig.
Steiner: Das sind also keine Einzelfälle in den Wissenschaften?
Rieble: Jeder Fall ist natürlich besonders und insofern ein Einzelfall, und man wird jetzt auch hier genau prüfen müssen, bei welchen Originalen hat Herr von und zu Guttenberg sich bedient, und ist in jedem Einzelfall das Zitierverhalten sozusagen zu beanstanden, sodass also das Original nicht ausgewiesen ist.
Da muss man ganz mühselig Seite für Seite durchgehen, um das alles zu prüfen. Aber Herr Fischer-Lescano hat das ja schon recht ordentlich gemacht, nach dem, was ich da so weiß. Das muss man dann noch mal überprüfen, und dann geht alles seinen verfahrensgemäßen Gang. Das heißt, die Universität in Bayreuth, die Herrn von und zu Guttenberg promoviert hat, wird prüfen müssen, ob die Beanstandungen der Arbeit für einen Entzug des Doktorgrades reichen.
Steiner: Ist das denn die letztendliche Konsequenz – welche weiteren Konsequenzen gibt es denn in solchen Fällen?
Rieble: Bei Prüfungsplagiaten – und dazu gehört eben auch die Dissertation – ist sozusagen der Entzug der Prüfungsleistung immer die erste Konsequenz. Der Student, der mit einer Hausarbeit mogelt, der besteht halt den Schein nicht. Daneben kommen die ganz normalen Konsequenzen in Betracht. Das sind erstens Urheberrechtliche, das ist ja auch eine Straftat. Da kann ein Originalautor, der hier bestohlen worden ist, der kann Strafanzeige stellen nach dem Urheberrechtsgesetz. Dann können Originalautoren, die beklaut worden sind, auch Unterlassung der Publikation, also der weiteren Veröffentlichung verlangen und des Vertriebes. Und natürlich kann gegebenenfalls auch Schadensersatz verlangt werden, wobei das in der Wissenschaft nicht so bedeutsam ist.
Steiner: Bei Herrn Verteidigungsminister zu Guttenberg ist da jetzt die Doktorarbeit in der Kritik, werden denn aber auch andere Arbeiten gefälscht? Wo liegen denn da so die häufigsten Fälle?
Rieble: Das kann man so schlecht sagen, es gibt ja keine wirklich solide statistische Erhebung, wie viele Plagiate kommen vor, denn das weiß ja niemand. Wir haben Zufallsfunde, eine systematische Plagiatsuche findet nicht statt und ist auch gar nicht möglich. Das heißt, es poppt immer mal irgendwo ein Zufallsfund auf, aber man kann sagen, es wird durchgängig plagiiert.
Steiner: Sie haben gesagt, das sind Zufallsfunde, aber wie kann man denn vielleicht da eine Systematik draus machen, wie kann man denn gegen Plagiate vorgehen, gibt es da Methoden?
Rieble: Nun, es gibt relativ schlechte Vergleichsprogramme, die scheitern vor allem daran, dass ja nicht alles elektronisch verfügbar ist. Wir haben keine "Reichsdatenbank", in der wir jedes Original, das uns auch elektronisch vorliegen muss, mit den anderen Originalen vergleichen können.
Hier in diesem Fall scheint es ja so zu sein, dass Herr Lescano darauf gekommen ist, indem er testweise Phrasen bei Google eingegeben hat und dann erstaunlicherweise bemerken musste, dass der Verteidigungsminister in seiner Doktorarbeit Internetquellen verwertet hat. Das ist natürlich sozusagen ein besonders risikofreudiges Plagiatorenverhalten.
Die meisten Plagiate finden so statt, dass eher abgelegene Originale ausgebeint werden. Wenn Sie von irgendeiner Dissertation aus dem Jahre 1998, die irgendwo im Magazin schon leicht verstaubt vor sich hin gammelt, mal eben 30 Seiten abschreiben, das merkt doch keiner.
Steiner: Was können denn aber vielleicht auch die Universitäten tun, um Plagiate zu verhindern?
Rieble: Na ja, gut, man müsste erstens natürlich bei den Studenten anfangen und bei den Studenten ein gewisses Verständnis für Wissenschaftsethik und Anforderungen an Originalität auch lehren, aber das kann die Universität nur, wenn sie auf der Professorenebene die Plagiate auch glaubhaft verfolgt. Das tut sie aber nicht. Das sind immer Kollegen, da gibt es das Krähensyndrom – eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus – man hat immer irgendwie Verständnis und möchte dem Kollegen nicht sozusagen an die Wäsche gehen. Das verstehe ich auch.
Ich habe ja in meinem Buch ein paar Plagiatfälle benannt, um das mal zu illustrieren, damit die Leute mal eine Vorstellung haben, was so passiert, aber da wurde ich auch als großer Nestbeschmutzer angegangen. Man ist eigentlich dem Plagiataufdecker weniger wohlgesonnen als dem Plagiator.
Steiner: Warum kupfern denn Forschende, Lehrende ab, warum wird das gemacht?
Rieble: Nun, weil ihnen selber nicht genug einfällt. Das ist ja relativ einfach: Wenn ein Forscher erfolgreich ist oder viele eigene Ideen hat, dann hat er es überhaupt nicht nötig, abzukupfern. Es sind also Menschen, die – oft auch unter Zeitdruck – Fremdtexte usurpieren, weil ihnen selber nichts einfällt.
Bei den Promotionsplagiaten kommt noch dazu, dass das vielfach Doktoranden sind, die schon lange an ihrer Arbeit sitzen und es irgendwie nicht weitergebracht haben, dann sind die im Beruf und haben einfach gar keine Zeit mehr. Und dann versucht man das irgendwie an Wochenenden zurechtzunageln, und dann ist eben der Zugriff auf den Fremdtext manchmal die bequeme Flucht vor der Qual des Selberdenkens.
Steiner: Der Juraprofessor Volker Rieble über die Plagiatsvorwürfe gegen Karl-Theodor zu Guttenberg.