Jule Reimer: Der RWE-Manager Fritz Vahrenholt wirft der Bundesregierung erneut eine verfehlte Energiepolitik vor. Die Energiewende sei überstürzt, weil sich die globalen Temperaturen seit 14 Jahren nicht verändert hätten. Das erklärt Vahrenholt heute in einem Interview mit der Neuen Osnabrücker Zeitung. Innerhalb der deutschen Industrie gehen die Meinungen über die Dringlichkeit einer Energiewende und der Gefahren des Klimawandels auseinander. Verbraucherverbände und Industrie streiten zudem über die Belastungen, die aufgrund der Strompreise für die jeweilige Seite entstehen.
Der Familienunternehmer Ulrich Grillo leitet in Duisburg einen zinkverarbeitenden Betrieb. Er gilt als designierter Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie BDI. Bergen Klimaschutzauflagen und Energiewende mehr Risiken oder mehr Chancen für sein Unternehmen? Das fragte ich Ulrich Grillo vor dieser Sendung.
Ulrich Grillo: Das ist nicht nur bei unserem Unternehmen so, das ist für die gesamte deutsche Industrie gültig. Wir profitieren davon, weil wir viele Produkte haben, die im Rahmen der Umwelttechnologie verkauft werden weltweit, und da sind wir führend. Das ist die Chance. Das Risiko ist natürlich, dass durch diese Energiewende, die zu erheblichen Belastungen bei den Stromkosten führt, die energieintensiven Unternehmen – und da gehören wir auch dazu – über Gebühr belastet werden und wir diese Kosten im internationalen Wettbewerb nicht weitergeben können. Das einfachste Beispiel ist eine, ich sage mal, Zinkhütte – wir haben keine Zinkhütte, aber eine Zinkhütte wäre es. Da sind 50 Prozent der Kosten Stromkosten. Wenn die Stromkosten eines deutschen Produzenten doppelt so hoch sind wie die eines internationalen Wettbewerbsproduzenten, sei es ein geförderter Produzent aus Frankreich, aber auch einer aus Dubai zum Beispiel, dann haben wir diese 25 Prozent Kostennachteil. Die können wir nicht weitergeben, weil das Verkaufsprodukt, eine Tonne Zink, weltweit überall den gleichen Preis hat. Und das führt dazu, dass unsere Unternehmen dann langsam auswandern, und damit ist auch keinem geholfen, weil dann auch Arbeitsplätze eben verschwinden in Deutschland.
Reimer: Vergangene Woche haben wir gehört, dass der norwegische Aluminiumhersteller Norsk Hydro die Produktion in seinem Neusser Werk wieder deutlich hochfahren möchte. Da möchte man doch eigentlich daraus schließen, dass die Strompreise eher ein Argument für die Industrie fürs Investieren in Deutschland sind denn ein Hindernis, nein?
Grillo: Genau das ist das Thema. Der Vorstandsvorsitzende, Oliver Bell, hat ausdrücklich gesagt – und das ist hier und da in den Zeitungsmeldungen untergegangen -, er hat ausdrücklich gesagt, dass dieses Wiederhochfahren unter der Bedingung nur passiert, wenn die zugesagten Entlastungen bei den Stromkosten auch – sei es Emissionshandel, sei es EEG-Umlage und so weiter, Netzentgeltbefreiung -, wenn das umgesetzt wird. Wenn das nicht passiert, dann wird das nicht hochgefahren, und dann wird es nach wie vor problematisch.
Reimer: An der Leipziger Strombörse liegen die Großhandelspreise – und das sind ja auch die Preise, von denen große Industrieunternehmen profitieren; die kleinen Haushalte nicht, auch die kleinen Handwerker nicht, das stimmt -, da liegen diese Großhandelspreise unter dem Niveau vor dem Atomausstieg. Das heißt, sie sind wirklich gesunken, auch auf Grund der erneuerbaren Energien. Wie rechtfertigen sich unter diesen Bedingungen dann aber diese zahlreichen Ausnahmen beim Strompreis? Das sind die Netzentgelte, das sind Vergünstigungen bei der Ökosteuer und eben die Befreiung von der EEG-Umlage beziehungsweise eine deutlich niedrigere Beteiligung.
Grillo: Gott sei Dank sind die Strompreise an der Börse gesunken, sonst wäre die Belastung noch höher, denn trotz der Entlastungen sind in Summe die Belastungen der Industrie weiter gestiegen. Wir reden jetzt über die EEG-Umlage von im Moment 3,5, 3,6 Cent. Vorausschätzungen sind da, dass die bis zum Jahresende auf über fünf Prozent steigen, und das sind Belastungen, die etwas kompensiert werden durch den rückgehenden Börsenpreis, aber nicht komplett.
Reimer: Aber Sie tragen sie ja nicht als energieintensives Unternehmen.
Grillo: Ja wir kriegen gewisse Befreiungen, wir kriegen aber nicht alles befreit. Und man darf nicht vergessen, dass nur ganz wenige Unternehmen als energieintensive Unternehmen befreit werden und dass der Großteil der deutschen Industrie – ich weiß nicht, wie viele es sind, aber wirklich der Großteil –, sicherlich deutlich über 90 Prozent, diese höheren Umlagen und Strompreise auch tragen muss.
Reimer: Gibt es aus Ihrer Sicht bessere Konstrukte als das Erneuerbare-Energien-Gesetz?
Grillo: Ich glaube, das Erneuerbare-Energien-Gesetz hat zu Beginn der Förderung gut gearbeitet. Nur jetzt ist es überarbeitungsnotwendig. Jetzt laufen die Förderungen aus dem Ruder und jetzt werden die Ziele, die ursprünglich gefördert werden sollten, nicht mehr erreicht, und insofern muss es überarbeitet werden. Wie genau, das muss man gemeinsam mit der Politik idealerweise hinkriegen. Das ist sehr komplex, weil es verschiedene Interessenten, verschiedene Wirkungen auch gibt. Das muss man sich sehr genau angucken. Aber – und das hat auch Minister Altmaier gesagt – das muss überarbeitet werden (und Minister Rösler auch), und ich glaube, das ist eine der Aufgaben der nächsten Zeit.
Reimer: Aber Sie sagen jetzt nicht, Sie möchten unbedingt ein Quotensystem wie in Großbritannien?
Grillo: Nein. Ich sage mal, das muss man sich im Einzelnen erst mal in Ruhe überlegen, in Ruhe miteinander diskutieren, bevor man da in die Öffentlichkeit geht, was wir da fordern. Wir müssen uns klar werden, welche Ziele haben wir. Das ist vor allen Dingen eine nicht nur saubere Energieversorgung, eine sichere Energieversorgung. Und sichere Energieversorgung heißt: Wir brauchen einen gewissen Grundlaststrom. Wir können nicht nur mit Sonnenenergie und Windenergie leben. Wie wird diese Bereitstellung des Grundlaststroms finanziert, wie werden die Kapazitätsmärkte entschieden? Also, das ist so komplex, da bin ich sehr vorsichtig, jetzt schon vorschnell irgendwelche Empfehlungen zu geben.
Reimer: Bundesumweltminister Peter Altmaier will bis Ende des Jahres über die Ziele der Energiewende einen Konsens, einen gesellschaftlichen, einen breiten Konsens herbeiführen. Was sind für Sie die wichtigsten Punkte, die da drinstehen müssten?
Grillo: Wir müssen uns klar werden: wo wollen wir hin. Ganz klar, das ist wichtig: das Ziel. Und dann müssen wir vor allen Dingen uns überlegen, wie kommen wir dahin, ist es realistisch, dass wir da hinkommen. Das heißt, wie in jedem Unternehmen, wenn ich ein Projekt habe, ein Ziel habe, dann starte ich ein Projekt, dann lege ich da ein Projekt-Controlling drüber, und dann muss ich laufend schauen, bin ich auf dem richtigen Weg, muss ich etwas gegensteuern, laufe ich die Gefahr, dass ich das Ziel verfehle, dass ich vielleicht durch die Zielerreichung, dieses eine Ziel, andere Ziele, die ich auch habe, gefährde, und das ist ein sehr komplexer Prozess, das ist ein sehr neudeutsch, wir reden da von Monitoring. Das passiert im Wirtschaftsministerium, das passiert im Umweltministerium, das passiert auch im BDI mit Hilfe von verschiedenen Fachleuten. Und da müssen wir gemeinsam – und ich glaube, das ist auch das Ziel von Herrn Altmaier – den richtigen Weg finden. Es kann sein, dass die Ziele etwas revidiert werden, etwas nivelliert werden, aber das ist gar nicht im Vordergrund. Wir müssen nur gucken, dass wir gemeinsam übereinstimmen, wie wir in die richtige Richtung gehen.
Reimer: Aber Sie haben jetzt keinen ganz speziellen Wunsch aus Ihrer Sicht als Unternehmer?
Grillo: Ich habe viele Wünsche. Ich habe den Wunsch, und das allgemein, dass das ökologische Ziel - und in vielen Punkten sind wir übereinstimmend: auch wir wollen die Umwelt schonen, so effizient wie möglich produzieren -, dass wir das vernünftig, dass Ökologie und Ökonomie in Einklang gebracht werden (das ist jetzt eine allgemeine Formulierung, das ist im Detail sehr komplex), aber dass die Wirtschaft nicht behindert wird, sondern dass die Wirtschaft die Freiheit hat, mitzumachen bei der Erreichung der Ziele, und nicht gegen die Wirtschaft gearbeitet wird.
Reimer: Vielen Dank für das Gespräch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Der Familienunternehmer Ulrich Grillo leitet in Duisburg einen zinkverarbeitenden Betrieb. Er gilt als designierter Präsident des Bundesverbandes der Deutschen Industrie BDI. Bergen Klimaschutzauflagen und Energiewende mehr Risiken oder mehr Chancen für sein Unternehmen? Das fragte ich Ulrich Grillo vor dieser Sendung.
Ulrich Grillo: Das ist nicht nur bei unserem Unternehmen so, das ist für die gesamte deutsche Industrie gültig. Wir profitieren davon, weil wir viele Produkte haben, die im Rahmen der Umwelttechnologie verkauft werden weltweit, und da sind wir führend. Das ist die Chance. Das Risiko ist natürlich, dass durch diese Energiewende, die zu erheblichen Belastungen bei den Stromkosten führt, die energieintensiven Unternehmen – und da gehören wir auch dazu – über Gebühr belastet werden und wir diese Kosten im internationalen Wettbewerb nicht weitergeben können. Das einfachste Beispiel ist eine, ich sage mal, Zinkhütte – wir haben keine Zinkhütte, aber eine Zinkhütte wäre es. Da sind 50 Prozent der Kosten Stromkosten. Wenn die Stromkosten eines deutschen Produzenten doppelt so hoch sind wie die eines internationalen Wettbewerbsproduzenten, sei es ein geförderter Produzent aus Frankreich, aber auch einer aus Dubai zum Beispiel, dann haben wir diese 25 Prozent Kostennachteil. Die können wir nicht weitergeben, weil das Verkaufsprodukt, eine Tonne Zink, weltweit überall den gleichen Preis hat. Und das führt dazu, dass unsere Unternehmen dann langsam auswandern, und damit ist auch keinem geholfen, weil dann auch Arbeitsplätze eben verschwinden in Deutschland.
Reimer: Vergangene Woche haben wir gehört, dass der norwegische Aluminiumhersteller Norsk Hydro die Produktion in seinem Neusser Werk wieder deutlich hochfahren möchte. Da möchte man doch eigentlich daraus schließen, dass die Strompreise eher ein Argument für die Industrie fürs Investieren in Deutschland sind denn ein Hindernis, nein?
Grillo: Genau das ist das Thema. Der Vorstandsvorsitzende, Oliver Bell, hat ausdrücklich gesagt – und das ist hier und da in den Zeitungsmeldungen untergegangen -, er hat ausdrücklich gesagt, dass dieses Wiederhochfahren unter der Bedingung nur passiert, wenn die zugesagten Entlastungen bei den Stromkosten auch – sei es Emissionshandel, sei es EEG-Umlage und so weiter, Netzentgeltbefreiung -, wenn das umgesetzt wird. Wenn das nicht passiert, dann wird das nicht hochgefahren, und dann wird es nach wie vor problematisch.
Reimer: An der Leipziger Strombörse liegen die Großhandelspreise – und das sind ja auch die Preise, von denen große Industrieunternehmen profitieren; die kleinen Haushalte nicht, auch die kleinen Handwerker nicht, das stimmt -, da liegen diese Großhandelspreise unter dem Niveau vor dem Atomausstieg. Das heißt, sie sind wirklich gesunken, auch auf Grund der erneuerbaren Energien. Wie rechtfertigen sich unter diesen Bedingungen dann aber diese zahlreichen Ausnahmen beim Strompreis? Das sind die Netzentgelte, das sind Vergünstigungen bei der Ökosteuer und eben die Befreiung von der EEG-Umlage beziehungsweise eine deutlich niedrigere Beteiligung.
Grillo: Gott sei Dank sind die Strompreise an der Börse gesunken, sonst wäre die Belastung noch höher, denn trotz der Entlastungen sind in Summe die Belastungen der Industrie weiter gestiegen. Wir reden jetzt über die EEG-Umlage von im Moment 3,5, 3,6 Cent. Vorausschätzungen sind da, dass die bis zum Jahresende auf über fünf Prozent steigen, und das sind Belastungen, die etwas kompensiert werden durch den rückgehenden Börsenpreis, aber nicht komplett.
Reimer: Aber Sie tragen sie ja nicht als energieintensives Unternehmen.
Grillo: Ja wir kriegen gewisse Befreiungen, wir kriegen aber nicht alles befreit. Und man darf nicht vergessen, dass nur ganz wenige Unternehmen als energieintensive Unternehmen befreit werden und dass der Großteil der deutschen Industrie – ich weiß nicht, wie viele es sind, aber wirklich der Großteil –, sicherlich deutlich über 90 Prozent, diese höheren Umlagen und Strompreise auch tragen muss.
Reimer: Gibt es aus Ihrer Sicht bessere Konstrukte als das Erneuerbare-Energien-Gesetz?
Grillo: Ich glaube, das Erneuerbare-Energien-Gesetz hat zu Beginn der Förderung gut gearbeitet. Nur jetzt ist es überarbeitungsnotwendig. Jetzt laufen die Förderungen aus dem Ruder und jetzt werden die Ziele, die ursprünglich gefördert werden sollten, nicht mehr erreicht, und insofern muss es überarbeitet werden. Wie genau, das muss man gemeinsam mit der Politik idealerweise hinkriegen. Das ist sehr komplex, weil es verschiedene Interessenten, verschiedene Wirkungen auch gibt. Das muss man sich sehr genau angucken. Aber – und das hat auch Minister Altmaier gesagt – das muss überarbeitet werden (und Minister Rösler auch), und ich glaube, das ist eine der Aufgaben der nächsten Zeit.
Reimer: Aber Sie sagen jetzt nicht, Sie möchten unbedingt ein Quotensystem wie in Großbritannien?
Grillo: Nein. Ich sage mal, das muss man sich im Einzelnen erst mal in Ruhe überlegen, in Ruhe miteinander diskutieren, bevor man da in die Öffentlichkeit geht, was wir da fordern. Wir müssen uns klar werden, welche Ziele haben wir. Das ist vor allen Dingen eine nicht nur saubere Energieversorgung, eine sichere Energieversorgung. Und sichere Energieversorgung heißt: Wir brauchen einen gewissen Grundlaststrom. Wir können nicht nur mit Sonnenenergie und Windenergie leben. Wie wird diese Bereitstellung des Grundlaststroms finanziert, wie werden die Kapazitätsmärkte entschieden? Also, das ist so komplex, da bin ich sehr vorsichtig, jetzt schon vorschnell irgendwelche Empfehlungen zu geben.
Reimer: Bundesumweltminister Peter Altmaier will bis Ende des Jahres über die Ziele der Energiewende einen Konsens, einen gesellschaftlichen, einen breiten Konsens herbeiführen. Was sind für Sie die wichtigsten Punkte, die da drinstehen müssten?
Grillo: Wir müssen uns klar werden: wo wollen wir hin. Ganz klar, das ist wichtig: das Ziel. Und dann müssen wir vor allen Dingen uns überlegen, wie kommen wir dahin, ist es realistisch, dass wir da hinkommen. Das heißt, wie in jedem Unternehmen, wenn ich ein Projekt habe, ein Ziel habe, dann starte ich ein Projekt, dann lege ich da ein Projekt-Controlling drüber, und dann muss ich laufend schauen, bin ich auf dem richtigen Weg, muss ich etwas gegensteuern, laufe ich die Gefahr, dass ich das Ziel verfehle, dass ich vielleicht durch die Zielerreichung, dieses eine Ziel, andere Ziele, die ich auch habe, gefährde, und das ist ein sehr komplexer Prozess, das ist ein sehr neudeutsch, wir reden da von Monitoring. Das passiert im Wirtschaftsministerium, das passiert im Umweltministerium, das passiert auch im BDI mit Hilfe von verschiedenen Fachleuten. Und da müssen wir gemeinsam – und ich glaube, das ist auch das Ziel von Herrn Altmaier – den richtigen Weg finden. Es kann sein, dass die Ziele etwas revidiert werden, etwas nivelliert werden, aber das ist gar nicht im Vordergrund. Wir müssen nur gucken, dass wir gemeinsam übereinstimmen, wie wir in die richtige Richtung gehen.
Reimer: Aber Sie haben jetzt keinen ganz speziellen Wunsch aus Ihrer Sicht als Unternehmer?
Grillo: Ich habe viele Wünsche. Ich habe den Wunsch, und das allgemein, dass das ökologische Ziel - und in vielen Punkten sind wir übereinstimmend: auch wir wollen die Umwelt schonen, so effizient wie möglich produzieren -, dass wir das vernünftig, dass Ökologie und Ökonomie in Einklang gebracht werden (das ist jetzt eine allgemeine Formulierung, das ist im Detail sehr komplex), aber dass die Wirtschaft nicht behindert wird, sondern dass die Wirtschaft die Freiheit hat, mitzumachen bei der Erreichung der Ziele, und nicht gegen die Wirtschaft gearbeitet wird.
Reimer: Vielen Dank für das Gespräch.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.