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Die Folgen von REACH

Forschungspolitik. - Die europäische Chemierichtlinie REACH fordert vor allem ein Mehr an Information: Hersteller und Importeure müssen verwendete Stoffe bei der Europäischen Chemikalienagentur in Helsinki anmelden sowie die Eigenschaften und den Verwendungszweck der Chemikalien offen legen. Die Hoffnung dabei: Aufgeklärte Verbraucher werden Produkte meiden, die gefährliche Zutaten enthalten.

Von Ralph Ahrens |
    REACH - die neue EU-weit geltende Chemikalienverordnung - kann die Wirtschaft verändern. Denn die EU zwingt damit viele Unternehmen dazu, Informationen über chemische Stoffe offen zu legen. Und das ist völlig neu, betont Andreas Ahrens von Ökopol, dem Hamburger Institut für Ökologie und Politik.

    " Es gibt im Grunde zwei revolutionäre Neuerungen. Das eine, was an REACH wirklich neu ist, dass man sagt, man will über jeden Stoff, der auf den europäischen Markt kommt, ein Mindestbestand an Informationen haben. "

    Innerhalb von elf Jahren müssen Hersteller und Importeure nun rund 30.000 "Altstoffe" bei der Europäischen Chemikalienagentur in Helsinki anmelden. Das sind alles Stoffe, die seit mehr als 25 Jahren vermarktet werden und von denen eine Firma heute mehr als eine Tonne in Europa herstellt oder hierher einführt. Und je mehr eine Firma von einer Substanz herstellt oder einführt, desto mehr muss sie über die Eigenschaften dieses Stoffes bekannt geben. Die zweite grundlegende Neuerung:

    " Der Hersteller des Stoffes soll sich darauf festlegen, für welche Zwecke sein Stoff geeignet ist. Und zwar nicht nur in technischer Hinsicht - das macht jeder Betrieb, das er in seine technischen Merkblätter reinschreibt, wofür man den Stoff einsetzen kann -, sondern dass künftig auch unter Umwelt- und Gesundheitsgesichtspunkten die Hersteller von Stoffen schlichtweg sagen müssen, für die und die Anwendung glauben wir, dass der Stoff sicher handhabbar ist und bei der und der Anwendung halten wir den Stoffe für nicht sicher anwendbar und deshalb vermarkten wir ihn in diese Bereiche auch nicht mehr hinein. "

    Dies gesammelte Wissen über Stoffeigenschaften und Anwendungsgebiete wird die Europäische Chemikalienagentur zusammenfassen. Dieser Datenschatz wird größtenteils in einer Datenbank abrufbar sein und er kann - so hofft Mecki Naschke vom Europäischen Umweltbüro in Brüssel - die Entwicklung neuer Produkte fördern, denn:

    " Dadurch, dass diese Informationen jetzt allen zugänglich sind, hoffen wir, dass diese auch berücksichtigt werden bei der Entwicklung von neuen Produkten, allgemein in den Forschungsaktivitäten der Unternehmen. Und dass das natürlich zu Innovationen führt. "

    REACH ist also eine Herausforderung für Techniker und Wissenschaftler in den Laboratorien der Industrieunternehmen. Sie sollten mit den Informationen, die durch REACH verfügbar werden, gefährliche Chemikalien in ihren Produkten durch harmlosere Substanzen ersetzen. Ob dies aber im großen Stil so geschehen wird, bezweifelt Gerd Romanowski vom Verband der Chemischen Industrie:

    " Es wird überhaupt durch REACH keine Innovationsschübe geben. Das ist unsere feste Überzeugung in der Industrie. Es wird sich die Datenlage verbessern, aber es wird keine Innovationsschübe geben. "

    Denn schon heute würden viele Firmen darauf achten, möglichst ungefährliche Substanzen einzusetzen. Doch Alltagsprodukte wie Computergehäuse oder Bodenbeläge sind nicht frei von Schadstoffen. Und die EU stärkt hier bewusst die Rechte der Verbraucher. Jeder Bürger soll in jedem Kaufhaus fragen können, ob dieser Computer oder jenes T-Shirt "besonders besorgniserregende" Stoffe oberhalb einer gewissen Mengenschwelle enthält. Und manche Handelsfirmen werden nicht darauf warten, bis ihre Kunden nach schadstoffarmen Produkten fragen, meint Andreas Ahrens:

    " Die sagen, jeder Schadstoffskandal wie beispielsweise TBT in Sporttrikots oder bestimmte schädliche Stoffe in Windeln oder in Kosmetika oder wo auch immer, wenn ein Markenname so einen Schadstoffskandal am Hals hat, weiß er ganz genau, dass es einen Wertverlust an der Börse gibt, dass möglicherweise Produkteinbrüche gibt und dass möglicherweise das Markenimage beschädigt wird. Also Lipobay-Skandal, Bayer, ist ein schönes Beispiel dafür. "

    Das heißt, die Politik schafft zurzeit mit REACH ein Mehr an Wissen über Chemikalien. Dies stetig zunehmende Wissen wird Wirkung zeigen: Manche Unternehmen werden freiwillig darauf verzichten, gefährliche Stoffe einzusetzen - andere werden erst reagieren, wenn sie Produkte mit gefährlichen Stoffen nicht mehr verkaufen können. Aber es scheint, als könnte REACH schrittweise das Risiko für Mensch und Umwelt senken.