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Die Frau stammt aus Adams Rippe!

Es war ein Italiener, Christoph Columbus, der auf praktischem Weg nachwies, dass die Erde rund ist. Oder ist sie vielleicht doch flach? Und sollte man Columbus seinen Ehrenplatz in der italienischen Geschichte lassen? Der Engländer Darwin soll ihn schon mal verlieren. Die italienische Bildungsministerin Letizia Moratti hat verordnet, dass Schulbücher für Grund-und Mittelschulen nicht die evolutionäre Sicht der Schöpfung, sondern die Erzählung des Alten Testaments wiedergeben sollen.

Thomas Migge im Gespräch | 21.04.2004
    Beatrix Novy: Diesen Kulturkampf kämpfen bislang US-evangelikale Kreise des so genannten "bible belt", dem Bibel-Gürtel, in Amerikas Mittelwesten, Thomas Migge in Rom, breiten sich solche fundamentalistischen Tendenzen in katholischer Spielart in Italien aus?

    Thomas Migge: Anders kann man das nicht interpretieren, denn seit der Regierungsübernahme von Silvio Berlusconi und den anderen Parteien, die in seiner Koalition sind, ist es unübersehbar, dass katholische "Hardliner" in die Regierung gekommen sind und Aufwind verspüren. Sehr zur Freude jener Kardinäle der römischen Kurie und der Bischöfe der Bischofskonferenz, die als Konservative bekannt sind.

    Beatrix Novy: Es gibt also einen kirchlichen Kontext, in den man Frau Moratti einbetten könnte?

    Migge: Das auf jeden Fall. Letizia Moratti war vor einigen Jahren, bevor sie Bildungsministerin wurde, bereits Präsidentin der RAI, also des öffentlich-rechtlichen Fernsehens und Rundfunks, und zeichnete sich dadurch aus, dass sie sich bemüht hat, möglichst viele katholische Sendungen ins Programm zu nehmen und möglichst viele Heiligenverfilmungen anzuregen, die dann als RAI-Produktion ausgestrahlt wurden. Es ist unübersehbar, dass Letizia Moratti konservative, katholische Ansichten hat und diese bei allen öffentlichen Auftritten kundtut. Der Verdacht, dass sie dem Opus Dei angehören könnte, ist gar nicht mal so weit hergeholt.

    Novy: Nun gibt es ja einen Unterschied zwischen Frömmigkeit - die mag etwas stärker entwickelt sein - und zwischen solchen fundamentalistischen Ansichten, die sich gegen alles richten, was sogar der Papst mal gesagt hat. Nämlich, es gibt Anlass, in der Evolutionstheorie mehr als eine Hypothese zu sehen. Im kirchensprachlichen Kontext ist das ja ein Zugeständnis. Also ist doch die Zumutung da, ihn aus den Schulbüchern zu nehmen, doch etwas Besonderes, oder ist das gesellschaftlich auch schon verankert?

    Migge: Es ist schon etwas Besonderes, da haben Sie Recht. Zumal die päpstliche Akademie der Wissenschaften erst im letzten Jahr einen internationalen Kongress im Vatikan zur Evolutionstheorie abgehalten hat, wo diese Theorie von Darwin und seinen Nachfolgern als wissenschaftlich relevant anerkannt worden ist, und das von der päpstlichen Wissenschaftsakademie. Es gibt allerdings auch einen gesellschaftlichen Kontext in Italien, der ganz im Sinne erzkonservativer, religiöser Kreise, wie in den USA denkt. Das sind immer mehr Leute, denn verschiedenen Umfragen zufolge glauben immer noch dreißig Prozent aller Italiener nicht an die Evolutionstheorie.

    Novy: Was soll denn - um es mal konkret werden zu lassen - nun eigentlich passieren? Richten sich die Schulbuchverlage schon darauf ein, die Schulbücher umzuschreiben?

    Migge: Obwohl diese Ankündigung, die Evolutionstheorie aus den Grundschulen und den ersten Klassen der Mittelschulen herauszunehmen im staatlichen Amtsblatt veröffentlicht worden ist, hat die staatliche Schulbuchbehörde, die Schulbuchverlage noch nicht darüber informiert. Ich habe jetzt mal nachgefragt bei einigen Schulbuchverlagen, die davon wissen, aber noch keine Auskunft darüber bekommen haben, was jetzt geschehen soll. In der Regel ist es in Italien und auch in Deutschland so, dass die Schulbuchverlage nach einer solchen gesetzlichen Änderung reagieren müssen. Das wird natürlich die Verlage "freuen", denn das würde bedeuten, dass neue Schulbücher aufgelegt werden müssen.

    Novy: Glauben Sie eigentlich, dass es wirklich dazu kommen wird? Werden die Schulbücher umgeschrieben und wird dann nur noch vom Schöpfungsmythos die Rede sein?

    Migge: Tja, da das Ganze, wie gesagt, wirklich veröffentlicht worden ist - und die Grundlage bringt eine Konferenz im letzten Oktober zwischen der katholischen Bischofskonferenz und der Bildungsministerin Moratti - da das Ganze eben jetzt zu einer Anweisung gekommen ist, zur Veränderung der Schulbücher, und da das Ganze auch offiziell ist, muss damit gerechnet werden, dass im nächsten Schuljahr die betreffenden Schulbücher in punkto Evolutionstheorie oder göttlicher Schöpfungsgedanke tatsächlich umgeschrieben werden müssen.

    Novy: Wo bleiben die Proteste?

    Migge: Die großen Proteste bleiben seltsamerweise aus. Bis auf einige sehr kritische Kommentare in dezidiert linken Tageszeitungen, gibt es in der Öffentlichkeit keine Reaktion. Die beiden Präsidenten des laizistischen und des katholischen Lehrerverbandes begehren allerdings gegen diese Entscheidung, die Evolutionstheorie aus den Schulbüchern zu streichen, auf und erwägen bereits eine Klage vor dem Verfassungsgerichtshof. Sie begründen das damit, dass die italienische Verfassung eindeutig laizistisch ist und die Aufnahme der Idee des göttlichen Schöpfungsgedankens in staatliche Schulbücher somit verfassungswidrig sei.