Meurer: Werden den Bayern jetzt die Lederhosen ausgezogen?
Holzschuh: Also, ich fürchte, dass zumindest die Hose aufgeknöpft wird, zum ersten Mal überhaupt, seitdem die Bayern in der Bundesliga sind. Bisher hat man sich an sie nie rangetraut und es gibt noch nach wie vor Stimmen, die sagen: Es wird eine Lex Bayern geben, aber das ist ein Fall, in dem die Bayern sicherlich eine Verfehlung begangen haben. Inwieweit das jetzt juristische Verfehlungen sind, das werden wohl die zuständigen Organe zu klären haben. Moralisch haben sie sich auf alle Fälle zu weit aus dem Fenster herausgelehnt.
Meurer: Woran könnte eine zum Beispiel satzungsrechtliche, lizenzrechtliche Verfehlung liegen? Dass der Vertrag geheimgehalten, nicht angegeben wurde?
Holzschuh: Das ist der Punkt 1, dass sie entgegen der Statute gehandelt haben und den Vertrag nicht angegeben haben. Sie mussten ihn laut Statut angeben. Das haben sie nicht getan. Zum anderen ist natürlich auch die Frage zu klären, wie weit die Bayern Lobbyismus betrieben haben, und zwar nicht den Gesetzen und Statuten entsprechenden Lobbyismus. Sie waren in einem Gremium drin, das zu entscheiden hatte, ob nun eine Dezentralisierung oder eine Zentralisierung vorgenommen werden würde und an wen vor allen Dingen hinterher die Rechte vergeben werden würden. Die Bayern haben, so sagen alle Beteiligten, in diesem Gremium, vertreten durch Uli Hoeneß, ganz klar gemacht, dass sie diese Rechte an Kirch vergeben wollen. Das ist eigentlich der entscheidende Knackpunkt.
Meurer: Am kommenden Montag will die DFL, die Deutsche Fußball-Liga, wenn ich das richtig sehe, über mögliche Sanktionen gegen den FC Bayern entscheiden. Könnte da am Ende ein Punktabzug für die laufende Saison herauskommen?
Holzschuh: Was da alles passiert, kann man sich eigentlich nur vorstellen - oder überhaupt nicht vorstellen. Es geht offiziell von Geldstrafe bis sogar zu Lizenzentzug. Das heißt, die Bayern müssten dann die Bundesliga verlassen und in die zweite Liga gehen. Aber ich glaube, so weit wird es mit Sicherheit nicht kommen. Dazu braucht auch die Liga den FC Bayern viel zu sehr, weil die Bayern ja nicht nur das sportliche Aushängeschild sind, sondern auch der Quotenbringer und der Geldbringer für alle zentralen Vermarktungen. Deswegen kann man das eigentlich von vornherein ausschließen und ich kann mir auch eigentlich nicht vorstellen, dass die Bayern einen Punktabzug bekommen. Es sei denn, dass man sich irgendwann so drei oder vier Spieltage vor Schluss der Saison, wenn die Bayern mit 15 Punkten Vorsprung führen sollten, sagt: "Okay, dann kriegt ihr drei oder vier Punkte." Das schadet dann niemandem. Ob es einen Kuhhandel gibt, das weiß ich nicht.
Meurer: Werden Sie den Punkteabzug ausschließen? Kriegen dann die Bayern sozusagen einen Prominentenbonus? Andere Vereine haben einen Punkteabzug bekommen.
Holzschuh: Das ist die Frage. Das hat nämlich auch schon der ein oder andere zuständige Mann befürchtet, zum Beispiel der frühere Präsident von Borussia Dortmund, Reinhard Rauball, der sich in diesen Statuten ja enorm gut auskennt und gesagt hat: Es darf keine Lex Bayern geben. An die Bayern traut sich so schnell keiner heran. Die Bayern sind mächtig genug. Die Bayern haben in vielen Dingen das Sagen, und die Bayern haben vor allen Dingen natürlich auch in der Öffentlichkeit Franz Beckenbauer, Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge.
Meurer: Die Bayern verteidigen sich ja unter anderem damit, sie hätten doch niemandem mit diesem Vertrag geschadet. Stimmt das, wenn man sich ausrechnen kann, dass man zum Beispiel mit 20 Millionen Euro Stars wie Michael Ballack und Sebastian Deissler kaufen kann?
Holzschuh: Es sind ja nicht nur diese 20 Millionen Euro. Der Vertrag ging ursprünglich über insgesamt 190 Millionen DM. Er ist deswegen abgebrochen worden, weil die Kirch-Gruppe insolvent wurde. Und wenn diese 190 Millionen DM der Liga zugeführt worden wären, wäre natürlich eine ganz andere Situation herausgekommen und wir alle wissen, dass es Vereine in der Bundesliga und zweiten Bundesliga gibt, die wirklich aus den letzten Löchern pfeifen. Das wäre dann sicher nicht mehr ganz so dramatisch gewesen, wie es momentan bei dem ein oder anderen der Fall ist.
Meurer: Wie schätzen Sie die Stimmung bei den anderen Clubs in der Bundesliga in dieser Sache ein?
Holzschuh: Das geht von "na ja, was soll's, das sind halt die Bayern" bis zu unheimlicher Empörung. Wenn ich Michael Mayer, den Manager von Borussia Dormund höre, dann weiß ich, dass da schon einige sind, die sagen: "Jetzt muss man den Bayern wirklich an den Kragen ran gehen." Diese Empörung kann ich zum Teil auch nachvollziehen. Natürlich fragt man sich auf der anderen Seite immer wieder: Hättet Ihr das Geld nicht genommen, wenn man es Euch auf einem silbernen Tablett serviert hätte? Jeder von denen hätte sicherlich lange Ohren gekriegt, wenn er gehört hätte, man kann zusätzliches Geld akquirieren. Aber die Art und Weise, wie das gelaufen ist, mit all diesen Verflechtungen im Liga-Ausschuss damals, auch vor allen Dingen im Gremium, das über die rechte Vergabe zu entscheiden hatte... Wir wissen ja auch, dass ein Drei-Mann-Gremium, nämlich Mayer-Vorfelder, das damalige Liga-Ausschuss-Mitglied Wilfried Straub, der jetzt geschäftsführender Vorsitzender der DSL ist, und Uli Hoeneß im Prinzip entschieden hatte und noch nicht einmal der gesamten Liga alle Angebote vorgetragen hat. Wir wissen auch, dass es sogar ein Angebot gab, das wesentlich mehr Geld geboten hätte als die Kirch-Gruppe. Unter diesem Strich und unter diesen ganzen Aspekten hat es schon ein gewisses "Gschmäckle".
Meurer: Es gibt ja auch Verbindungen zwischen Kirch und dem Organisationskomitee für die Fußballweltmeisterschaft hier in Deutschland 2006. Nehmen wir zum Beispiel die Entscheidung, dass München und nicht Düsseldorf den Zuschlag für das Medienzentrum bekommen hat. Hat das jetzt sozusagen ein "Gschmäckle" im Nachhinein?
Holzschuh: Wir wissen ja auch, dass im Organisationskomitee hinterher einiger Frust entstanden ist, vor allen Dingen, weil Wolfgang Niersbach sich sehr stark für Düsseldorf eingesetzt hat. Wolfgang Niersbach ist ja für die Medien, für die Öffentlichkeit im Organisationskomitee zuständig. Und da hat es einige Differenzen gegeben. Das war sicherlich ein Alleingang von Franz Beckenbauer und Fedor Radmann, zwei seiner Kollegen, die allerdings auch natürlich ihre Begründungen hatten. Ich habe Franz Beckenbauer mal dazu gehört, und er hat gesagt: "Du kannst Dir schon vorstellen, dass wir das nicht einfach nur aus dem hohlen Bauch heraus entscheiden." In wieweit das jetzt eine Verflechtung mit Kirch ist, das kann man im Moment da zumindest nicht beurteilen.
Meurer: Das war Reinhard Holzschuh, Chefredakteur des Kicker zum Skandal rund um den FC Bayern München. Herr Holzschuh, besten Dank und auf Wiederhören.
Link: Interview als RealAudio