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Die Gigaliner kommen zurück

Verkehr. - Bis zu 60 Tonnen schwer und 25 Meter lang – so soll die Zukunft des LKW aussehen, wenn es nach dem Willen von Spediteuren und Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer geht. 2011 soll ein einjähriger Feldversuch mit den überlangen Brummis starten, obwohl ADAC, Umweltverbände und Bahnlobby in seltener Eintracht gegen sie Sturm laufen.

Von Sönke Gäthke | 28.07.2010
    Gigaliner werden mehr Verkehr von der Schiene auf die Straße verlagern. Damit wird auch der Kohlendioxid-Ausstoß mittelfristig ansteigen. Davon ist Claus Doll überzeugt. Der Wirtschaftsingenieur vom Fraunhofer Institut für System und Innovationsforschung in Karlsruhe hat für die EU ausgerechnet, welche Folgen eine Zulassung von 60-Tonnen-LKW mit 25 Meter Länge für den Wettbewerb von Straße und Schiene haben wird. Ein neuer Feldversuch werde an den Ergebnissen nichts ändern.

    "Nein. Weil wir haben schon sehr genau analysiert, jetzt auch im Auftrag der EU, im Auftrag der europäischen Bahnen, wie denn die Verlagerungspotenziale sind. Und alle ernst zu nehmenden Studien, die durchgeführt werden, sie sagen: Es wäre zumindest mal ein herber Schlag für diese mit vielen Steuermitteln geförderten Konzepte des Kombinierten Verkehrs."

    Beim Kombinierten Verkehr teilen sich Bahn und LKW die Fahrt. LKW bringen und holen die Fracht, Container zum Beispiel, zum und vom Bahnhof. Logistiker sprechen von Vor- und Nachlauf. Die Bahn übernimmt den Ferntransport, den Hauptlauf. Die Vorteile dieser Arbeitsteilung: Weniger Lärm, weniger Spurrillen und Schäden an Autobahnen und Brücken, weniger Staus; außerdem gelangen weniger Stickoxide und CO2 in die Luft. Seit Jahren fördert daher die Politik den Kombinierten Verkehr. Die Zulassung von Mega-LKW, fürchtet Claus Doll, werde diese Bemühungen jedoch zerstören:

    "Weil eben die Spediteure, wenn sie die Möglichkeit haben, gerne auf Umschläge verzichten, und dann den Hauptlauf, den man in diesen kombinierten Verkehrskorridoren hat, also Vor- und Nachlauf per Lkw, Hauptlauf per Bahn, dass man sich diesen Hauptlauf per Bahn auch sparen kann, wenn man kosteneffizientere LKW zur Verfügung hat, in die man auch mehr Waren packen kann."

    Befürworter des Longliners führen dagegen an, dass der Kohlendioxidausstoß des Straßenverkehrs durch längere LKW reduziert werden könnte, um bis zu einem Drittel. Claus Doll hält dagegen, dass sich die Kohlendioxid-Gesamtbilanz des Verkehrs dagegen verschlechtern dürfte:

    "Wir haben gefunden, dass es ein nennenswertes Risiko gibt, dass Sie am Ende mehr CO2-Emissionen haben, weil Sie zwar auf der Straße pro transportierte Tonne CO2 einsparen werden, durch die Verlagerung von den Bahnen diese aber wieder zunichtegemacht oder sogar überkompensiert wird."


    Die Bahnen könnten im ungünstigsten Fall etwa die Hälfte der im Kombinierten Verkehr gefahrenen Container verlieren, hat der Wirtschaftsingenieur mit Kollegen berechnet. Sie stützten sich dabei auf die Daten der Feldversuche von 2007. Und aus denen ergab sich weiter, dass der CO2-Ausstoß wenige Jahre nach der Einführung langer LKW um bis zu 2 Millionen Tonnen pro Jahr ansteigen dürfte - weil die Long- oder Gigaliner pro Tonne gefahrener Fracht eben doch mehr CO2 erzeugen als die Bahn.

    "Also langfristig sehen wir da eher ein Risiko, und auch die EU hat aufgrund dieser Ergebnisse ihre Argumentation, dass dieser überlange LKW ein Beitrag zum Klimaschutz sei, zurückgezogen."

    Die EU ist gegen die Einführung von Lang-LKW im europäischen Maßstab. Und auch die Bundesregierung sollte mit Blick auf die Klimaziele auf den Feldversuch verzichten, so Doll:
    "Das Problem ist, wenn man einen flächendeckenden Feldversuch jetzt einführt, und der jetzt für das Transportgewerbe positiv ausfällt, was anzunehmen ist, zumindest für die großen Transportunternehmen, die auch eine gute Lobby haben, ist es hinterher sehr schwer begründbar, den wieder zurückzunehmen, aus Gründen die Bahnen zu schützen oder aus umweltpolitischen Gründen."

    Der Feldversuch würde also den Gigaliner durch die Hintertür, im Mantel des wissenschaftlichen Versuchs einführen. Und ist der erst einmal auf der Straße, dürfte bald der Druck erfolgen, statt der derzeit angepeilten 44 Tonnen Gesamtgewicht derer 60 zuzulassen. Das wird dann noch mehr Güter von der Schiene auf die Straße lenken.