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Die Grenzen der Transparenz

Wer als Verbraucher erfahren will, welche Lebensmittelproduzenten lieber Chemie statt Natur einsetzen oder bei Hygienekontrollen negativ auffallen, findet dazu einige Portale im Internet. Allerdings sind diese nicht immer unabhängig.

Von Daniela Siebert |
    Mit den schwierigsten Bedingungen müssen Informationsportale leben, die von behördlicher Seite betrieben werden, aber von unterschiedlichen politischen Instanzen reguliert werden. Schmerzhaft musste das im April die Seite Lebensmitteltransparenz.nrw.de erfahren. Sie wird vom Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz Nordrhein-Westfalen betrieben. Gerade mal acht Monate war die Seite online und machte erfolgreich Erkenntnisse der Lebensmittelkontrolleure bekannt. Etwa Überschreitungen der Grenzwerte für Dioxin in Eiern oder für Quecksilber in Fischen. Am 24. April entschied das Oberverwaltungsgericht in Münster jedoch, dass das so nicht weitergeht, weil für die Publikationen vom Gesetzgeber keine einschränkenden Löschfristen festgesetzt wurden. Dazu Peter Knitsch, Staatssekretär im nordrhein-westfälischen Verbraucherschutzministerium.
    "Konkret hat das Oberverwaltungsgericht festgestellt, dass es zwar grundsätzlich richtig und möglich ist, solche Verstöße zu veröffentlichen, aber im Gesetz hätte geregelt werden müssen, zu welchem Zeitpunkt solche Verstöße dann auch wieder aus dem Internet rauszunehmen sind, das hat der Bundesgesetzgeber leider versäumt – die Bundesregierung – wir hatten das schon in der Vergangenheit als Problem angemahnt, hier in Nordrhein-Westfalen, aufgrund dieses handwerklichen Fehlers der Bundesregierung und des Bundestages mussten wir jetzt leider dann dieses Portal stoppen."
    Doch das Gesetz kann nur auf Bundesebene geändert werden. Das Land Nordrhein-Westfalen, das das Gesetz anwendet, kann eigenmächtig nichts tun. Selbst dass man eine Befristung der Veröffentlichung auf ein Jahr vorgesehen hatte, half nicht.

    Eine weitere gravierende Einschränkung macht das Bundesgesetz dem Landesportal: Es dürfen nur Fälle öffentlich gemacht werden, in denen ein Bußgeld von mindestens 350 Euro vorgesehen ist. Auf der Tagung der Verbraucherschutzminister Mitte Mai in Bad Nauheim soll die gesetzliche Grundlage dafür, das Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch thematisiert werden. Ob das zu einer baldigen Änderung des Gesetzes führt kann derzeit niemand sagen. Peter Knitsch rechnet vor September nicht damit. Er bedauert zudem, dass sein Land nicht sämtliche Ergebnisse von Hygienekontrollen in Gaststätten, Bäckereien und Metzgereien öffentlich machen darf.
    "Wir wollen Verbraucherinnen und Verbrauchern damit mehr Wahlfreiheit geben, die schwarzen Schafe benennen, gleichzeitig aber auch den guten Betrieben einen Wettbewerbsvorteil verschaffen, das geht im Moment leider auch nicht, weil auch hier im Bundesrecht leider die entsprechende Rechtsgrundlage fehlt, auch hier fordern wir seit inzwischen über zwei Jahren die Bundesregierung auf, Frau Aigner, die entsprechenden notwendigen Grundlagen zu schaffen, ohne dass sie das macht."
    Mit leicht angezogener Handbremse, aber durchaus zufrieden agiert derweil das Portal lebensmittelklarheit.de. Es wird von den Verbraucherzentralen betrieben und vom Bundesverbraucherschutzministerium finanziert. Projektkoordinatorin Janina Löbel vom Verbraucherzentrale Bundesverband.
    "Wir wollen Verbraucher aufklären über die Kennzeichnung und Aufmachung von Lebensmitteln, das ist das Oberziel, was wir zusätzlich anbieten ist, dass Verbraucher uns Produkte melden, bei denen sie sich getäuscht und in die Irre geführt fühlen, wir bewerten die dann und stellen die am Ende ins Portal ein. Und wenn wir unsere Produkte einstellen, dann sind wir aber auch der Meinung, dass diese Täuschungsproblematik, die der Verbraucher angemeldet hat, das wir die auch nachvollziehen können und dass sie aus unserer Sicht auch berechtigt ist."
    Bevor das Internetportal im Juli 2011 seine Arbeit aufnahm, gab es große Befürchtungen und auch Drohungen, die Lebensmittelindustrie könnte die Macher mit Rechtsanwaltsschreiben und Klagen überziehen.
    "Es ist noch nicht einmal passiert. Im Vorfeld des Projektes gab es da regelrechte Panikmache, aber mittlerweile müssen wir sehen, dass die Hersteller sogar sehr konstruktiv mitarbeiten."
    Trotzdem muss das Portal mit Einschränkungen leben. Es darf beispielsweise nicht sagen, das alkoholfreie Bier der Marke X enthält Alkohol. Weil die Gesetzeslage das erlaubt. Das Portal darf nur generell darauf hinweisen, dass alkoholfreie Biere nicht immer 0,0% Alkohol enthalten. Diese Unschärfe stört Janina Löbel jedoch nicht.
    "Wir machen hier sogar deutlich, dass es nicht nur ein einzelner Hersteller ist, der etwas ändern muss, sondern eine ganze gesetzliche Regelung einfach nicht mehr aktuell ist, von daher ist es eigentlich eine ganz scharfe Sache, wir haben da auch einen eindeutigen Adressaten, das ist eindeutig der Gesetzgeber, der sich hier bewegen muss und namentlich im Moment Frau Aigner und ansonsten haben wir einen Graubereich, den wir beleuchten: den, den Hersteller durch ihre Praxis der Kennzeichnung bewirken."
    Da sind wir besser dran, frohlockt Matthias Wolfschmidt von Foodwatch. Die Nichtregierungsorganisation dürfe in solchen Fällen in ihrem Portal abgespeist.de Ross und Reiter nennen, so Wolfschmidt.
    "Foodwatch ist nicht abhängig von irgendwelchen wirtschaftlichen Interessen und auch nicht abhängig von Geldgebern wie der Bundesregierung in dem Fall, die Bundesregierung hat es zur Bedingung gemacht für den Weiterbetrieb von lebensmittelklarheit, wir haben 26.000 Förderinnen und Förderer, die unser Budget gestalten und deswegen sind wir so frei, das was wir politisch richtig finden und was wir kritisieren auch zu formulieren – natürlich müssen wir uns an Recht und Gesetz halten und prüfen das ab – aber offensichtlich, da zeigt der Umstand, dass uns niemand verklagt hat, zum Beispiel nicht die Brauerei, die wir öffentlich genannt haben, dass wir damit auf dem richtigen Pfad sind, das weist also darauf hin, wie groß die politische Unabhängigkeit einer Organisation sein muss, um wirtschaftlichen Partikularinteressen trotzen zu können."
    Foodwatch stütze sich bei seinen Veröffentlichungen im Wesentlichen auf das Grundrecht auf Meinungsfreiheit, so Wolfschmidt, und damit sei man auch gut abgesichert, solange man keine falschen Tatsachen behaupte.

    Das wichtigste Informationsportal für Konsumenten betreibt das Bundesverbraucherministerium in Kooperation mit den Länderministerien selbst: lebensmittelwarnung.de. Hier geht es vor allem um handfeste Gesundheitsgefahren und aktuelle Rückrufaktionen der Hersteller. Zuletzt wurde hier beispielsweise vor Salmonellen-belastetem Kurkuma gewarnt sowie vor Kunststoffteilen in Biobrötchen. Diese Informationspflicht bei Gesundheitsrisiken gibt eine EU-Verordnung vor.