Carl Orff hat einen eigenständigen und eigentümlichen Weg der musikalischen Moderne bestritten: Geprägt von der Brechtschen Idee des "Epischen Theaters" wollte Orff Sprache, Musik und Bewegung auf neue Weise zusammenbringen und agieren lassen. Gleichfalls an der Ästhetik Bertolt Brechts orientierte sich die radikale Abkehr von allem "Spätromantischen".
Da auf dem Weg von "Tristan" über "Parsifal" und "Salome" zur "Elektra" von Richard Strauss, wie dieser ja auch selbst bemerkte, kein weiteres Vorankommen mehr war, entwickelte Orff seine im Purismus radikalen Modelle.
Die charakteristisch-karge Tonsprache basierte auf mittelalterlicher modaler Melodik, verzichtete in ihrer Akkordik weitgehend auf die Funktionalität der klassischen Harmonik und konstituierte vor allem aus Ostinato und rhythmisch geschärften Bewegungs-Impulsen jenen charakteristischen Sound, der sich dann wieder mit bewusst archaisierenden Formen des Musiktheaters verband. Es ist nicht zuletzt die Kunst des Aussparens, des in vielfältigen Formen deklamierten Wortes und der insistierenden Eintönigkeiten, die den eigenartigen Reiz des Orffischen Œuvres ausmachen.
Auch wenn es, als der hochbetagte Komponist 1982 starb, bereits recht ruhig um seine Arbeiten geworden war, so wurden die Errungenschaften des in den 30er Jahren entstandenen "Schulwerks" ebenso wie die aus dieser Zeit stammenden Hauptwerks "Carmina burana" fortdauernd anerkannt und praktiziert. Anders sah dies mit den zahlreichen Opern der Nachkriegszeit aus. Sie sind aus der Rezeptionsgeschichte so gut wie gänzlich herausgefallen.
Doch es nicht nur von musikgeschichtlichem und theaterhistorischem Interesse, dass und wie im Staatstheater Darmstadtnun Erinnerungsarbeit betrieben wurde. Zuvorderst bemerkenswert war die Ensemble-Leistung der - oft über größere Distanzen ganz auf sich allein gestellten - Sänger um Norbert Schmittberg, den im selbstbewussten Singen wie in allen Stadien der Anfechtung großartigen Parvenüs und Tyrannen Oedipus.
Erwähnenswert auch der als Analyst auftretende schwierige Rechthaber Tiresias, den Mark Adler so geschmeidig wie entschieden singt, und Andreas Daum, der dem Oedipus-Nachfolger Kreon wuchtiges Format des auf seine Gesetze pochenden, für Antigonae und den eigenen Sohn so verhängnisvollen Machthabers verschafft.
Stefan Blunier hat die Aufführungen sorgfältig vorbereitet und achtet auf hohe Präzision beim Zusammenwirken von Bühne und Graben. In ihm fehlen bis auf ein paar Kontrabässe alle Streicher und, abgesehen von ein paar solistischen und nur sehr sparsam zum Einsatz gelangenden Bläsern bei der "Antigonae" auch diese. Neben den zwei Harfen aber haben vier Klaviere wesentliche Funktion für die Impulse - und insbesondere das erheblich angereicherte Schlagwerk. Zentral aber bleibt die Chor-Gemeinschaft:
Das von Sophokles wie von Friedrich Hölderlin in Anschlag gebrachte Verhängnis erscheint als dramaturgischer Schlüsselbegriff nicht erst am Ende des zweiten Orff-Abends - doppeldeutig schillernd von Anfang an in Klage und Anklage wie als höhere Entschuldigungs-Instanz: "Vom zuvor gesetzten Verhängnis hat kein Sterblicher Befreiung". Ja, wenn das so ist, konnten die Besucher der Uraufführung 1949 ebenso denken so wie die heutigen, dann konnten und können wir ja gar nicht anders handeln, als wir taten und tun.
Dieses moralische Dilemma thematisiert John Dews Inszenierung so wenig wie die historischen Schichten der beiden Werke. In einer schlichten Ausstattung stellt sich das Verhängnis in aller Ruhe ein. Die Protagonisten stehen und deklamieren, psalmodieren und rezitieren.
Nur selten legt einer der Boten einen Zahn zu, um Nachricht von dem zu überbringen, was hinter der Kulisse an Schrecklichem sich zugetragen haben soll. Edle Einfalt, stille Größe - und kein Hauch von Brechung oder inszenatorischer Kommentierung des an Ungeheuerlichkeiten reichen Textes.
Schwer lastet ein rotes Dach auf dicken Pfetten, das sich für die
(Selbst-)Ergründung des Oedipus zum hinteren Bühnenrand herunterzieht. An gleicher Stelle in analoger Position zur "Antigonae" dann die etwas ruinierte Fassade eines Palastes. Die ruhige, unkritische Gangart wurde vom Publikum einvernehmlich akzeptiert.
Wenn es aber einen kritisch gegen Tyrannen gerichteten Impetus in den Orffschen Werken geben sollte, dann wartet dieser darauf, dass die heutigen Augen für ihn geöffnet werden. Wenn es aber einen kritisch gegen Tyrannen gerichteten Impetus in den Orffschen Werken geben sollte, dann wartet dieser darauf, dass die heutigen Augen für ihn geöffnet werden.
Einstweilen werden wir nur daran erinnert, dass sich manches Unheil vermeiden lässt, wenn ein Neugeborener, dem ein schlechtes Horoskop mit auf den Lebensweg gegeben wurde, nicht hilflos in unwirtlicher Gegend (zum Beispiel unter einem parkenden Auto) ausgesetzt wird, wenn Differenzen über die Auslegung der Straßenverkehrsordnung nicht zum Totschlag führen und auch legitime Machthaber beim Umgang mit toten Gegnern einen Rest von Respekt beweisen.
Da auf dem Weg von "Tristan" über "Parsifal" und "Salome" zur "Elektra" von Richard Strauss, wie dieser ja auch selbst bemerkte, kein weiteres Vorankommen mehr war, entwickelte Orff seine im Purismus radikalen Modelle.
Die charakteristisch-karge Tonsprache basierte auf mittelalterlicher modaler Melodik, verzichtete in ihrer Akkordik weitgehend auf die Funktionalität der klassischen Harmonik und konstituierte vor allem aus Ostinato und rhythmisch geschärften Bewegungs-Impulsen jenen charakteristischen Sound, der sich dann wieder mit bewusst archaisierenden Formen des Musiktheaters verband. Es ist nicht zuletzt die Kunst des Aussparens, des in vielfältigen Formen deklamierten Wortes und der insistierenden Eintönigkeiten, die den eigenartigen Reiz des Orffischen Œuvres ausmachen.
Auch wenn es, als der hochbetagte Komponist 1982 starb, bereits recht ruhig um seine Arbeiten geworden war, so wurden die Errungenschaften des in den 30er Jahren entstandenen "Schulwerks" ebenso wie die aus dieser Zeit stammenden Hauptwerks "Carmina burana" fortdauernd anerkannt und praktiziert. Anders sah dies mit den zahlreichen Opern der Nachkriegszeit aus. Sie sind aus der Rezeptionsgeschichte so gut wie gänzlich herausgefallen.
Doch es nicht nur von musikgeschichtlichem und theaterhistorischem Interesse, dass und wie im Staatstheater Darmstadtnun Erinnerungsarbeit betrieben wurde. Zuvorderst bemerkenswert war die Ensemble-Leistung der - oft über größere Distanzen ganz auf sich allein gestellten - Sänger um Norbert Schmittberg, den im selbstbewussten Singen wie in allen Stadien der Anfechtung großartigen Parvenüs und Tyrannen Oedipus.
Erwähnenswert auch der als Analyst auftretende schwierige Rechthaber Tiresias, den Mark Adler so geschmeidig wie entschieden singt, und Andreas Daum, der dem Oedipus-Nachfolger Kreon wuchtiges Format des auf seine Gesetze pochenden, für Antigonae und den eigenen Sohn so verhängnisvollen Machthabers verschafft.
Stefan Blunier hat die Aufführungen sorgfältig vorbereitet und achtet auf hohe Präzision beim Zusammenwirken von Bühne und Graben. In ihm fehlen bis auf ein paar Kontrabässe alle Streicher und, abgesehen von ein paar solistischen und nur sehr sparsam zum Einsatz gelangenden Bläsern bei der "Antigonae" auch diese. Neben den zwei Harfen aber haben vier Klaviere wesentliche Funktion für die Impulse - und insbesondere das erheblich angereicherte Schlagwerk. Zentral aber bleibt die Chor-Gemeinschaft:
Das von Sophokles wie von Friedrich Hölderlin in Anschlag gebrachte Verhängnis erscheint als dramaturgischer Schlüsselbegriff nicht erst am Ende des zweiten Orff-Abends - doppeldeutig schillernd von Anfang an in Klage und Anklage wie als höhere Entschuldigungs-Instanz: "Vom zuvor gesetzten Verhängnis hat kein Sterblicher Befreiung". Ja, wenn das so ist, konnten die Besucher der Uraufführung 1949 ebenso denken so wie die heutigen, dann konnten und können wir ja gar nicht anders handeln, als wir taten und tun.
Dieses moralische Dilemma thematisiert John Dews Inszenierung so wenig wie die historischen Schichten der beiden Werke. In einer schlichten Ausstattung stellt sich das Verhängnis in aller Ruhe ein. Die Protagonisten stehen und deklamieren, psalmodieren und rezitieren.
Nur selten legt einer der Boten einen Zahn zu, um Nachricht von dem zu überbringen, was hinter der Kulisse an Schrecklichem sich zugetragen haben soll. Edle Einfalt, stille Größe - und kein Hauch von Brechung oder inszenatorischer Kommentierung des an Ungeheuerlichkeiten reichen Textes.
Schwer lastet ein rotes Dach auf dicken Pfetten, das sich für die
(Selbst-)Ergründung des Oedipus zum hinteren Bühnenrand herunterzieht. An gleicher Stelle in analoger Position zur "Antigonae" dann die etwas ruinierte Fassade eines Palastes. Die ruhige, unkritische Gangart wurde vom Publikum einvernehmlich akzeptiert.
Wenn es aber einen kritisch gegen Tyrannen gerichteten Impetus in den Orffschen Werken geben sollte, dann wartet dieser darauf, dass die heutigen Augen für ihn geöffnet werden. Wenn es aber einen kritisch gegen Tyrannen gerichteten Impetus in den Orffschen Werken geben sollte, dann wartet dieser darauf, dass die heutigen Augen für ihn geöffnet werden.
Einstweilen werden wir nur daran erinnert, dass sich manches Unheil vermeiden lässt, wenn ein Neugeborener, dem ein schlechtes Horoskop mit auf den Lebensweg gegeben wurde, nicht hilflos in unwirtlicher Gegend (zum Beispiel unter einem parkenden Auto) ausgesetzt wird, wenn Differenzen über die Auslegung der Straßenverkehrsordnung nicht zum Totschlag führen und auch legitime Machthaber beim Umgang mit toten Gegnern einen Rest von Respekt beweisen.