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Die Großen von einst
Verwaiste Innenstädte

Über 60 Warenhäuser des Karstadt-Kaufhof-Konzerns sollen schließen, dazu eine noch unbekannte Zahl von Karstadt Sport Filialen. Das ist ein Drama für Tausende von Mitarbeitern, aber auch eine städtebauliche Frage. Wie geht man mit den Riesenflächen um, die oft in allerbester Lage frei werden?

Nikolaus Bernau im Gespräch mit Anja Reinhardt |
ARCHIV - Das Warenhaus Karstadt am Berliner Hermannplatz auf einer Fotopostkarte um 1929, Schwarz-Weiß-Gesamtansicht von Südosten.
Das Karstadt-Kaufhaus um 1929 auf einer Fotopostkarte (picture alliance / akg-images)
Die aktuelle Krise von Karstadt-Kaufhof ist auch eine urbanistische Katastrophe. Denn einmal geschlossene Warenhäuser wieder zu öffnen, ist schwer, wie man in Eisenach und Görlitz sehen kann. In Thüringen steht das 1928 nach Plänen von Alfred Schmidt errichtete Kaufhaus, ein Musterbeispiel der Klassischen Moderne, inzwischen seit Jahrzehnten leer.
In Görlitz wurde das berühmte einstige "Kaufhaus der Oberlausitz", 1912 nach Plänen von Carl Schmanns eröffnet. 2009 wurde es geschlossen. Auch hier engagierte sich eine Bürgerinitiative, zeitweilig war die Nutzung des Gebäudes als Museum in der Debatte. 2013 konnte es der Investor Winfried Stöcker aus der Hertie-Insolvenz erwerben, 2018 begannen endlich die Umbauarbeiten, inzwischen wird nach Mietern für die neue Geschäftslage gesucht.
Was aber macht man mit den Riesenbauten, wenn sie nicht mehr als Warenhäuser genutzt werden können? Ins Berliner Warenhaus Jandorf am Weinbergspark sind nach jahrzehntelanger Vernachlässigung die Automobilkonzerne Daimler AG und BMW als Mieter eingezogen, mit Büronutzungen für ihre Carsharing-Angebote. Doch generell sind eher "Mixed Use" oder "Hybrid Spaces" die Lösung: Nicht mehr ein großer Einzelnutzer, auch nicht mehr nur eine Struktur wie etwa Geschäfte, sondern viele unterschiedliche Gewerbe, die sich gegenseitig stützen können.
Umnutzung allerorten
Im amerikanischen Ardmore wurde ein Gebäude des Kaufhausgiganten Macy’s in cooler Art-Deco-Architektur der 1930er-Jahre von Sportstudios mit Sauna und Wellnessservices übernommen, in einem anderen Macy`s entstand eine Boulder-Anlage zum Klettern und Toben, ein einstiges Sears-Kaufhaus in Wayne, New Jersey wurde zu einem Vergnügungszentrum mit 165 Spielautomaten, Billard, Festräumen und einer großen Sport-Bar. Und in Boston wurde der elegante Filene’s Department Store für Arztpraxen und Büros neu genutzt, Restaurants und Bars locken Kunden an, ebenso wie eine Filiale der Billig-Modekette Primark.
Zuweilen kann die Umnutzung auch das Wohnen miteinschließen: In Eschweiler wurde das Kaufhaus Breuer, 1946 und 1951 nach Plänen von Hellmuth Müller errichtet, mit altersgerechten Wohnungen ausgestattet, mit privaten, von außen uneinsehbaren Innenhöfen, Pflegestation und Geschäften im Erdgeschoss. Das Kaufhof am Berliner Anton-Saefkow-Platz von 1985 wurde ähnlich umgebaut, mit Wohnungen in den Obergeschossen, die sich auf einen gemeinsamen neuen Innenhof ausrichten, und Geschäftslokalen im Erdgeschoss.
Und dann bieten sich die Riesenbauten mit ihren überaus tragfähigen Decken auch für öffentliche Nutzungen an: In Chemnitz wurde "Das Tietz" für das Naturkundemuseum, die Sächsische Galerie, die Stadtbibliothek und die Volkshochschule neu eingerichtet. Das einstige Kaufhaus Schocken zum Archäologischen Museum Sachsens, in Plauen zog das Landkreisamt ins einstige Kaufhaus Horten. Eine Lösung, die etwa in Berlin-Tempelhof bereits debattiert wird, wo bisher ein neues Kulturzentrum geplant wurde, das nun im bisherigen Karstadt ein prachtvolles neues Heim gewinnen könnte. Wenn denn der Bezirk das Haus kaufen kann.