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Die grünen Blätter und der Weltraum

Satelliten können das Gras zwar nicht wachsen hören, aber sie können sehen, wie stark Pflanzen Fotosynthese betreiben. Denn dabei entsteht ein typisches Fluoreszenzlicht. Es ist zwar nur im Spektrometer sichtbar - aber auch aus dem Orbit.

Von Maximilian Schönherr | 14.08.2013
    Wenn Pflanzen Sonnenlicht aufnehmen, passiert zweierlei: Sie streuen einen Teil des Lichts zurück. Den anderen Teil nutzen sie zur Fotosynthese, also um ihren Energiehaushalt in Schwung zu halten. Wenn Pflanzen sehr viel Sonne abbekommen, können sie nicht alles eingefangene Licht in Bioenergie umsetzen; sie strahlen den Überschuss in bestimmten, immer gleichen, für das Chlorophyll typischen Frequenzen ab, als sogenanntes Fluoreszenzlicht. Wir können das mit bloßem Auge nicht sehen, aber in Spektrometern sieht es aus, als würden die Blätter rot glühen.

    Diesen subtilen Effekt vom Weltraum aus wahrzunehmen, ist nun Forschern im Goddard-Zentrum der NASA gelungen. Und dabei, so Teamleiterin Joanne Joiner, ist keines der Instrumente an Bord aktueller Klima- und Wettersatelliten dafür gedacht.

    Man muss sich also mit dem begnügen, was man von da oben an Daten bekommt, und das sind eigentlich Messungen der Ozonschicht mit einem Spektrometer an Bord des europäischen Wettersatelliten MetOp-A. Auch Bilddaten des japanischen Treibhausgas-Messsatelliten GOSAT kann Joanne Joiner verwenden - übrigens schon seit 2007:

    "Wir konnten mit GOSAT sehr dunkle Regionen des Sonnenlichtspektrums betrachten, und darin fanden wir das für Pflanzen typische Fluoreszenzmuster. Nach diesem Erfolg sahen wir uns die Daten des europäischen Satelliten an. Auch er zeigt dieses charakteristische Spektrum, wenn auch in viel schlechterer Auflösung. Dafür liefert der europäische Satellit exaktere Ortsdaten als der japanische."

    Beeindruckt von diesen Ergebnissen schaltete die Europäische Weltraumbehörde ESA das Spektrometer GOME-2 auf ihrem Ozonmesssatelliten in eine höhere Zoomstufe. Statt Regionen von 40 mal 80 Kilometern aufzulösen wie bisher, werden nun einzelne Agrarflächen und kleine Wälder sichtbar. Der Preis für die höhere Auflösung: Es dauert statt eines Tages einen Monat, bis der Satellit die Erde neu abgescannt hat.

    Joanne Joiner nutzt das Rechenzentrum der NASA, um die Spektrometerdaten zu analysieren. Pro Monat fallen etwa so viele Messdaten an, wie sie auf eine heute gängige Computerfestplatte passen: ein Terabyte. Mit hohem Rechenaufwand erstellt die Atmosphärenwissenschaftlerin daraus Filme, die die Chlorophyllaktivität auf der Erde zeigen. Im Sommer stärker auf der nördlichen Erdhalbkugel, im Winter stärker auf der südlichen. Joanne Joiner:

    "Wir können jetzt sogar nachweisen, dass das Fluoreszenzsignal abnimmt, bevor die grünen Blätter im Herbst braun werden. Die Pflanzen beenden die Fotosynthese also, während sie noch grün sind und wir dieses Grün auch vom Satelliten aus sehen."

    Das reflektierte Sonnenlicht, das Grün der Blätter, können Kameras aus dem Weltraum schon lange sehen. Mit der Fluoreszenzanalyse sehen sie Rot - und damit in die Zukunft. Selbst die dünnen Blätter von Nadelbaumbeständen entziehen sich den Satellitenspektrometern nicht: Die Kiefern und Tannen fahren, auch wenn sie grün bleiben, im Winter die Fotosynthese fast vollständig zurück.

    Die Anwendungen für die Zukunft sind vielfältig. Waldsterben lässt sich vorhersagen, bevor die Blätter absterben. Und die Klimaforscher dürfte es interessieren, wenn sie einen frühen Wintereinbruch berechnet haben, aber Joanne Joiner ihnen sagt: Leute, die Bäume denken noch gar nicht daran, ihre Fotosynthese einzustellen, ihr müsst euch verrechnet haben!

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