"Diese Urwahl, die wir jetzt zum zweiten Mal bei den Grünen durchführen, hat einen hohen Mobilisierungsgrad, weil die Mitglieder, aber auch Menschen, die sich für die Grünen interessieren, und vielleicht noch nicht Mitglied sind, gern mitbestimmen wollen, wer wird das Spitzenduo bei der Bundestagswahl 2017", erklärt der hessische Grünen-Chef Kai Klose. "Im Januar wird ja dann diese Urwahl tatsächlich stattfinden."
Die Grünen sind die einzige Partei in Deutschland, die ihre Mitglieder tatsächlich darüber abstimmen lässt, mit welchen Gesichtern, mit welchen Persönlichkeiten sie den Bundestagswahlkampf bestreiten wollen. Bis Weihnachten ziehen die vier potenziellen Spitzenkandidaten deshalb über das Land, stellen sich den Parteimitgliedern unterm Motto "Basis ist Boss" auf sogenannten Urwahlforen vor: Robert Habeck, Umweltminister von Schleswig-Holstein, Cem Özdemir, Bundesparteichef der Grünen, Anton Hofreiter und Katrin Göring-Eckardt, die Vorsitzenden der Bundestagsfraktion.
Das nächste Forum ist am kommenden Wochenende in Münster, eingebettet in den Bundesparteitag. Hier darf die Basis also gleich doppelt Boss sein: Denn es gilt, nicht nur die Kandidaten zu bewerten, sondern auch inhaltliche Entscheidungen zu treffen, die den Kurs der kleinen Partei im Wahljahr bestimmen sollen.
Das Schaulaufen birgt Risiken
Wie diese Basis so fühlt und tickt, lässt sich beim Schaulaufen der vier Kandidaten-Kandidaten in Mainz erahnen. Die 8.000 Mitglieder der beiden Landesverbände Hessen und Rheinland-Pfalz, plus sonstige Anhänger, sind geladen.
"Ich bin vor einer Woche in die Partei auch eingetreten, extra damit ich mich hier beteiligen kann, bei der Basiswahl." Die Grünen, meint Bastian Bielke, wollten die Welt verbessern, und er will dabei sein. Der junge Hesse aus Reichelsheim im Odenwald ist einer von 250 Besuchern beim Mainzer Urwahlforum. Die Alte Lokhalle hätte ein Vielfaches durchaus gefasst. Die bescheidene Resonanz spricht aber nicht unbedingt gegen den Mobilisierungseffekt der Urwahl – schließlich lässt sich das Kandidaten-Casting auch im Internet verfolgen. Mit der Urwahl demonstriert seine Partei Stärke, findet der Grünen-Kommunalpolitiker Hans-Jürgen Zinn aus Michelstadt im Odenwald. "Egal, wer gewinnt, wir als Grüne sind in der komfortablen Lage, vier Leute zu haben, die alle - sagen wir mal - geeignet und willens und in der Lage sind, das ist natürlich ein Riesen-Vorteil."
Doch das Schaulaufen birgt Risiken, soll heißen: Streitpotenzial. Steuern, Asyl-Kompromisse, der Umgang mit Putin – alles konfliktträchtig. Selbst die angestrebte grüne Agrarwende ist in ihren Nuancen umstritten. So nutzte der Kieler Umweltminister Robert Habeck das Auftakt-Forum in Hannover, um sich als Pragmatiker zu profilieren. Das bekam vor allem der Chef der Grünen-Bundestagsfraktion zu spüren. "Der Punkt ist ein anderer! Du kannst auch zehn Kühe scheiße halten", so eine der Habeckschen Attacken auf den Parteilinken Anton Hofreiter, gemünzt auf dessen Lieblingsthema Massentierhaltung. Das Wortgefecht der beiden: Einer der raren Momente, in denen die Unterschiede zwischen den Kandidaten sehr deutlich wurden. Mancher wünscht sich mehr davon, wie Rose Mathers, Mainzer Grüne der ersten Stunde: "Also, ich finde, die dürften sich ein bisschen aggressiver in der Öffentlichkeit darstellen."
Doch allzu viel offene Kontroverse ist der Partei-Regie zu gefährlich. Sie reagierte mit einem Kunstgriff zur Entschärfung: Potentiell Explosives wird in Mainz in einer Speed-Fragerunde abgehandelt, mit jedem Kandidaten separat. Wer nicht dran ist, bekommt so lange Musik über Kopfhörer.
"Ja, und ihr fangt nicht an zu tanzen– die anderen." Die Frankfurter Grünen-Geschäftsführerin Daniela Cappelluti spricht als Moderatorin die Frage an, die das Zeug hat, pünktlich zum Bundestagswahlkampf die Grünen zu spalten. "Wenn ich an die Vermögensteuer denke, dann …"
Es antworten in ausgeloster Reihenfolge Özdemir, Hofreiter, Habeck und Göring-Eckardt:
"…hoffe ich, dass wir es auf dem Parteitag schaffen, einen guten Kompromiss zu finden."
"…denke ich an die 600 Reichsten in Deutschland, die viele hundert Milliarden haben und trotz null Zinsen ihr Vermögen wieder um fünf bis sechs Prozent steigern konnten, und deswegen verstehe ich deren Panik überhaupt nicht."
"… denke ich mit Grausen an die BDK",
Er meint die Bundesdelegiertenkonferenz, sprich den Parteitag in Münster. Denkt Göring-Eckardt an die Vermögenssteuer –
"…hoffe ich, dass wir’s beschließen und es dann gut ist."
Der oft humorfreie Toni wirkt erstaunlich spritzig
Ihre Antworten werden deutlich weniger gespannt verfolgt. Eine Frau muss laut grünem Geschlechterproporz in der Kandidaten-Doppelspitze sein, damit gilt die einzige weibliche Anwärterin Göring-Eckardt als gesetzt. Nicht ideal, meint die Mainzer Grüne Astrid Becker. Aber: "Wir haben die Frauenquote, wir haben das Frauenstatut, und ich finde, das ist eine grüne Errungenschaft. Und das sind dann Situationen, die muss man dann mal aushalten."
Es hat aber zur Folge, dass sich das Publikum auf die männlichen westdeutschen Rivalen konzentriert: den bayerischen Biologen Hofreiter, den anatolischen Schwaben Özdemir und den Kieler Schriftsteller Habeck. Der Streitlustige weckt als Außenseiter Neugierde. Doch in der Speed-Fragerunde antwortet der vorschnelle Robert überraschend bedächtig. Der staatstragende Cem enttäuscht die Erwartungen nicht. Und der oft humorfreie Toni wirkt erstaunlich spritzig. Vor allem, wenn er, einziger linksgrüner Kandidat in der Runde, mit dem Image des sperrigen Fundi kokettiert - und damit die Grünen daran erinnert, dass sie früher alle mal sperrig waren.
"Wenn Hillary Clinton die Wahl gewinnt, dann twittere ich…"
"Ich twittere nicht. Denn wisst ihr, wenn so ein Typ wie ich twittern würde, dann hätte ich schon fünfmal zurücktreten müssen."
"Also, ich war ja inhaltlich von vornherein sehr für Toni Hofreiter eingenommen, ich hatte nur meine Zweifel, ob er jetzt rhetorisch und vom Charisma her so überzeugend sein kann. Und er hat mich heute überzeugt, durch seine leidenschaftliche und direkte Art, die Fragen zu beantworten, ich tendiere jetzt sehr stark zu ihm", bekennt die Wiesbadener Grüne Daniela Kornmüller. Ihre Parteifreundin Konny Küpper zweifelt weiterhin.
"Anton ist mit Sicherheit einer der kompetentesten auf dem Gebiet Klimapolitik, Umweltpolitik, absolut. Für mich persönlich spielt so ein bisschen im Moment die Rolle, was passiert, wenn jemand in eine Fernsehduell geht, wenn er sich messen muss mit anderen - er wirkt auf mich im Verhältnis zu den beiden anderen nicht so eloquent."
So unbeholfen Hofreiter im Raum sitzt, so geschmeidig weiß sich Habeck zu inszenieren. Frage an den Mann mit dem Drei-Tage-Bart: "Was würdest du den Grünen empfehlen, wie wir uns mehr mobilisieren können für diesen Wahlkampf?" Was Habeck für den Wahlkampf empfiehlt? "Es muss gelingen, dass wir zu einer Bewegung werden. Es geht nicht darum, einen Parteiwahlkampf zu führen, sondern ein Stückweit größer zu denken. Das ist auch der Grund für meine Kandidatur. Ich will nicht, dass wir nur in unserem eigenen Milieu mehrheitsfähig werden."
"Mein Angebot ist Regierungserfahrung", sagt der stellvertretende Ministerpräsident des rot-grün regierten Schleswig-Holstein. "Total gut", kommentiert Bastian Bielke, der eigens für die Urwahl eingetretene Nachwuchs-Grüne. "Und ich muss sagen, ich kann mich jetzt am besten mit dir identifizieren und würde dich auch am liebsten wählen, nur ich frage mich – ich find dich wirklich gut! – aber warum kenn ich dich nicht?!"
Özdemir, Hofreiter und Göring-Eckardt bespielen die Berliner Hauptstadt-Bühne, Habeck grätscht aus Kiel rein. Und nimmt man Stimmen in Mainz als aussagekräftige Momentaufnahme, schickt das Nordlicht sich an, seine Underdog-Rolle in einen Vorteil zu verwandeln.
"Ich glaube, es könnte einen Schub geben, dass es ein neues Gesicht in der Bundespolitik ist, das die Leute noch nicht kennen."
"In unserer Fragerunde wollte er die Grünen mehr als Bewegung definieren und weniger als reine Partei, und ich bin der Meinung, dass das nicht nur Wähler generiert, sondern die Partei auch in eine Richtung führt, sich selbst anders wahrzunehmen und reflektierter wahrzunehmen, und das finde ich gut."
"Ich glaube, was er gut kann, im Gegensatz auch zu den anderen, ist lange Linien zu zeichnen und trotzdem pragmatisch dabei sein."
Nicht nur bei den Spitzenkandidaten ist alles offen
Der Realo-Pragmatiker - war nicht diese Rolle längst besetzt, mit Cem Özdemir nämlich? Der stellt sich aufs Podest, gestikuliert heftig und spricht sehr laut. Özdemir muss den Eindruck korrigieren, er sei stramm auf Schwarz-grün-Kurs. Er könne mit allen und rede längst mit allen - mit Gregor Gysi, Dietmar Bartsch … "demnächst mit Wagenknecht. Die Armenien-Resolution konnte ich im Bundestag nur hinkriegen, indem ich im Bundestag mit allen einzelnen Fraktionen geredet habe und da auch gut vernetzt bin."
In der Rolle als Diplomat hat Özdemir seinen Parteifreund Hans-Jürgen Zinn beeindruckt. "Vor allen Dingen die Personality kommt natürlich bei Cem sehr gut rüber. Gewählt werden wir ja nicht von etwa 60.000 Grünen-Mitgliedern. Sondern da geht es ja um Millionen Stimmen. Und da ist - denke ich - Cem der Richtige."
Nach aktuellem Stand ist es durchaus noch nicht klar, welchen Mann die grüne Basis der Kandidatin Göring-Eckardt an die Seite wählen wird.
Und nicht nur bei den Spitzenkandidaten ist alles offen. Auch, wo die Partei gerade steht, was sie wirklich beschäftigt, lässt sich nach den bisherigen Urwahlforen schwer erkennen. Vor dem anstehenden Bundesparteitag steht nur so viel fest: Die parteiinterne Atmosphäre ist nicht gut.
"Ich würde sagen, es gab schon mal euphorischere Zeiten. Aber ich glaube, dass dieser Parteitag, gerade weil es viel Diskussionen um Personalia in den letzten Wochen gab, dass das auch ein großer Befreiungsschlag werden kann, und das erhoffe ich mir ein bisschen." So beschreibt es die Bundestagsabgeordnete aus Brandenburg, Annalena Baerbock. Als Mitglied der Antragskommission hat sie den Parteitag vorbereitet, kennt quasi jede Zeile aus den eingegangenen Forderungs- und Positionspapieren.
Die Ursachen für die kleine grüne Herbst-Depression sind vielfältig: Da ist die zähe Diskussion um Erbschafts- und Vermögenssteuer. Nicht schon wieder ein Steuerstreit, geht es manchem Grünen durch den Kopf: Das miese Wahlergebnis von 2013, wo die Grünen bei nur 8,4 Prozent landeten, lasten viele dem Steuererhöhungswahlkampf an. Das grüne Steuertrauma sitzt tief. Finanzpolitiker aus der Fraktion warnen schon davor, alte Fehler zu wiederholen. Baerbock versucht, den Eindruck der Zerrissenheit zu zerstreuen.
"Auch wenn es nach außen manchmal so wirkt, als würden wir Grüne uns dauernd über Steuern streiten, dem ist meiner Meinung nach gar nicht so. Es gibt ein bisschen Unklarheiten, in wie weit man sagt, man will eine Reform der Erbschaftssteuer oder auf eine hohe Vermögensbesteuerung."
Die Koalitionsdebatte werden die Grünen einfach nicht los
Nun soll es ein Kompromisspapier aus der Fraktionsspitze befrieden, das wiederum von Parteichef Özdemir torpediert wird. Auch Özdemirs Landesverband Baden-Württemberg will Familienunternehmen vor Belastungen schützen. Parteichefin Simone Peter setzt auf eine verbindliche Mehrheitsentscheidung: "Ich erwarte, dass sich der Parteitag hinter den guten Kompromiss der Fraktionsspitze, getragen von Toni Hofreiter, Katrin Göring-Eckardt, Britta Hasselmann und mehreren Dutzend Menschen aus der Fraktion, aus der Partei aus Bund und Ländern, dass sich die Partei dahinter stellt."
Zu den inhaltlichen Querelen kommt hinzu: Die Landtagswahlergebnisse - jenseits des großen Erfolgs in Baden-Württemberg - waren in diesem Jahr eher durchwachsen. Nur knapp drin sind die Grünen nach herben Verlusten im Landtag von Rheinland-Pfalz, mehr als eng war es auch in Sachsen-Anhalt. In Mecklenburg-Vorpommern hat es für einen Wiedereinzug in den Landtag gar nicht mehr gereicht. Etwas erfreulicher dagegen Berlin: Hier formierte sich nach leichten Verlusten der Grünen eine rot-rot-grüne Koalition.
CDU, FDP, SPD und Linke, die Grünen regieren auf Länderebene in vielen denkbaren – oder wie bei Schwarz-Rot-Grün in Sachsen-Anhalt bislang schwer denkbaren – Konstellationen mit. Nicht von Beliebigkeit, sondern von Eigenständigkeit zeuge das, so das Grünen-Mantra:
"Wir haben uns 2013 als Bundesvorstand das Motto der Eigenständigkeit gegeben, um starke grüne Inhalte voranzustellen und damit auch 2017 zu punkten."
"Wir gehen in Richtung uns als starke Grüne und führen keine Koalitionsdebatten zur Unzeit."
Doch damit enden schon die Gemeinsamkeiten, die Koalitionsdebatte werden die Grünen einfach nicht los. Das grüne Umwelt-Profil entlässt die Partei eben nicht aus der medial gestellten Frage, ob sie lieber der SPD oder der CDU zur Kanzlerschaft verhelfen will. Doch die anhaltenden Koalitionsspekulationen und Farbenspiele erschöpfen die Partei. Für die meisten Basis-Mitglieder sind sie irrelevant, offenbaren aber den Streit im Führungsduo Simone Peter und Cem Özdemir.
Linken-Flügel-Vertreterin Simone Peter macht keinen Hehl daraus, dass sie Rot-Rot-Grün vorzieht, so lobt sie im "Morgenmagazin" offensiv die Rentenpolitik von SPD-Arbeitsministerin Andrea Nahles. "Ich sehe Parallelitäten, zum Beispiel bei der Angleichung der Ost-Rente sind wir an der Seite von Andrea Nahles." In kleineren Runden wird Peter noch deutlicher.
Cem Özdemir dagegen gibt gern den ironisch gebrochenen Schwarz-Grün-Fan. "Das heißt für mich, als jemand, dem man nachsagt, dass er eher mit den Schwarzen kann, dass ich gerade deshalb erst recht mit der Linkspartei reden muss und abtesten muss, ob das was geht oder nicht."
Was die Lage nicht leichter macht: Einerseits reichert es den grünen Stolz an, bald in elf von 16 Bundesländern mitzuregieren – andererseits trumpfen die Regierungsgrünen aus den Ländern zunehmend selbstbewusst gegen die Bundesgrünen auf. Vor allem der erste grüne Ministerpräsident Winfried Kretschmann in Baden-Württemberg hält mit seinen Ansichten nicht hinterm Berg. In der ARD verkündet er in einer Talkshow, dass es derzeit niemanden gebe, der den Kanzler-Job besser als Angela Merkel machen könne. Der Fraktionsvorsitzende Anton Hofreiter bemüht sich um Coolness.
"Nein, mich ärgert so etwas schon lange nicht mehr. Denn ich weiß schon seit vielen Jahrzehnten, dass wir eine sehr, sehr plurale Partei sind, wo es Stimmen immer aus unterschiedlichsten Richtungen zu unterschiedlichsten Positionen gibt. Wenn ich mich darüber noch ärgern würde, dann käme ich zu nichts Vernünftigem mehr."
Parteichefin Simone Peter sieht sich mittlerweile genötigt, den deutlichen Wunsch nach Mäßigung und Geschlossenheit nach Stuttgart zu schicken. "Nichtsdestotrotz brauchen wir als Partei eine geschlossene Haltung, eine geschlossene Wahrnehmung nach außen. Das haben wir als Bundesgrüne, aber auch die anderen Bundesländer vor der Wahl in Baden-Württemberg gezeigt. Wir sind hier zusammengeblieben. Und das ist auch meine Erwartungshaltung jetzt mit Blick auf die Bundestagswahl."
Erst das Personal, dann das Programm
Solche Geschlossenheitsappelle verraten, welche Belastungsproben den Grünen noch bevorstehen. Die Wahl des Spitzenkandidaten wird dabei für Koalitions- und Richtungsentscheidungen nur wenig Orientierung bieten, findet der Göttinger Politikwissenschaftler und Parteienforscher Michael Lühmann. "Wenn man es einfach darstellen will, ist wahrscheinlich: Bei der Koalitionspräferenz, wäre eine Wahl von Hofreiter ein Fingerzeig Richtung rot-rot-grün. Und Özdemir eher Richtung schwarz-grün. Das ist ein Fingerzeig, sagt aber noch nichts darüber aus, was am Ende passieren wird."
Er erklärt, dass die unterlegenen Kandidaten sich mit dem Urwahl-Prozess immerhin Ministersessel erarbeitet haben könnten. "Dass die, die zurückbleiben, dass die nicht als geschwächte Personen da rausgehen. Dass man mit der Entscheidung der Basis gut leben kann. Dass die drei Herren, die zwei Verlierer und einen Sieger bilden, dass die weiterhin gut zusammen arbeiten. Weil jede der Personen für die Partei wichtig ist, für die Ansprache eines gewissen Flügels, eines gewissen Milieus, auch einer gewissen Stoßrichtung, unglaublich wichtig ist."
Man könne in die Mitglieder nicht reinschauen, so sieht es auch der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, der erst den Urwahlprozess und später den Bundestagswahlkampf für die Partei organisiert. Die Wahlbeteiligung bei der Kandidaten-Kür sei jedenfalls hoch, sagt der Bundesgeschäftsführer. "Wir hatten beim letzten Mal knapp über 60 Prozent. Und ich würde mich sehr freuen, wenn wir das wieder erreichen - und noch ein paar mehr." Nach der Urwahl-Entscheidung im Januar folge im März der erste Entwurf für ein Wahlprogramm, das ein Parteitag dann im Juni endgültig verabschieden werde, sagt Kellner. Also erst das Personal, dann das Programm.
Unmöglich, ein Ergebnis der Urwahl prognostizieren zu wollen - die grüne Basis sei immer für eine Überraschung gut, erklärt auch der Politikberater Heiko Kretschmer, Geschäftsführer bei Johannssen und Kretschmer. "Insoweit ist es tatsächlich die Frage, wählt der grüne Wähler bei der Urwahl eher taktisch motiviert - oder wählt er sehr überzeugungsorientiert? Wenn es eine überzeugungsorientierte Wahl gibt, dann glaube ich, dass die Flügelkandidaten schon vorne liegen."
Politikberater Kretschmer erinnert sich noch an die Urwahl vor dem Wahlkampf 2013. "Na, dazu gibt es keine wirklich gute Meinungsforschung. Das wäre mit Blick auf eine normale Wahl in Anführungsstrichen viel einfacher einzuschätzen. Bei der letzten Urwahl gab es Überraschungen, auch große Überraschungen. Gerade auf der Frauen-Seite hatten eigentlich alle mit einem anderen Ergebnis gerechnet." Denn aus dem Kandidaten-Casting 2013 ging bei den Frauen neben dem gesetzten Mann Jürgen Trittin überraschend Katrin Göring-Eckardt gegen die favorisierte Claudia Roth als Siegerin hervor.
Özdemir, Hofreiter, Habeck. Rechts, links, Mitte. Schwarz-grün oder rot-rot-grün, Ampel, Jamaika oder Opposition. Andere könnten die Partei um eine solche Auswahl beneiden. Aber vielleicht ist es eines der größten Probleme der Grünen, dass sie einfach zu viele Möglichkeiten haben.