Hier, im Zentrum der Altstadt, zwischen Rathaus und Peterskirche, stehen die berühmten Görlitzer Hallenhäuser. 32 gibt es davon heute noch. Einst waren es die prächtigsten Häuser der Stadt, erbaut von steinreichen Tuchhändlern, die darin ihre Waren verkauften. Für Touristen sind die Hallenhäuser heute gar nicht mehr so leicht zu finden. Denn könnte sich nicht hinter jeder prächtigen Fassade in dieser an mittelalterlichem Glanz so reichen Stadt ein Hallenhaus verbergen?
"Normale Leute würde ich nicht hochlassen. Nur privilegierte Leute kommen hoch. Normale Leute trinken hier nur Bier." Rainer Michel, gebürtiger Kölner, macht einen kleinen Scherz, bevor er sein Hallenhaus zeigt. Im Mittelalter war es tatsächlich so: Die einfachen Leute durften nur die erste, etwas geduckt wirkende Vorhalle der Hallenhäuser betreten, in denen auch Bier gebraut und verkauft wurde.
"Wir gehen jetzt hoch zusammen. Und wir gehen in eine der sehr wirkungsvollen Haushallen." Die steinernen Stufen führen etwas empor. Dann öffnet sich das Haus ganz plötzlich weit nach oben, etwa 12 bis 15 Meter. Das ist die Halle - hell vom Tageslicht, das durch die Fenster dringt, beleuchtet. "Die Halle hat auch eine Symbolik, die heißt: Ich habe den besten Stoff, sonst könnte ich mir das nicht leisten."
Die Hausherren wollten damals ihre Kunden vor allem beeindrucken. Sie konnten auch ihre Tuchballen von oben in ganzer Länge herablassen und so ihren Kunden die Qualität der Stoffe und Farben vor Augen führen. Das zur Decke gehörende Rippengewölbe ist heute in Michels Haus nicht mehr vorhanden. Dafür eine imposante Holztreppe, die gewunden die Halle emporführt. Und zwei in Stein gemeißelte Büsten. "Das ist also der Handelsherr, der Tuchhändler, einer dieser privilegierten Leute." Der Tuchhändler und seine Frau haben sich hier vor vielen hundert Jahren in der Halle verewigt.
Um das Jahr 2000 wurde Michel stolzer Besitzer dieses Patrizierhauses. Der studierte Theologe hatte nach der Wende in Görlitz einige Jahre für die evangelische Kirche gearbeitet. Später kam der Kölner dann wieder nach Görlitz zurück, um sich hier endgültig niederzulassen. Der fast komplett erhaltenen Altstadt wegen und solcher faszinierender Häuser, die damals niemand besitzen wollte. Sie sind ja auch wirklich schwer zu nutzen, solche alten Häuser mit ihren riesigen Hallen, die fast ein Drittel der Bausubstanz ausmachen können. Die alte Treppe führt an Balkonartigen Ausbuchtungen vorbei.
"Und sie führt uns in das nächste Besondere dieses Hauses. Eine alte Schwarzküche ist noch da." Ein riesiger schwarzer Abzugsschacht öffnet sich hier unter der gesamten Küche und führt bis zum Dach. "Das heißt also eine Küche über drei Etagen. Sie hat zwei Feuerstellen." Hier wurde gekocht, geräuchert und das Haus beheizt. Außerdem konnte das offene Feuer abends das riesige Treppenhaus beleuchten. "Sie haben hier Kartoffeln liegen, kochen Sie hier noch?" "Nein, das geht nicht. Es dauert etwa drei Stunden, bis der Abzug richtig gewährleistet ist, vorher geht alles ins Treppenhaus. Und dann muss ich es Tag und Nacht anhalten, das Feuer. Wenn es ausgeht, muss ich es ja wieder anmachen. Dann dauert es wieder drei Stunden, bis es wegzieht. Das heißt also, Du kannst es nicht mehr richtig nutzen oder du brauchst Personal."
Es sei eigentlich ein sinnloser Raum, erzählt Michel. Ab und zu könne man ihn Besuchern zeigen, sonst habe er keine Funktion mehr. Doch wie die meisten anderen Görlitzer Hallerhäuser ist auch das von Rainer Michel öffentlich gar nicht zugänglich. Neugierige Touristen muss er nicht aufschließen. Er ist, erzählt er ganz offen, häufig sogar genervt von den vielen, die im Sommer klopfen und die Halle sehen wollen oder vielleicht auch die Schwarzküche und die imposante, uralte Treppe. Die in dem Haus vorhandenen Wohnräume mit bemalten Decken aus der Renaissance oder die über vier Meter hohen, teils kapellenartigen Gewölbe könnten ohnehin nicht vorgeführt werden, da sie vermietet sind.
"So, ich zeige ihnen jetzt noch ein zweites Hallenhaus." "Haben Sie noch ein zweites Hallenhaus?" "Ja." Auch hier wieder: mittelalterliche Pracht hinter verschlossenen Türen. Einer aber, erzählt Rainer Michel, komme in Görlitz in fast jedes Hallenhaus, weil er Stadtführungen macht und sich mit den Eigentümern gut versteht. Frank Vater: gebürtiger Görlitzer, Architekt und Kenner dieser an bedeutenden Denkmälern so reichen Stadt. Außerdem ist er Autor des schönen Buches: "Görlitz - eine Stadt mit vielen Gesichtern".
"Würden sie sagen, die schönsten Hauser sind der Öffentlichkeit zugänglich?" "Och, schön, ist was Relatives." "Oder ist es doch so, dass man die Hallenhäuser als Tourist oder als Reisender gar nicht so erleben kann, wie man es gerne würde?" "Doch, kann man, es gibt Möglichkeiten, die zu sehen, indem man einfach eine entsprechende Führung ordert. Das Handicap ist, nicht so sehr, dass sie nicht zugänglich wären grundsätzlich. Aber die Häuser haben ja alle irgendeine Nutzung. Das sind ja keine Museen."
Mit etwas Zeit und Geduld ist die Schönheit dieser Häuser aber zu entdecken. Hallenhäuser in Görlitz sind heute nicht nur private Wohnhäuser, sondern auch Hotels und Restaurants - oft bis ins Detail liebevoll restauriert in der einst so zerfallenen Altstadt.