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Die heilige Dreifaltigkeit: Bier, Dirndl und Lederhosen

Für Millionen von Besuchern wird das Oktoberfest jedes Jahr wieder zu einer Art Religion hochstilisiert. Die Wiesn-Tracht reduziert sich auf ein Outfit: Dirndl für die Dame, Lederhosen für den Herren. Gebraucht oder neu, günstig oder teuer - die Wiesn-Tracht bietet unendlichen Spielraum an Variationen.

Von Andi Hörmann |
    "Tradition. Sieht schön aus. Und macht auch einfach Spaß, an solchen Anlässen so etwas anzuziehen."

    Das Dirndl für die Frau, die Lederhosen für den Mann. Für den einen: Festtagskleidung mit Tradition. Für den anderen: Party-Uniform zum Bier-Exzess. Sicher aber ein Modephänomen. Simone Egger vom Institut für Volkskunde an der Uni München vergleicht die Dirndl und Lederhosen deswegen gerne mit Kostümen von Schauspielern - auf der Welt-Bühne Oktoberfest. In ihrer Magisterarbeit hat sie den Boom um die Wiesn-Trachten untersucht.

    "Es war zuerst so ein Trend. So: Ich gehe spielerisch mit den Sachen um und es ist gerade lustig. Dann hat sich das zu einem richtigen Hype entwickelt. So: 2005, 2006, 2007. Und dann ist aber eben etwas passiert, was wirklich einzigartig ist: Es ist einfach Standard geworden. Es ist selbstverständlich, dass man diese Art von Kleidung hat, und dass dieser Umgang mit Heimat-, Bayernbilder, und so weiter, einfach eine ganz, ganz wichtige Rolle spielt. Auch wieder im Alltagsleben."

    Secondhand oder neu, von 19- bis über 2000-Euro - Die Wiesn-Tracht bietet einen unendlichen Spielraum an Variationen: Länge und Farbe, Material und Muster - nur die Grundform ist seit dem ausgehenden 19. Jahrhundert immer die gleiche: Kniebundhose aus Hirschleder mit Schnürung an den Seiten. Das Dirndl: ein enges Mieder-Oberteil mit angereihtem Rock und Schürze.

    "Man kann davon ausgehen, dass das Dirndl-Gewand das Unterkleid der Magd war. Was die unter ihrem normalen Arbeitsgewand anhatte: Rock und ein engeres Oberteil. Und ausgehend von diesem Untergewand der Dirndl - das ist ja das bayerische Wort für Mädchen - hat eine Schneiderin dieses Modell übertragen in ein Sommerkleid für die Städterin. Das heißt: Im Grunde versinnbildlicht das von Anfang an die urbane Vorstellung vom Land."

    Berge und Kühe, Wald- und Wiesen-Romantik. Bei den Wiesn-Trachten mischt sich Alpen-Chic und Rustikales mit der Idee von Brauchtum und Tradition. Münchner Designer-Läden werben zum Oktoberfest mit Slogans wie "Pimp My Dirndl". Sozusagen: Aus alt mach neu, aus wenig Tracht mach viel Mode. Judith Nemec zum Beispiel veredelt in ihrem Werkstatt-Laden gebrauchte Dirndl. "Dirndlmenüs" nennt sie ihre Kreationen aus blumigen Ansteckmaterialien und bedruckten Schürzen.

    "Die Schürzen hier: Pro Farbe gibt es ein anderes Motiv. Hier das Alpenpanorama. Das ist wirklich ein Foto gemacht, auf Stoff gedruckt und hier dran gearbeitet. Hier ist der röhrende Hirsch. Oder die München-Variante: Mit der Bavaria."

    "Es sind auch wirklich Kunden, die sagen: Das ist mein Dirndl, das ist mein allererstes. Das habe ich gekauft, als ich 16 war und das finde ich schön. Das ist ein Stück Tradition und man verändert es ein bisschen. Also ich entstelle sie jetzt auch nicht. Ich sage nicht: Auf Teufel komm raus, muss ich jetzt da alles drauf machen, was ich hier zu bieten habe. Man schaut schon: Was will die Kundin, was will auch das Dirndl."

    Die Wiesn-Trachten: Symbol für Gemeinschaftsgefühl, Demonstration von Zugehörigkeit und Sehnsucht der Großstädter nach Heimatverbundenheit. Und mehr noch: Globales im Lokalen verorten. Für den exotischen Geschmack gibt es etwa auch Dirndl aus afrikanischen Stoffen. Die Volkskundlerin Simone Egger sieht jedenfalls auch in der Kombination verschiedener Welten, Geschmäcker und aktuellen Modetrends das Erfolgsgeheimnis. Wie sie selbst mit ihrer eigenen Wiesn-Tracht zeigt, wird gerne der Alltagsstil auf die moderne Tracht übertragen.

    "Mein Dirndl ist ganz lang. Himbeere-Farben. Und ich habe eine grüne Schürze mit so einem Streublümchen-Muster. Da kann man sicher sehen, dass das auch meinem sonstigen Kleidungsstil entspricht. Das ist etwas, warum wohl diese Art von Kleidung auch so gut funktioniert: dass die jeder in seinen alltäglichen Stil einpassen kann. Wer also ansonsten seine Hose immer baggy trägt, der wird die Lederhose auch baggy tragen. Wer ansonsten Jeansjacke anhat, der wird die Jeansjacke auch zum Dirndl tragen."