Gerd Breker: Die Münchener Sicherheitskonferenz ist weit mehr als nur die Zusammenkunft von Experten. Die Tatsache, dass immer mehr Politiker München nutzen, um nicht nur die eigenen Positionen darzustellen, sondern eben zwischen den Terminen das informelle Gespräch miteinander suchen, hat die Sicherheitskonferenz sehr politisch werden lassen. Ja inzwischen werden Erwartungen geweckt, etwa in Bezug auf Bewegung im verfahrenen Syrienkonflikt, oder auf Bewegung im iranischen Atomprogramm. So hat US-Vize Biden direkte Gespräche mit dem Iran in Aussicht gestellt und der iranische Außenminister hatte in München wortreich solches befürwortet. Der Unions-Außenpolitiker Philipp Mißfelder sieht denn auch gleich jede Menge Hoffnungsschimmer:
Philipp Mißfelder: " Ich nehme die Gesprächsbereitschaft sehr, sehr ernst und ich glaube auch, dass das eine Ausgangssituation jetzt sein kann, in der wir noch einmal einen diplomatischen Hoffnungsschimmer sehen. Ich glaube, das Angebot der Iraner wäre nicht gekommen, wenn wir die Sanktionen nicht so konsequent auch durchgesetzt hätten."
Breker: Philipp Mißfelder war das. – Am Telefon sind wir nun verbunden mit Michael Lüders, Autor des Buches "Iran: Der falsche Krieg." Guten Tag, Herr Lüders!
Michael Lüders: Schönen guten Tag, Herr Breker.
Breker: Das Jahr 2013 wird die Entscheidung bringen müssen um friedliche oder militärische Lösungen des iranischen Atomprogramms, oder?
Lüders: Ja, so könnte man denken. Es ist natürlich nie gut, wenn man sich in der Politik unter Zeitdruck setzen lässt, aber nachdem Barack Obama Ende des vorigen Jahres doch hat verlauten lassen, dass er bis Mitte 2013 einen Durchbruch erwarte mit dem Iran, ist er natürlich in gewisser Weise unter Zugzwang. Direkte Verhandlungen, das ist jetzt das Zauberwort. Diese Ankündigung gibt es schon seit Längerem. Allerdings haben bislang nur wenige Begegnungen zwischen iranischen und amerikanischen Delegationen stattgefunden und nach allem, was man erfährt, sind diese Begegnungen auch eher frostig. Die ideologischen Differenzen beider Seiten sind sehr groß und vor allem muss man sich natürlich fragen, von westlicher Seite auch fragen, was man eigentlich will: das Atomprogramm des Iran politisch unter Kontrolle zu bringen, oder will man mithilfe der Sanktionen einen Regimewechsel in Teheran herbeiführen, was einige, vor allem konservative Kräfte in den USA und anderswo noch immer hoffen.
Breker: Die Frage ist auch, Herr Lüders, mit wem auf iranischer Seite man reden will. Im Iran stehen Wahlen an.
Lüders: Im Iran stehen Wahlen an und wer diese gewinnen wird, ist gegenwärtig völlig offen. Werden es Hardliner sein aus dem Umfeld von Ahmadinedschad, oder werden es gemäßigtere Kräfte sein, das alles lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht eruieren. Aber offen gestanden spielt es auch gar keine Rolle, wer im Iran an der Macht ist, denn dieser Konflikt um das Atomprogramm mit dem Iran hat sich ja nicht erst unter Ahmadinedschad und seinen unsäglichen antiisraelischen Ausfällen zugespitzt, sondern schon unter seinem Vorgänger Khatami. Und vergessen wir nicht, dass der im Jahr 2003 ein sehr weit reichendes Angebot an die USA unterbreitet hat mithilfe Schweizer Diplomatie. Die Schweiz nimmt die diplomatischen Interessen der USA in Teheran wahr. Damals hatte also Khatami angeboten, nicht nur die Beziehungen zu den USA zu normalisieren, sondern sogar Israel anzuerkennen und die Unterstützung von Hamas und Hisbollah einzustellen. Der damalige Schweizer Unterhändler ist unter der Regierung Bush sehr dafür angegangen worden, dass er überhaupt nur diesen Vorschlag unterbreitet habe. Diese Erfahrung sitzt natürlich in Teheran tief. Wenn selbst ein auch im Westen anerkannter Gemäßigter wie Khatami mit einem sehr weit reichenden Vorstoß ins Leere gelaufen ist, dann haben natürlich die Hardliner im Iran erst einmal Oberwasser.
Breker: Die Frage bleibt: Mit wem kann man reden. Wenn US-Vize Biden sagt, wir sind zu einem Dialog auf Augenhöhe bereit, mit wem will er da reden?
Lüders: Nun, die oberste Instanz im Iran ist auf jeden Fall der Revolutionsführer. Er ist derjenige, der gewissermaßen die Spielregeln setzt. Und unbeachtet der verschiedenen Machtzentren, die es im Iran gibt, ist es natürlich die Aufgabe der iranischen Regierung, über diese Dinge zu verhandeln. Die Frage ist nur, wie kann das geschehen. Wie gesagt, es geht einmal um die Frage, will man das Atomprogramm unter Kontrolle bringen, oder will man einen Regimewechsel herbeiführen im Iran. Wenn man sich allein auf das Atomprogramm beschränken will, bleibt die Frage, sind wir im Westen bereit, sind die USA, sind Israel, sind die Europäer bereit, den Iran als einen regionalen Machtfaktor im Nahen und Mittleren Osten zu akzeptieren ja oder nein. Die Antwort lautet wahrscheinlich eher auf nein, und das macht die ganze Sache sehr schwierig. Vergessen wir auch nicht, dass es in den USA ein Gesetz gibt, nämlich den sogenannten Iran Threat Reduction Act, also das Gesetz zur Verringerung der iranischen Gefahr. Dieses untersagt es der amerikanischen Regierung, direkte Gespräche mit dem Iran zu führen. Die finden trotzdem statt, aber gewissermaßen im Dunstkreis, das kann nicht wirklich offiziell werden, und es ist sehr schwierig, hier wirklich Bewegung hineinzubekommen. Vergessen wir nicht, dass die USA und der Iran seit der iranischen Revolution 1979 und der damaligen Geiselnahme amerikanischer Diplomaten in Teheran kaum bilaterale Gespräche geführt haben. Insofern ist es natürlich sehr schwierig, wenn jetzt das Zeitfenster eigentlich nur bis in den Sommer dieses Jahres hineinreicht.
Breker: Wenn man eine diplomatische Lösung im Streit um das iranische Atomprogramm erreichen will, dann muss man ja irgendwie auch zusammenarbeiten. Es muss ja kontrolliert werden, man braucht auch eine gewisse Vertrauensbasis. Bislang allerdings hat der Iran gelogen, dass die Balken sich nur so bogen. Kann man da glauben, dass jetzt alles offen und ehrlich und transparent ablaufen könnte?
Lüders: Ja das ist natürlich die größte Schicksalsfrage, und in der Politik kommt es leider sehr selten vor, dass man offen und ehrlich miteinander umgeht. Sie haben vollkommen recht: Natürlich hat die iranische Führung in den letzten Jahren immer wieder gelogen, dass sich die Balken bogen. Das gilt aber nicht nur für die iranische Seite, das gilt auch für die andere Seite. Sehr empfehlenswert ist die Lektüre der Memoiren von Mohammed el-Baradei, des vormaligen Inspektors der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien, der unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass dieses Atomproblem mit dem Iran längst hätte gelöst werden können, aber seine Erfahrung mit den Verhandlungen war, dass man seitens des Westens, namentlich der USA, immer wieder Druck ausgeübt hat auf die IAEA, eben keine Lösung zu finden, weil man diesen Konflikt am Kochen halten wollte, um den Iran politisch zu isolieren. Wie gesagt: dies die Aussage von Mohammed el-Baradei, nachzulesen in seinen Memoiren. Es ist also so, dass beide Seiten nicht wirklich offen und ehrlich miteinander umgehen. Das ist gefährlich, vor allem, weil die Region ja insgesamt immer mehr eine Eskalation erfährt, vor allem auch durch den Bürgerkrieg in Syrien, der eine weitere Verschärfung erfahren hat durch den israelischen Angriff auf eine syrische Stellung beziehungsweise auf syrische Waffen, die für den Iran bestimmt waren, iranische Waffen, russische Waffen. Das ist eine gefährliche Eskalation. Wenn der Iran dafür Vergeltung übt, haben wir sehr schnell eine Eskalation, die äußerst gefährlich werden kann.
Breker: Wenn es denn keine diplomatische Lösung gibt im Streit um das iranische Atomprogramm, dann muss es eine militärische geben.
Lüders: In der Tat: Darauf läuft es hinaus nach westlicher Logik. Ob es diese wirklich geben muss, das darf man sehr bezweifeln. Schauen wir uns die Region an von Westafrika, Mali und Libyen bis hin nach Pakistan - überall Instabilität. Im Grunde genommen ist der Iran die einzige verbliebene "stabile Insel" in dieser Region mit einer funktionierenden Regierung und mit einer funktionierenden Zentralstaatlichkeit. Wenn man den Iran angreift, wird das natürlich Konsequenzen haben. Die Iraner werden dann Israel angreifen über die Hisbollah und sie werden natürlich auch amerikanische Interessen in der Region bedrohen, amerikanische Soldaten in Afghanistan und anderswo angreifen. Aber in der Tat, die Logik läuft darauf hinaus: Wenn es keine Lösung gibt mit dem Iran, dann wird man im Westen argumentieren, der Iran habe sich einer friedlichen Lösung verweigert, man habe lange genug miteinander diskutiert und verhandelt, aber der Iran wolle keine Lösung, deswegen bleibe nur der Krieg, um das Äußerste zu verhindern. Und es gibt Überlegungen, die hat Ehud Barak, der vormalige israelische Verteidigungsminister, ins Gespräch gebracht, dass die Amerikaner begrenzte Angriffe ein paar Tage lang auf iranische Atomanlagen führen könnten, in der Hoffnung, damit den Iran in die Schranken zu weisen, so wie man das jetzt in Syrien auch gesehen hat mit dem israelischen Angriff. Es gibt also den Glauben, mit begrenzten, einmaligen oder kurzen Schlägen ein klares Zeichen zu setzen. Das ist allerdings eine gefährliche Strategie, denn wenn die iranische Seite sich darauf nicht einlässt und zurückschießt, dann haben wir eine sehr gefährliche Situation. In dem Moment, wo die Hisbollah beispielsweise Iran beschießt, steht die Region wirklich in Flammen.
Breker: Also das Jahr 2013 wird die Entscheidung bringen, wie der Streit ausgeht?
Lüders: Ja, mit großer Wahrscheinlichkeit, denn wie gesagt, wenn der amerikanische Präsident doch klare Zeitbegrenzungen benennt, nämlich den Sommer diesen Jahres, dann hat er ja im Prinzip nur zwei Möglichkeiten. Entweder er lässt den Sommer verstreichen und es wird weiter verhandelt ins nächste, ins übernächste Jahr hinein, dann steht er aber da als der Führer einer Weltmacht, der zwar rhetorisch stark ist, aber seinen Worten keine Taten folgen lässt. Er hat dann eigentlich keine andere Wahl, als entweder noch einmal ein scharfes Zeichen zu setzen in Form von stärkeren Sanktionen, oder aber er muss in der Tat militärisch etwas vorweisen. Und es mag ja auch sein, dass vor diesem Hintergrund die Stationierung weiterer US-Kampfflugzeuge in den Vereinigten Arabischen Emiraten zu interpretieren ist. Diese Flugzeuge wären in der Lage, iranische Atomanlagen gezielt mit bunkerbrechenden Waffen anzugreifen. Diese Maschinen sind erneuert und verstärkt worden, insgesamt 20 befinden sich mittlerweile in den Arabischen Emiraten, in Abu Dhabi. Und viele, nicht zuletzt der israelische ehemalige Verteidigungsminister Ehud Barak, interpretieren das als die Bereitschaft der USA, in diese Richtung militärisch zu denken. Es ist interessant, dass die Initiative nunmehr in Sachen Iran von Israel auf die USA sich verlagert hat. Die Entscheidung über einen Angriff auf den Iran wird nunmehr in Washington gefällt werden und nicht in Tel Aviv.
Breker: Die Einschätzung von Michael Lüders, er hat das Buch geschrieben "Iran: Der falsche Krieg." Herr Lüders, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.
Lüders: Vielen Dank.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Philipp Mißfelder: " Ich nehme die Gesprächsbereitschaft sehr, sehr ernst und ich glaube auch, dass das eine Ausgangssituation jetzt sein kann, in der wir noch einmal einen diplomatischen Hoffnungsschimmer sehen. Ich glaube, das Angebot der Iraner wäre nicht gekommen, wenn wir die Sanktionen nicht so konsequent auch durchgesetzt hätten."
Breker: Philipp Mißfelder war das. – Am Telefon sind wir nun verbunden mit Michael Lüders, Autor des Buches "Iran: Der falsche Krieg." Guten Tag, Herr Lüders!
Michael Lüders: Schönen guten Tag, Herr Breker.
Breker: Das Jahr 2013 wird die Entscheidung bringen müssen um friedliche oder militärische Lösungen des iranischen Atomprogramms, oder?
Lüders: Ja, so könnte man denken. Es ist natürlich nie gut, wenn man sich in der Politik unter Zeitdruck setzen lässt, aber nachdem Barack Obama Ende des vorigen Jahres doch hat verlauten lassen, dass er bis Mitte 2013 einen Durchbruch erwarte mit dem Iran, ist er natürlich in gewisser Weise unter Zugzwang. Direkte Verhandlungen, das ist jetzt das Zauberwort. Diese Ankündigung gibt es schon seit Längerem. Allerdings haben bislang nur wenige Begegnungen zwischen iranischen und amerikanischen Delegationen stattgefunden und nach allem, was man erfährt, sind diese Begegnungen auch eher frostig. Die ideologischen Differenzen beider Seiten sind sehr groß und vor allem muss man sich natürlich fragen, von westlicher Seite auch fragen, was man eigentlich will: das Atomprogramm des Iran politisch unter Kontrolle zu bringen, oder will man mithilfe der Sanktionen einen Regimewechsel in Teheran herbeiführen, was einige, vor allem konservative Kräfte in den USA und anderswo noch immer hoffen.
Breker: Die Frage ist auch, Herr Lüders, mit wem auf iranischer Seite man reden will. Im Iran stehen Wahlen an.
Lüders: Im Iran stehen Wahlen an und wer diese gewinnen wird, ist gegenwärtig völlig offen. Werden es Hardliner sein aus dem Umfeld von Ahmadinedschad, oder werden es gemäßigtere Kräfte sein, das alles lässt sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht eruieren. Aber offen gestanden spielt es auch gar keine Rolle, wer im Iran an der Macht ist, denn dieser Konflikt um das Atomprogramm mit dem Iran hat sich ja nicht erst unter Ahmadinedschad und seinen unsäglichen antiisraelischen Ausfällen zugespitzt, sondern schon unter seinem Vorgänger Khatami. Und vergessen wir nicht, dass der im Jahr 2003 ein sehr weit reichendes Angebot an die USA unterbreitet hat mithilfe Schweizer Diplomatie. Die Schweiz nimmt die diplomatischen Interessen der USA in Teheran wahr. Damals hatte also Khatami angeboten, nicht nur die Beziehungen zu den USA zu normalisieren, sondern sogar Israel anzuerkennen und die Unterstützung von Hamas und Hisbollah einzustellen. Der damalige Schweizer Unterhändler ist unter der Regierung Bush sehr dafür angegangen worden, dass er überhaupt nur diesen Vorschlag unterbreitet habe. Diese Erfahrung sitzt natürlich in Teheran tief. Wenn selbst ein auch im Westen anerkannter Gemäßigter wie Khatami mit einem sehr weit reichenden Vorstoß ins Leere gelaufen ist, dann haben natürlich die Hardliner im Iran erst einmal Oberwasser.
Breker: Die Frage bleibt: Mit wem kann man reden. Wenn US-Vize Biden sagt, wir sind zu einem Dialog auf Augenhöhe bereit, mit wem will er da reden?
Lüders: Nun, die oberste Instanz im Iran ist auf jeden Fall der Revolutionsführer. Er ist derjenige, der gewissermaßen die Spielregeln setzt. Und unbeachtet der verschiedenen Machtzentren, die es im Iran gibt, ist es natürlich die Aufgabe der iranischen Regierung, über diese Dinge zu verhandeln. Die Frage ist nur, wie kann das geschehen. Wie gesagt, es geht einmal um die Frage, will man das Atomprogramm unter Kontrolle bringen, oder will man einen Regimewechsel herbeiführen im Iran. Wenn man sich allein auf das Atomprogramm beschränken will, bleibt die Frage, sind wir im Westen bereit, sind die USA, sind Israel, sind die Europäer bereit, den Iran als einen regionalen Machtfaktor im Nahen und Mittleren Osten zu akzeptieren ja oder nein. Die Antwort lautet wahrscheinlich eher auf nein, und das macht die ganze Sache sehr schwierig. Vergessen wir auch nicht, dass es in den USA ein Gesetz gibt, nämlich den sogenannten Iran Threat Reduction Act, also das Gesetz zur Verringerung der iranischen Gefahr. Dieses untersagt es der amerikanischen Regierung, direkte Gespräche mit dem Iran zu führen. Die finden trotzdem statt, aber gewissermaßen im Dunstkreis, das kann nicht wirklich offiziell werden, und es ist sehr schwierig, hier wirklich Bewegung hineinzubekommen. Vergessen wir nicht, dass die USA und der Iran seit der iranischen Revolution 1979 und der damaligen Geiselnahme amerikanischer Diplomaten in Teheran kaum bilaterale Gespräche geführt haben. Insofern ist es natürlich sehr schwierig, wenn jetzt das Zeitfenster eigentlich nur bis in den Sommer dieses Jahres hineinreicht.
Breker: Wenn man eine diplomatische Lösung im Streit um das iranische Atomprogramm erreichen will, dann muss man ja irgendwie auch zusammenarbeiten. Es muss ja kontrolliert werden, man braucht auch eine gewisse Vertrauensbasis. Bislang allerdings hat der Iran gelogen, dass die Balken sich nur so bogen. Kann man da glauben, dass jetzt alles offen und ehrlich und transparent ablaufen könnte?
Lüders: Ja das ist natürlich die größte Schicksalsfrage, und in der Politik kommt es leider sehr selten vor, dass man offen und ehrlich miteinander umgeht. Sie haben vollkommen recht: Natürlich hat die iranische Führung in den letzten Jahren immer wieder gelogen, dass sich die Balken bogen. Das gilt aber nicht nur für die iranische Seite, das gilt auch für die andere Seite. Sehr empfehlenswert ist die Lektüre der Memoiren von Mohammed el-Baradei, des vormaligen Inspektors der Internationalen Atomenergiebehörde in Wien, der unmissverständlich zum Ausdruck gebracht hat, dass dieses Atomproblem mit dem Iran längst hätte gelöst werden können, aber seine Erfahrung mit den Verhandlungen war, dass man seitens des Westens, namentlich der USA, immer wieder Druck ausgeübt hat auf die IAEA, eben keine Lösung zu finden, weil man diesen Konflikt am Kochen halten wollte, um den Iran politisch zu isolieren. Wie gesagt: dies die Aussage von Mohammed el-Baradei, nachzulesen in seinen Memoiren. Es ist also so, dass beide Seiten nicht wirklich offen und ehrlich miteinander umgehen. Das ist gefährlich, vor allem, weil die Region ja insgesamt immer mehr eine Eskalation erfährt, vor allem auch durch den Bürgerkrieg in Syrien, der eine weitere Verschärfung erfahren hat durch den israelischen Angriff auf eine syrische Stellung beziehungsweise auf syrische Waffen, die für den Iran bestimmt waren, iranische Waffen, russische Waffen. Das ist eine gefährliche Eskalation. Wenn der Iran dafür Vergeltung übt, haben wir sehr schnell eine Eskalation, die äußerst gefährlich werden kann.
Breker: Wenn es denn keine diplomatische Lösung gibt im Streit um das iranische Atomprogramm, dann muss es eine militärische geben.
Lüders: In der Tat: Darauf läuft es hinaus nach westlicher Logik. Ob es diese wirklich geben muss, das darf man sehr bezweifeln. Schauen wir uns die Region an von Westafrika, Mali und Libyen bis hin nach Pakistan - überall Instabilität. Im Grunde genommen ist der Iran die einzige verbliebene "stabile Insel" in dieser Region mit einer funktionierenden Regierung und mit einer funktionierenden Zentralstaatlichkeit. Wenn man den Iran angreift, wird das natürlich Konsequenzen haben. Die Iraner werden dann Israel angreifen über die Hisbollah und sie werden natürlich auch amerikanische Interessen in der Region bedrohen, amerikanische Soldaten in Afghanistan und anderswo angreifen. Aber in der Tat, die Logik läuft darauf hinaus: Wenn es keine Lösung gibt mit dem Iran, dann wird man im Westen argumentieren, der Iran habe sich einer friedlichen Lösung verweigert, man habe lange genug miteinander diskutiert und verhandelt, aber der Iran wolle keine Lösung, deswegen bleibe nur der Krieg, um das Äußerste zu verhindern. Und es gibt Überlegungen, die hat Ehud Barak, der vormalige israelische Verteidigungsminister, ins Gespräch gebracht, dass die Amerikaner begrenzte Angriffe ein paar Tage lang auf iranische Atomanlagen führen könnten, in der Hoffnung, damit den Iran in die Schranken zu weisen, so wie man das jetzt in Syrien auch gesehen hat mit dem israelischen Angriff. Es gibt also den Glauben, mit begrenzten, einmaligen oder kurzen Schlägen ein klares Zeichen zu setzen. Das ist allerdings eine gefährliche Strategie, denn wenn die iranische Seite sich darauf nicht einlässt und zurückschießt, dann haben wir eine sehr gefährliche Situation. In dem Moment, wo die Hisbollah beispielsweise Iran beschießt, steht die Region wirklich in Flammen.
Breker: Also das Jahr 2013 wird die Entscheidung bringen, wie der Streit ausgeht?
Lüders: Ja, mit großer Wahrscheinlichkeit, denn wie gesagt, wenn der amerikanische Präsident doch klare Zeitbegrenzungen benennt, nämlich den Sommer diesen Jahres, dann hat er ja im Prinzip nur zwei Möglichkeiten. Entweder er lässt den Sommer verstreichen und es wird weiter verhandelt ins nächste, ins übernächste Jahr hinein, dann steht er aber da als der Führer einer Weltmacht, der zwar rhetorisch stark ist, aber seinen Worten keine Taten folgen lässt. Er hat dann eigentlich keine andere Wahl, als entweder noch einmal ein scharfes Zeichen zu setzen in Form von stärkeren Sanktionen, oder aber er muss in der Tat militärisch etwas vorweisen. Und es mag ja auch sein, dass vor diesem Hintergrund die Stationierung weiterer US-Kampfflugzeuge in den Vereinigten Arabischen Emiraten zu interpretieren ist. Diese Flugzeuge wären in der Lage, iranische Atomanlagen gezielt mit bunkerbrechenden Waffen anzugreifen. Diese Maschinen sind erneuert und verstärkt worden, insgesamt 20 befinden sich mittlerweile in den Arabischen Emiraten, in Abu Dhabi. Und viele, nicht zuletzt der israelische ehemalige Verteidigungsminister Ehud Barak, interpretieren das als die Bereitschaft der USA, in diese Richtung militärisch zu denken. Es ist interessant, dass die Initiative nunmehr in Sachen Iran von Israel auf die USA sich verlagert hat. Die Entscheidung über einen Angriff auf den Iran wird nunmehr in Washington gefällt werden und nicht in Tel Aviv.
Breker: Die Einschätzung von Michael Lüders, er hat das Buch geschrieben "Iran: Der falsche Krieg." Herr Lüders, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.
Lüders: Vielen Dank.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.