Burkhard Müller-Ullrich: Die Künstlersozialkasse besteht seit 30 Jahren und sie soll erhalten bleiben und auf sichere Beine gestellt werden. Das ist eines der Themen, über die sich gerade die Unions-Parteien und die SPD im Rahmen ihrer Koalitionsverhandlungen verständigen. Die Arbeitsgruppe Kultur tagte heute im Berliner Bauhaus Archiv und natürlich hat jeder im Kulturbetrieb alle möglichen Wünsche an die neue, erst noch zu bildende Bundesregierung.
Der Kulturrat hat schon eine Liste von zehn Forderungen vorgelegt. Neben der Künstlersozialkasse geht es unter anderem um den Schutz des geistigen Eigentums, um die UNESCO und um die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik. - Thomas Oberender, Sie sind Chef einer Bundesinstitution, nämlich der Berliner Festspiele. Vor fünf oder zehn Jahren war, wenn es um Kulturpolitik ging, fast ausschließlich von Sparzwängen die Rede, aber inzwischen geht es gar nicht mehr nur ums Geld, sondern auch um Strukturfragen. Welche zum Beispiel?
Thomas Oberender: Ich glaube, es ist ein Systemwandel. So wie es keine pauschalisierten Zuwendungen wie noch in der Ära Kohl gab, als man ein Arbeitslosengeld oder eine Sozialhilfe empfangen hat, die nicht evaluiert wird, so hat sich das mit Hartz IV und Ich-AG als gesamtgesellschaftliches Klima eigentlich in eine Richtung von Projektkapitalismus entwickelt, die uns alle in einem gewissen Sinne zu Unternehmern macht. In der Kultur bedeutet das, dass seit der Schröder-Zeit eigentlich klassische Institutionen nicht mehr wirklich mehr Zuwendungen kriegen.
Die Inflation frisst im Grunde die Etats, die nicht mehr erhöht werden, auf, und wir erleben eine wahnsinnige Auszehrung der traditionellen Institutionen. Allein im letzten Jahr sind bei den deutschen Stadt- und Staatstheatern 300 Millionen Euro Spareffekte erzielt worden. Das heißt, ich bin der Meinung, es geht nicht mehr darum, wie wir mit weniger Geld klarkommen, sondern wir müssen uns langsam überlegen, welche Art von System wir betreiben wollen, und da, glaube ich, stehen wir vor einem Systemwandel, der sich ja auch allerorts abzeichnet.
Parallel zu der klassischen Unterstützung und Finanzierung von Kultureinrichtungen tritt ein neues Modell, das ist das Modell der Projektförderung, und das spielt seit der Agenda 2010, seit der Schaffung des Kulturstaatsminister-Postens, seit der Schaffung der Kulturstiftung des Bundes und des Hauptstadt-Kulturfonds eine immer größere Rolle. Wenn Geld ausgegeben wird, dann in Projektinvestitionen, die jederzeit wieder kündbar sind und die kurzfristig und evaluierbar sind, und es wird nicht mehr investiert in unsere traditionellen Einrichtungen, in die traditionelle Infrastruktur, und das schafft doppelten Handlungsbedarf.
Sie können natürlich immer mehr kürzen und sparen, aber wir sind inzwischen in einem Bereich, wo es nicht mehr darum geht, mit weniger klarzukommen, sondern wir müssen endlich anfangen, anders zu handeln und andere Strukturen und Produktionsprozesse zu kreieren.
Müller-Ullrich: Aber der Bund ist vor allem im Augenblick engagiert an einigen Großbaustellen, im Berliner Stadtschloss und bei Bundesmuseen, muss man mittlerweile schon sagen. Da wird das richtige Geld rausgeknallt und da ist nichts, wie Sie es gesagt haben, mit projektbezogener Flexibilität.
Oberender: Na ja, ganz so ist es nicht. Der Bund – ich will noch mal darauf zurückgehen – ist ja noch gar nicht so lange in dieser Verantwortung. Dass der Bund überhaupt kulturelle Einrichtungen unterhält, ist ja was ganz Neues und immer noch Gewöhnungsbedürftiges für den Bund. Dass er die Kulturbetriebe des Bundes in Berlin unterhält, dass er die Akademie der Künste in Berlin unterhält, das sind Dinge, die sind relativ frisch. Das hat was mit dem BKM, der Gründung des BKM zu tun, mit der Kulturstiftung des Bundes. All das gibt es ja noch nicht so lange, gerade mal zehn Jahre. Der Hauptstadt-Kulturfonds! Wir haben uns so daran gewöhnt, dass diese Projektinstrumente vom Bund zur Verfügung gestellt werden, aber alt sind sie noch nicht. Und deshalb sage ich: Allein darin ist in den letzten zehn Jahren eine Weichenstellung beobachtbar, die wird in der Zukunft immer wichtiger werden. Sie können das nicht zurückdrehen.
Müller-Ullrich: Thomas Oberender, Intendant der Berliner Festspiele, über den Strukturwandel im Kulturbereich.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Der Kulturrat hat schon eine Liste von zehn Forderungen vorgelegt. Neben der Künstlersozialkasse geht es unter anderem um den Schutz des geistigen Eigentums, um die UNESCO und um die auswärtige Kultur- und Bildungspolitik. - Thomas Oberender, Sie sind Chef einer Bundesinstitution, nämlich der Berliner Festspiele. Vor fünf oder zehn Jahren war, wenn es um Kulturpolitik ging, fast ausschließlich von Sparzwängen die Rede, aber inzwischen geht es gar nicht mehr nur ums Geld, sondern auch um Strukturfragen. Welche zum Beispiel?
Thomas Oberender: Ich glaube, es ist ein Systemwandel. So wie es keine pauschalisierten Zuwendungen wie noch in der Ära Kohl gab, als man ein Arbeitslosengeld oder eine Sozialhilfe empfangen hat, die nicht evaluiert wird, so hat sich das mit Hartz IV und Ich-AG als gesamtgesellschaftliches Klima eigentlich in eine Richtung von Projektkapitalismus entwickelt, die uns alle in einem gewissen Sinne zu Unternehmern macht. In der Kultur bedeutet das, dass seit der Schröder-Zeit eigentlich klassische Institutionen nicht mehr wirklich mehr Zuwendungen kriegen.
Die Inflation frisst im Grunde die Etats, die nicht mehr erhöht werden, auf, und wir erleben eine wahnsinnige Auszehrung der traditionellen Institutionen. Allein im letzten Jahr sind bei den deutschen Stadt- und Staatstheatern 300 Millionen Euro Spareffekte erzielt worden. Das heißt, ich bin der Meinung, es geht nicht mehr darum, wie wir mit weniger Geld klarkommen, sondern wir müssen uns langsam überlegen, welche Art von System wir betreiben wollen, und da, glaube ich, stehen wir vor einem Systemwandel, der sich ja auch allerorts abzeichnet.
Parallel zu der klassischen Unterstützung und Finanzierung von Kultureinrichtungen tritt ein neues Modell, das ist das Modell der Projektförderung, und das spielt seit der Agenda 2010, seit der Schaffung des Kulturstaatsminister-Postens, seit der Schaffung der Kulturstiftung des Bundes und des Hauptstadt-Kulturfonds eine immer größere Rolle. Wenn Geld ausgegeben wird, dann in Projektinvestitionen, die jederzeit wieder kündbar sind und die kurzfristig und evaluierbar sind, und es wird nicht mehr investiert in unsere traditionellen Einrichtungen, in die traditionelle Infrastruktur, und das schafft doppelten Handlungsbedarf.
Sie können natürlich immer mehr kürzen und sparen, aber wir sind inzwischen in einem Bereich, wo es nicht mehr darum geht, mit weniger klarzukommen, sondern wir müssen endlich anfangen, anders zu handeln und andere Strukturen und Produktionsprozesse zu kreieren.
Müller-Ullrich: Aber der Bund ist vor allem im Augenblick engagiert an einigen Großbaustellen, im Berliner Stadtschloss und bei Bundesmuseen, muss man mittlerweile schon sagen. Da wird das richtige Geld rausgeknallt und da ist nichts, wie Sie es gesagt haben, mit projektbezogener Flexibilität.
Oberender: Na ja, ganz so ist es nicht. Der Bund – ich will noch mal darauf zurückgehen – ist ja noch gar nicht so lange in dieser Verantwortung. Dass der Bund überhaupt kulturelle Einrichtungen unterhält, ist ja was ganz Neues und immer noch Gewöhnungsbedürftiges für den Bund. Dass er die Kulturbetriebe des Bundes in Berlin unterhält, dass er die Akademie der Künste in Berlin unterhält, das sind Dinge, die sind relativ frisch. Das hat was mit dem BKM, der Gründung des BKM zu tun, mit der Kulturstiftung des Bundes. All das gibt es ja noch nicht so lange, gerade mal zehn Jahre. Der Hauptstadt-Kulturfonds! Wir haben uns so daran gewöhnt, dass diese Projektinstrumente vom Bund zur Verfügung gestellt werden, aber alt sind sie noch nicht. Und deshalb sage ich: Allein darin ist in den letzten zehn Jahren eine Weichenstellung beobachtbar, die wird in der Zukunft immer wichtiger werden. Sie können das nicht zurückdrehen.
Müller-Ullrich: Thomas Oberender, Intendant der Berliner Festspiele, über den Strukturwandel im Kulturbereich.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.