Erziehungswissenschaftler sind unter den Jeki-Forschern, Musikpädagogen, aber auch Musikpsychologen und Neurowissenschaftler. Alle arbeiten an einem komplexen Gebiet. Nicht nur die Methodik des Lehrers spielt bei Jeki eine Rolle, sondern auch der reguläre Schulunterricht, der familiäre Hintergrund, auch die Anlagen und Voraussetzungen jedes einzelnen Instrumentalschülers mitsamt seines jeweiligen Lebenswegs. Der Versuchsaufbau der Forscher verkompliziert sich weiter. Es ging ihnen nämlich nicht nur um die erste bis vierte Klasse. Bei der Tagung "Musikalische Bildungsverläufe" stehen auch die Fragen in den Räumen: Wie geht es nach Jeki, nach der Initiative "Jedem Kind ein Instrument" weiter? Und: Hat Jeki überhaupt etwas gebracht? Ist es – wie es so schön heißt – "nachhaltig"? Professor Eckart Liebau, Inhaber des Unesco Lehrstuhls für Kulturelle Bildung an der Universität Erlangen-Nürnberg, zieht Bilanz:
"Das hat dazu geführt, dass unendlich viele Kinder zur Musik geführt worden sind, die sonst nicht mit Musik in Verbindung gekommen wären. Und das ist schon einmal ein ganz großer Erfolg. Der Anspruch auf so etwas wie eine musikalische Grundversorgung gilt inzwischen als eine Selbstverständlichkeit auch für die Grundschule – und das nicht nur auf dem elementaren Niveau wie 'wir begegnen dem mal', 'wir hören mal was' oder vielleicht 'singen wir auch mal was', sondern auch auf dem Niveau von Instrumenten und Instrumentalunterricht. Und das finde ich einen großen Erfolg."
Forschungskatalysator Jeki
Viel Geld floss für Jeki aus den Töpfen der Kulturstiftung des Bundes, der Länder und der Zukunftsstiftung Bildung. Das Bundesministerium für Bildung und Forschung wiederum ließ sich das begleitende Forschungsprogramm einiges kosten. Mit einer Million Euro jährlich gewannen viele Wissenschaftler in den letzten sieben Jahren nicht nur Jeki-Einsichten, sondern trieben ihr jeweiliges Fach voran durch neu entwickelte Methoden und -methodologien. Forscher von der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover denken das Teilhabe-Konzept weiter. Es geht ihnen nicht nur um bloße Teilnahme an Jeki, auch um das, was man draus macht.
"Ich finde das ganz spannend", sagt Ulrike Kranefeld, Professorin am Institut für Musik und Musikwissenschaft der Technischen Universität Dortmund, "weil das ja auch das Projekt ist, das aus Hannover kommt und das den Begriff der Teilhabe noch einmal anders greift. Man hat ja die Möglichkeit, in der Forschung zu gucken: Was gibt es eigentlich in der Forschung für Publikationen, um diesen Aspekt zu definieren? Grundlagen, historische Betrachtungen und die haben ja einen ganz interessanten Weg beschritten auch in der ersten Phase des Förderprojekts, dass die gefragt haben: Wie sehen eigentlich die Beteiligten den Begriff 'Teilhabe'? Die haben ja die Kinder und die Eltern Bilder einreichen lassen, wo sie gesagt haben: Bitte zeigt mal – mit Photos – wie die Kinder agieren mit Musik. Und haben so mal die Perspektive gewendet. Es gibt also eine Teilhabe, die von den Akteuren bestimmt wird und nicht eine, die so normativ als hochkulturell oder nicht hochkulturell eingeschätzt wird. Das finde ich eine ganz besondere Stärke dieses Projekts, also den Begriff zu wenden aus der Akteursperspektive heraus."
Wichtige Schnittstelle von Instrument und Musikunterricht
Neben qualitativen Erhebungen, Interviews oder eben auch Photos kommen handfest quantitative empirische Datenerhebungen ins Spiel. Valerie Krupp Schleußner von der Hannoverschen Hochschule für Musik, Theater und Medien berichtet nicht nur von einem "well being", einem Wohlgefühl, das ein Instrumentalspiel auslöst. Statistisch kann sie untermauern, dass Jeki Kinder in erheblich stärkerem Maße als andere Kinder den Instrumentalunterricht in der 5. und 6. Klasse fortführen. Mit dem Wegfall oder der Reduktion des schulischen Musikunterrichts ab Klasse 7 lässt bei allen auch das Interesse am Instrumentalspiel nach. Die Schnittstelle zwischen Instrument und Schule ist elementar – nach Jeki, aber auch, so Ulrike Kranefeld, schon während Jeki:
"Wir haben ja auch gesehen, dass im ersten Jahr viele Kinder ausscheiden, weil sie einfach als Hintergrund gar keine Unterstützung fürs Üben haben. Und wenn man beim Üben eines Instruments keine Unterstützung hat, dann hört man damit auf. Dann ist die Frage: Was ist Zugang und was sind Handlungsspielräume? Das ist ja auch dieser Ansatz, den die Hannoveraner da so ein bisschen vertreten. Also sagen: Man muss Handlungsspielräume schaffen und die gehen vielleicht über die erste Schwelle des unmittelbaren Zugangs hinaus: Nämlich auch ne Unterstützung, ne Teilhabe-Gerechtigkeit. Im Gerechtigkeitsdiskurs würde man das so nennen und nicht einfach sagen: Wieso: Ihr habt doch alle die Möglichkeit, ein Instrument zu lernen. Warum tut ihr es denn nicht?"
Wie sieht es also aus, das Resümee von der Tagung "Musikalische Bildungsverläufe"? Erstmal: Jeki hat offenbar was gebracht – trotz vieler Kritiken am konservativen Zuschnitt, auch trotz Beschwerden von Lehrern, dass die Instrumentalgruppen zu groß und Übezeiten zu kurz sind. Zweitens: Auch noch so wissenschaftliche Wortungetüme können die vielen weichen Faktoren im Zusammenhang mit dem Erlernen eines Instruments nicht fassen. Nicht selten greift jemand in späteren Lebensjahren wieder zum Instrument, zu dem vor 20 Jahren eine Affinität bestand. Solch positiven Aspekte kann die Forschung im Fall von Jeki nur vermuten, nicht theoretisch erhärten. Was – drittens – fester steht, ist die Rolle des klassischen schulischen Musikunterrichts. Eckard Liebau, auch Mitglied im Rat für Kulturelle Bildung, kann hier weniger Positives berichten als über Jeki. Kunst steht weiterhin im Schatten anderer Fächer. Und wenn sie noch in Stundenplänen steht, kann es, so Liebau dennoch sein,
"Dass diese Fächer – insbesondere auch der Musikunterricht – gerne mal ausfallen. Also wir haben Daten aus einer Studie, die der Rat für kulturelle Bildung mit Allensbach gemacht hat für die neunte und zehnte Klasse. Und da stellt sich eben heraus, dass 17 Prozent der Schüler entweder gar kein Kunst- oder Musikunterricht hatten und dass weitere ungefähr 30 Prozent berichteten, dass er mehr als selten ausfällt. Was das dann genau heißt – das weiß man nicht."