Zunächst aber in die deutsche Hauptstadt und zur Aufnahme von Koalitionsverhandlungen zwischen CDU und SPD. Der TAGES-ANZEIGER aus Zürich notiert: "Neuer Regierender Bürgermeister von Berlin dürfte also der 50-jährige Kai Wegner werden - 21 Jahre nachdem der letzte CDU-Stadtobere Eberhard Diepgen sein Amt abgegeben hat. Da Wegner jede Regierungserfahrung fehlt, wird die gewiefte Franziska Giffey im Senat aber auch ohne Bürgermeisterinnenwürde die starke Frau bleiben. Die überraschende Rochade in Berlin sendet bereits politische Signale ins ganze Land. SPD und Grüne, einst 'natürliche Partner', sehen sich immer häufiger als Rivalen um die Vorherrschaft im linken Lager. Längst hat diese Entwicklung auch die Bundesregierung erfasst. Die Grünen tun sich weiterhin schwer, sobald sie betont ideologisch auftreten. Die CDU schließlich erhält in Berlin endlich wieder einmal die Chance, zu beweisen, dass sie auch Großstadt kann - zumindest, wenn die Linken dort zuvor abgewirtschaftet haben", erwartet der TAGES-ANZEIGER aus Zürich.
"Giffey hat die Notbremse gezogen und ihr Amt als Bürgermeisterin geopfert", stellt DER STANDARD aus Wien fest. "Sie ist bereit, als Juniorpartnerin der CDU in eine große Koalition zu gehen. Das klingt edler, als es ist. Giffey ahnt, dass sie an der Spitze einer rot-rot-grünen Koalition bei der nächsten Wahl, die ja schon 2026 stattfindet, wohl ganz weg vom Fenster wäre. Da möchte sie lieber als Senatorin aus einer neuen Koalition heraus in drei Jahren nochmals durchstarten", meint DER STANDARD aus Wien.
Nun nach Neu Delhi und zum Treffen der Außenminister der G20-Staaten, das gestern ohne gemeinsame Abschlusserklärung zu Ende gegangen ist. Die lettische Tageszeitung DIENA notiert dazu: "Das Treffen wurde zu einem weiteren Schlachtfeld zwischen den Politikern der westlichen Staaten und den Politikern der Entwicklungsländer. Während erstere versuchten, eine Verurteilung der russischen Aggression in der Ukraine in die Abschlusserklärung aufzunehmen, wollten letztere einen solchen Schritt nicht mitgehen. Diese Meinungsverschiedenheit ist nur eine weitere Bestätigung dafür, dass sich westliche Länder und führende nichtwestliche Länder zunehmend voneinander entfernen und in zwei unterschiedlichen Welten leben," bedauert DIENA aus Riga.
Die chinesische Zeitung HUANQIU SHIBAO kommentiert das Treffen so: "Beim G20-Treffen gab es nur eine einzige Minute, in der die Atmosphäre nicht angespannt, sondern bewegend war: dann nämlich, als der Opfer des Erdbebens in der Türkei und Syrien gedacht wurde. Davon abgesehen sind die Sorgen der Schwellenländer wahr geworden: ausschließlich sicherheitspolitische Themen haben nun auch das G20-Format dominiert. Daran sind die westlichen Staaten schuld. Sie haben das Treffen als Plattform instrumentalisiert, um Russland zu verurteilen. Die Welt braucht Multilateralismus und mehr Zusammenarbeit statt Spaltung und Konfrontation", verlangt HUANQIU SHIBAO aus Peking.
Eine Entfremdung einstiger Partner im Zuge des Ukraine-Kriegs beobachtet auch die türkische Zeitung EVRENSEL. Als Folge sieht sie neue globale Diplomatie-Bestrebungen: "Der deutsche Bundeskanzler Scholz bemühte sich etwa darum, Indien näher an den Westen zu führen. Das ist ihm jedoch nicht gelungen, weil Regierungschef Modi die indischen Beziehungen zu Russland nicht abbrechen will. Frankreichs Präsident Macron versucht sein Glück unterdessen in Afrika. Das augenfälligste Ereignis der Woche war aber der Besuch des belarussischen Präsidenten Lukaschenko in China, der offenbar eine Übernahme des Landes durch Russland fürchtet. Die USA versuchen dagegen ihr Glück in den ehemaligen zentralasiatischen Sowjetrepubliken. Jedes Land versucht im Zuge der eigenen Interessen eine neue Richtung und neue Verbündete zu finden. Allerdings fällt auf, dass noch immer Misstrauen untereinander herrscht. Trotz westlicher Bemühungen bauen Russland und China ihren Einfluss weiter aus", analysiert EVRENSEL aus Istanbul.
Der russische Angriffskrieg überschattete nicht nur das G20-Treffen in Indien, er ist auch der Auslöser für den geplanten NATO-Beitritt von Finnland und Schweden. Noch fehlt allerdings die Ratifizierung aus der Türkei und aus Ungarn. Dazu schreibt die Zeitung DAGENS NYHETER aus Stockholm: "Die ungarische Regierung hat angedeutet, dass das Parlament in Budapest dem schwedischen NATO-Beitrittsantrag zustimmen könnte. Allerdings will man zuerst eine Delegation nach Stockholm schicken, um über die Neigung schwedischer Politiker zu diskutieren, Lügen und Falschnachrichten über die ungarische Demokratie zu verbreiten. Unsere Regierung hat noch nicht öffentlich darauf reagiert, aber übersetzt heißt das: Viktor Orbán versucht, die NATO und die gesamte europäische Sicherheitsordnung für seine Zwecke in Geiselhaft zu nehmen. Diese ungarische Verzögerungstaktik ist erbärmlich", urteilt DAGENS NYHETER aus Schweden.
Die spanische Zeitung LA VANGUARDIA schaut auf den geplanten NATO-Beitritt Finnlands und kommt zu dem Ergebnis: "Finnland hat es eilig. Angesichts der Bedrohung durch Russland hat das Parlament mit einer überwältigenden Mehrheit den Beitritt zur NATO gebilligt - auch weil Anfang April Wahlen stattfinden. Außerdem hat man bereits damit begonnen, mehrere hundert Kilometer der langen Grenze zu Russland zu sichern. Russland kommt damit das fragwürdige Verdienst zu, ein Ende der jahrzehntelangen finnischen Neutralitätspolitik erreicht zu haben", schreibt LA VANGUARDIA aus Barcelona.
Für die finnische Zeitung AAMULEHTI ist der NATO-Beitritt des Landes mit der Hoffnung auf bessere Zeiten verknüpft. Hier heißt es: "Der Beginn der 2020er Jahre war für Finnland eine Zeit voller Krisen. Fast drei Jahre lang hielt uns die Corona-Pandemie in Atem - und als ob das noch nicht gereicht hätte, kam vor einem Jahr der brutale russische Überfall auf die Ukraine. Was folgte, waren Inflation und ein Anstieg der Energiepreise. Aber die Tage werden im wahrsten Sinne des Wortes wieder heller. Und auch wenn noch nicht alle Wolken abgezogen sind, besteht für Finnland wieder mehr Anlass zur Hoffnung - auch, was die Sicherheitslage betrifft: Die erlebte am Mittwoch nämlich eine Stärkung, als das Parlament mit überwältigender Mehrheit dem finnischen NATO-Beitritt zugestimmt hat. Ungarn dürfte den Antrag in Kürze ratifizieren. Was die Türkei betrifft, ist die Lage zwar noch ungewiss, aber dort finden im Mai Präsidentschaftswahlen statt – und die Zeit bis dahin geht auch noch vorbei", konstatiert AAMULEHTI aus Tampere.
Zum Abschluss der Internationalen Presseschau noch ein Blick auf die Reise von Bundeskanzler Scholz nach Washington. "Scholz und Biden werden ein Kampfsignal an Putin senden", titelt die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA. "Dem Kanzler scheint es wichtig zu sein, der Welt die Einheit seiner Position mit dem US-Präsidenten zu demonstrieren. Da zuletzt der Eindruck von Meinungsverschiedenheiten zwischen Deutschland und den Vereinigten Staaten entstanden war, hielt Scholz ein privates Gespräch für notwendig. Man erinnere sich an die 'Verwirrung', die es zwischen Deutschland und den USA über die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine gegeben hatte. Darüber werden Scholz und Biden sicherlich sprechen. Aus politischer Sicht ist dieses Treffen als Signal an Wladimir Putin zu werten, dass er nicht mit einer Schwächung der westlichen Unterstützung für die Ukraine rechnen sollte." Und mit dieser Stimme der NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau endet die Internationale Presseschau.