Die finnische Zeitung HUFVUDSTADSBLADET erläutert: "Kallas hat sich nach dem russischen Überfall auf die Ukraine klar auf der Seite von Kiew positioniert. Ihre Politik findet wiederum starken Rückhalt unter der estnischen Bevölkerung, und die Wähler haben ihr und ihrer bürgerlich-liberalen Reformpartei nach zwei Jahren an der Regierungsspitze ein gutes Zeugnis ausgestellt. Die Esten haben damit außerdem klar zum Ausdruck gebracht, dass sie weiterhin die Ukraine unterstützen wollen. Die Solidarität mit dem kriegsgeschüttelten Land wog für sie schwerer als die Forderung der ultrarechten EKRE, alle Ressourcen mehr oder weniger für das eigene Land zu verwenden. Kallas plant keine Verhandlungen mit EKRE, und auch weitere Parteien schließen dies aus", bemerkt HUFVUDSTADSBLADET aus Helsinki.
Die estnische Zeitung POSTIMEES geht auf die rechtsgerichtete EKRE ein: "Die Partei reagierte auf ihren Stimmenverlust, indem sie von Wahlbetrug sprach. Eine solche Taktik kennen wir bereits von Trump und von Brasiliens Ex-Präsident Bolsonaro, und das waren wahrlich abschreckende Beispiele. Solche Falschbehauptungen führen zu einer Polarisierung der Gesellschaft und können sogar Gewalt auslösen. Die künftige Regierung darf sich nicht verführen lassen und die Menschen vergessen, die für die EKRE oder für klar prorussische Kräfte gestimmt haben – denn vor allem Letztere könnten noch zu einem Sicherheitsrisiko werden", ist POSTIMEES aus Tallinn überzeugt.
Die lettische Zeitung NEATKARIGA RITA AVIZE aus Riga stellt fest: "Für Regierungschefin Kallas kommen nun mehrere Partner in Frage, darunter die erstmals ins Parlament eingezogene Eesti 200. Aber in jedem Fall wird Estland seinen bisherigen Kurs einer Annäherung an den Westen und einer unbeugsamen Haltung zugunsten der Ukraine beibehalten – und deutlich gegen Russland und Putin auftreten. Aus lettischer Perspektive ist das nur zu begrüßen."
Nun zum Abkommen, das die Mitgliedsländer der Vereinten Nationen zum Schutz der Hohen See geschlossen haben. Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG notiert: "Es werden verbindliche Umweltverträglichkeitsprüfungen für alle Aktivitäten eingeführt, die wesentlichen Einfluss auf die Meeresumwelt der Hohen See haben, also auch für den Tiefsee-Bergbau. Das ist ein großer Fortschritt. Und trotzdem wäre es fatal, sich nun zurückzulehnen und zu meinen, zumindest im Bereich Naturschutz auf Hoher See sei nun alles geregelt und gut. Denn der Vertrag ist noch gar nicht in Kraft, dafür muss er erst von genug Ländern ratifiziert und in nationales Recht übersetzt werden - das kann eine Weile dauern, die Zeit ist aber jetzt schon knapp", betont die NZZ aus der Schweiz.
Im STANDARD aus Wien heißt es: "In einer Zeit, in der viele Arten überfischt sind und der Klimawandel den Riffen Farbe und Leben raubt, kann kein Abkommen mehr reparieren, was die Menschheit bereits kaputtgemacht hat. Das Schiff ist in Wirklichkeit längst abgefahren. Die schlimmsten Auswirkungen der Biodiversitätskrise lassen sich aber noch verhindern. Dafür ist entscheidend, dass der neue Vertrag schnellstmöglich mit Leben erfüllt wird. Um die Vielfalt in den Meeren zu erhalten, müssen Schutzgebiete entstehen und streng kontrolliert werden sowie zerstörerische Praktiken wie der Tiefseebergbau reguliert werden. Entscheidend wird auch sein, dass sich große Player wie China und Russland zum Meeresschutz verpflichten, was sie bisher nicht getan haben", stellt der STANDARD aus Österreich heraus.
Die chinesische Zeitung WENHUI BAO aus Schanghai hebt hervor: "Es ist ein historischer Durchbruch, dass sich die annähernd 200 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen nach 20 Jahre währenden zähen Verhandlungen einigen konnten. Demnach will man 30 Prozent der Ozeane bis 2030 schützen, bislang waren es gerade einmal 1,2 Prozent gewesen. Dies ist ein großer Erfolg für den Multilateralismus."
Nun in die Türkei und nach Syrien. Einen Monat nach dem verheerenden Erdbeben blickt LA VANGUARDIA aus Barcelona auf die aktuelle Situation: "Die politischen Umbrüche lassen auf sich warten. In der Türkei, wo im Mai Wahlen anstehen, könnte Präsident Erdogan die Schuld auf die Bauunternehmer abwälzen, von denen er nun viele wegen Nichteinhaltung der Erdbebenschutzvorschriften verhaften ließ. In Syrien konnte Bashar al-Assad seine Kontakte zu den arabischen Ländern ausbauen, und die EU-Hilfe ist flexibler geworden. Die schrecklichen Bilder von eingestürzten Gebäuden haben uns alle schockiert, und die Bilder von geretteten Überlebenden haben uns alle bewegt, aber nach einem Monat sind die Bilder von Millionen von Menschen in Lagern und behelfsmäßigen Zelten unter sehr prekären Bedingungen praktisch unsichtbar geworden. Sie benötigen jedoch nach wie vor dringend humanitäre Hilfe, um mit den physischen und psychischen Folgen einer Tragödie fertig zu werden, die sie für immer prägen wird", unterstreicht die spanische Zeitung LA VANGUARDIA.
THE TIMES aus London erklärt: "Die Vereinigten Arabischen Emirate sind federführend bei der Lockerung der Sanktionen gegen Syriens Machthaber Assad, den Schlächter von Damaskus. Angeblich, um die Abwicklung der Erdbebenhilfe zu beschleunigen, in Wirklichkeit aber, um den allgemeinen Boykott gegen die Assad-Regierung aufzuheben. Jordanien hat die regionalen Handelsbeziehungen mit Syrien wieder aufgenommen. Auch Ägypten und Saudi-Arabien sehen eine stärkere Rolle für Assad, wie sehr sein Erbe auch immer beschmutzt sein mag. Für sie alle hat das Erdbeben nicht nur den Tod vieler Menschen gebracht - 6.000 in Syrien, 45.000 in der Türkei - sondern es ist auch eine geopolitische Chance. Der unmittelbare Nutznießer: ein Diktator mit Blut an seinen Händen", konstatiert die britische TIMES.
Der türkische Rote Halbmond steht in der Kritik, weil er Zelte für Erdbebenopfer an eine andere Hilfsorganisation nicht gespendet, sondern verkauft hat. CUMHURIYET aus Istanbul führt aus: "Der Chef des Roten Halbmonds sagte, es seien zwar Zelte verkauft worden, aber nur zum Selbstkostenpreis. Leider scheint diese Erklärung falsch zu sein. Fakt ist, dass sich der Rote Halbmond seit 2018 von seiner eigentlichen Aufgabe entfernt hat: Er ist zu einem Unternehmen geworden, mit weiteren Tochterunternehmen. Und in all den Unternehmen sitzen Leute der Regierungspartei AKP. Als die Menschen nach dem Erdbeben in der Kälte um ihr Leben kämpften, wurden Zelte zur Handelsware. Das ist beschämend, aber Scham kennen diese Leute nicht", vermerkt die türkische Zeitung CUMHURIYET.
Das Oppositionsbündnis in der Türkei hat sich auf den CHP-Politiker Kilicdaroglu als gemeinsamen Kandidaten für die Präsidentschaftswahl geeinigt. Die Onlinezeitung T24 aus Istanbul kommentiert: "Mit der Bürgerallianz - dem Oppositionsbündnis - gibt es nun die Hoffnung, dieses 'Monsterregime' loszuwerden. Das ist wichtig für die Zukunft der Demokratie. Wir wissen, dass Erdogans Ein-Mann-Regime in der Lage ist, alles zu tun, um an der Macht zu bleiben. Ob der Präsident das Wahlergebnis anerkennen wird, ist auch nicht klar, und er könnte seine Anhänger sogar auf die Straßen schicken und für Chaos sorgen", befürchtet T24 aus der Türkei.
Die niederländische Zeitung DE VOLKSKRANT aus Amsterdam schreibt über den Oppositionskandidaten: "Kilicdaroglu ist kurdisch-alevitischer Herkunft. In der Türkei gilt es bei Wahlen als Handicap, Alevit zu sein. Für einige sunnitische Muslime kommt es nicht in Frage, für einen Aleviten zu stimmen. Dass er Kurde ist, ist weniger ein Nachteil. In gewisser Weise ist es sogar ein Vorteil: Die prokurdische Partei HDP dürfte bereit sein, ihre Anhänger für die Unterstützung Kilicdaroglus zu mobilisieren."