09. Mai 2023
Die internationale Presseschau

Neben der Wiederaufnahme Syriens in die Arabische Liga beschäftigen sich die Kommentare mit dem Europatag und der Gedenkfeier anläßlich des Siegs der Sowjetunion über Hitler-Deutschland vor 78 Jahren:

Russland, Moskau: Der russische Präsident Wladimir Putin hält eine Rede während der Militärparade am Tag des Sieges anlässlich des 78. Jahrestages des Endes des Zweiten Weltkrieges auf dem Roten Platz in Moskau.
Viele ausländische Zeitungen kommentieren die Gedenkfeier in Russland am Jahrestag des sowjetischen Siegs über Nazi-Deutschland 1945. (Gavriil Grigorov/Pool Sputnik Kremlin/AP/dpa)
Die norwegische Zeitung DAGBLADET aus Oslo führt aus: "Der 9. Mai wird in Putins Ideologie gleichermaßen gefeiert wie mythologisiert, aber genau das fällt ihm nun auf die Füße. Der Vorfall mit den Drohnen über dem Kreml ist eher ein Zeichen von Schwäche. Hinzu kommt das Video, in dem Wagner-Chef Prigoschin die Militärführung beschimpft. Von nationaler Einigkeit ist da nichts zu erkennen, nur ein aufsehenerregender Kampf auf offener Bühne zwischen Prigoschins Privatmiliz und der Armee. In vielen Städten sind die Feierlichkeiten in diesem Jahr erstmals abgesagt, denn für Paraden gibt es nicht genug Soldaten oder Panzer - die sind in der Ukraine. Auch dürfen Porträts von Kriegshelden und Veteranen nicht hochgehalten werden: Putin befürchtet wohl, dass dann auch Bilder der tausenden Kriegstoten aus der Ukraine gezeigt werden", vermutet DAGBLADET.
Die italienische Zeitung LA STAMPA stellt fest: "Ein Jahr nach der Aggression gegen die Ukraine riecht es nach Schimmel, nach Spinnweben, nach Resignation, nach Ohnmacht. Der Geruch von Regimen, die der Dekadenz ausgeliefert sind, ohne dass sie in der Lage sind, sie zu beseitigen. Auf dem Roten Platz scheint die einzige Erinnerung, die von schicksalsschwerer Aura umgeben ist, die Mumie von Lenin zu sein. Die Parade ist ein Schaufenster, in dem neue Dinge verkauft werden, die alt aussehen, die man aber trotzdem nicht kaufen kann, weil die Preise zu hoch sind", betont LA STAMPA aus Turin.
Die lettische Zeitung DIENA aus Riga äußert sich zu möglichen Ausschreitungen im eigenen Land: "In der Gesellschaft ist zuletzt die Sorge und die Unzufriedenheit mit der Arbeit der Polizei gewachsen. Schließlich ist der 9. Mai ein Datum, an dem mit Provokationen von Personen gerechnet werden muss, die unserem Staat ablehnend gegenüberstehen. Diese Leute wollen eine breitere Öffentlichkeit in Lettland und in der demokratischen westlichen Welt auf sich aufmerksam machen. Vermutlich werden die Sicherheitskräfte verstärkt darauf achten, solche Provokationen bereits im Keim zu ersticken, aber nicht alle Risiken lassen sich rechtzeitig ausräumen. Auch kommen dieses Jahr wegen der aktuellen Krise noch mehr Faktoren zusammen, die eine Herausforderung für die Sicherheitskräfte und die Polizei darstellen. Es geht um die Bewahrung der Ordnung und womöglich auch um die Gesundheit oder gar das Leben von Menschen. Es ist zu hoffen, dass wir in diesem Jahr das letzte Mal mit so etwas rechnen müssen", schreibt DIENA.
Der Europatag ist Thema in der estnischen Zeitung POSTIMEES: "Am 9. Mai 1950 präsentierte der damalige französischen Außenminister Robert Schuman seinen Plan für einen Zusammenschluss der deutschen und französischen Montanindustrie, um einen Krieg zwischen den langjährigen Rivalen in Zukunft unmöglich zu machen. Deshalb ist dieser 9. Mai ein symbolisches Datum für Europa. Aber Tatsache ist auch, dass in diesem Jahr am 9. Mai in Europa kein Frieden herrscht und sich die Europäische Union als Friedensprojekt der Produktion von Munition für die Ukraine widmen muss. Das erinnert eher an die römische Weisheit, wonach man sich für den Krieg rüsten muss, wenn man Frieden will. Auch wenn man lieber nach vorne statt zurückblicken sollte: Für uns symbolisiert der 9. Mai außerdem den Beginn der sowjetischen Besatzung nach dem Zweiten Weltkrieg, und 1950 konnte Estland nicht an der beginnenden europäischen Integration teilhaben", erläutert POSTIMEES aus Tallinn.
Die polnische Zeitung RZECZPOSPOLITA erinnert: "Alle ‚Gründungsväter‘ der Europäischen Union teilten die Überzeugung, dass das Ziel darin besteht, einen föderalen Staat zu schaffen, der die nationalen Unterschiede respektiert, aber die Demokratie und das effiziente Funktionieren des Ganzen gewährleistet. Im heutigen Polen kommt die Idee eines europäischen Bundesstaates nicht gut an. Die Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit glaubt, Brüssel halte viel zu viel für selbstverständlich. Nach ihrer Meinung besteht die Funktion der EU lediglich darin, ein Geldautomat zu sein, der deutsches Geld ausgibt, ohne Rücksicht auf Rechtsstaatlichkeit und Demokratie in den Mitgliedsstaaten", notiert die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die mexikanische Zeitung LA RAZON bilanziert: "Die heutige Welt unterscheidet sich sehr von der, die 1945 entstanden ist. Und die Ordnung der Zukunft, wird in der Ukraine entschieden, zwischen dem Westen mit den USA und Russland mit China." So weit LA RAZON aus Mexiko-Stadt und so viel zu diesem Thema.
Die französische Zeitung DERNIÈRES NOUVELLES D’ALSACE geht ein auf die Rückkehr Syriens in die Arabische Liga: "Der syrische Präsident ist ein Beispiel für alle Diktatoren auf der ganzen Welt. Er ist der lebende und triumphierende Beweis dafür, dass man sich auf starke Verbündete - in seinem Fall Russland und Iran - verlassen kann und dass es möglich ist, die eigene Bevölkerung ungestraft zu massakrieren und sich wieder an den Tisch der Großen dieser Welt zu setzen, als wäre nichts geschehen. Der Form halber hat Al-Assad natürlich eine Reihe von Versprechungen gemacht, die er eiligst brechen wird, und jeder weiß das", meint DNA aus Straßburg.
In der arabischsprachigen Zeitung AL ARABY AL-JADEED mit Sitz in London ist zu lesen: "Anders als die Europäische Union, die die Ukraine bei der Verteidigung ihres Territoriums gegen Russland unterstützt, erweist sich der Boykott, den die Staaten der Arabischen Liga gegen Syrien geführt haben, als reine Image-Politik ohne ernsthaftes Engagement. Entsprechend wird das Regime in Syrien die Rückkehr in die Liga als Anlass sehen, den Druck auf die Bevölkerung weiter zu verstärken. Die Rückkehr ist eine Belohnung für ein Regime, das Millionen Bürger zu Flucht und Vertreibung zwang, Hunderttausende tötete oder verschwinden ließ. Auf diese Weise lässt die Rückkehr erkennen, wie tief der Konsens zwischen den arabischen Regimen im Kern ist", beobachtet AL ARABY AL-JADEED.
Die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO, ein Presseorgan der Kommunistischen Partei, vertritt diese Ansicht: "Für Syrien ist es eine historische Chance, nach mehr als einem Jahrzehnt der Isolation in die 'Familie' der arabischen Länder zurückkehren zu können. Für das syrische Volk war die Entscheidung der Arabischen Liga jedenfalls ein ermutigendes Signal, das sich in die aktuelle Welle der Versöhnung im Nahen Osten einfügt. Maßgeblich für diese Wende war die von China vermittelte Annäherung zwischen dem Iran und Saudi-Arabien", schreibt JIEFANG RIBAO aus Shanghai.
Die japanische Zeitung ASAHI SHIMBUN analysiert in einem Gastkommentar die außenpolitische Strategie Saudi-Arabiens: "Das Königreich hat sein Engagement im Bürgerkrieg im Jemen reduziert, um die Beziehungen zum Iran durch Vermittlung Chinas zu normalisieren. Auch peilt Saudi-Arabien ein engeres Vehältnis zu Russland an. Das Ziel ist aber eher nicht, Mitglied vom chinesisch-russischen Lager zu werden. Vielmehr will Saudi-Arabien seinen Einfluss auf die Ordnung der Region verstärkt ausüben", ist sich ASAHI SHIMBUN aus Tokio sicher.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz hebt hervor: "In dieser Situation stellt sich die Frage, ob auch der Westen die Sanktionen aufheben und das Gespräch mit Assad suchen sollte. Bei der extremen Rechten in Europa gibt es schon länger Forderungen, den Diktator zu rehabilitieren, um die syrischen Flüchtlinge zurückschicken zu können. Doch es wäre falsch, zu meinen, mit Assad könne ein Deal ausgehandelt werden, der die Repatriierung der Syrer erlauben würde.Der Konflikt ist bis heute nicht gelöst, ein erneutes Aufflammen des Krieges bleibt jederzeit möglich. Das Regime ist so repressiv wie je, Rückkehrern droht Inhaftierung, Folter und Mord. Kaum ein Syrer will unter diesen Umständen heim", gibt die NZZ zu bedenken.