09. Juni 2023
Die internationale Presseschau

Heute mit Stimmen zur erneuten Anklage gegen den früheren US-Präsidenten Trump sowie zu den Waldbränden in Kanada. Zunächst aber zur Verschärfung des europäischen Asylrechts, auf die sich die Mitgliedstaaten der EU gestern Abend verständigt haben.

Ein kleines blaues, schief hängendes Hinweisschild mit der Aufschrift "Flüchtlinge refugees" und einem Pfeil nach rechts an einem Schildermast.
Die EU-Mitgliedstaaten haben sich auf eine Verschärfung des Asylrechts verständigt. (picture alliance / sulupress.de / Torsten Sukrow)
Dazu schreibt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG: "Zwei Ziele will die neue Politik erreichen. Die irreguläre Immigration soll reduziert werden, und die Lasten der Migrationspolitik sollen in der EU gerechter verteilt werden. Der Durchbruch ist bemerkenswert, weil Einwanderung und Migration den Kernbereich nationalstaatlicher Souveränität betreffen. Dass hier in Teilen eine Vergemeinschaftung stattfindet, schien vor kurzem unwahrscheinlich. Vor allem auch deshalb, weil die gesellschaftliche Einstellung zu Einwanderung und Asylgewährung sich in den Ländern stark unterscheidet. Ein Laisser-faire aber wäre eine schlechte Option gewesen. Denn die Überforderung mit den vielen Neuankömmlingen hat zu einer Brutalisierung des Grenzschutzes geführt", meint die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz.
Die belgische Zeitung DE TIJD kommentiert: "Die Umsetzung dieses Plans ist alles andere als einfach. Eine der schwierigsten moralischen Fragen ist, ob die europäische Politik so brutal werden sollte wie die Menschenschmuggler. Sobald man gegenüber Familien mit minderjährigen Kindern nachsichtiger wird, besteht die Gefahr, dass die Schleuser Kinder einsetzen, um die illegale Migration zu betreiben. Ein weiteres Problem ist die Frage, wie die Solidarität zwischen den EU-Ländern organisiert werden kann. Der Vorschlag, der jetzt auf dem Tisch liegt, lautet, dass die EU-Länder, die sich jahrelang geweigert haben, ihren Teil beizutragen, künftig einfach die anderen bezahlen sollen. In den Verhandlungen reichten die Summen von 10.000 bis 22.000 Euro pro Asylbewerber. Schließlich einigte man sich auf 20.000. Das ist eine Krämermentalität, die keinen Schönheitspreis verdient, aber durchaus funktionieren könnte", merkt DE TIJD aus Brüssel an.
In der schwedischen Zeitung SYDSVENSKAN ist zu lesen: "Nach Jahren der mühsamen Verhandlungen hat sich eine Mehrheit der Innen- und Migrationsminister auf zentrale Teile einer gemeinsamen Einwanderungspolitik mit obligatorischer Solidarität geeinigt. Ein Durchbruch. Die Migrationspolitik ist daheim in vielen EU-Ländern schwierig, Schweden ist da keine Ausnahme. Als 2015 Hunderttausende Menschen vor dem Krieg in Syrien und anderswo nach Europa flohen, ist die Notwendigkeit einer gerechten, rechtssicheren und gemeinsamen Migrationspolitik klar geworden. Gleichzeitig erschien der Traum eben nur als Traum, als reine Fantasie. Wenn es der EU nun gelingt, sich einig zu werden, dann wäre das ein historischer Erfolg für die Union. Ein Scheitern wäre eine gigantische Niederlage", stellt SYDSVENSKAN aus Malmö klar.
Die türkische Zeitung EVRENSEL führt aus: "Immer mehr Menschen machen sich auf den Weg, um übers Meer nach Europa zu gelangen. Und Europa tut alles, mit Militär, Polizei und hochmodernen Mitteln, um die Grenzen zu schützen. Jetzt soll auch noch das Asylrecht praktisch abgeschafft werden. Die EU-Außenstaaten Griechenland, Italien und Spanien sollen zu 'Flüchtlingszentren' werden, diejenigen, die über diese Länder einreisen, sollen in andere Länder nicht weiterreisen können. Das heißt, sie werden in große Flüchtlingslager gebracht. Wessen Antrag gebilligt wurde, soll in andere Länder verteilt werden. Wer keine Asylbewerber akzeptiert, soll pro Flüchtling 20.000 Euro zahlen. Doch die Migration aus ärmeren Ländern nach Europa wird weitergehen. Und nichts wird sie stoppen. Solange nicht die Gründe für eine Flucht, sondern die fliehenden Menschen bekämpft werden, wird dieses Thema nicht gelöst werden", unterstreicht EVRENSEL aus Istanbul.
Der ehemalige US-Präsident Trump ist erneut angeklagt worden. Dieses Mal gehe es um die Vorwürfe des unsachgemäßen Umgangs mit vertraulichen Dokumenten, teilte er unter Berufung auf seine Anwälte mit. Die WASHINGTON POST führt aus: "Die USA sind gespalten über die Aussicht auf eine strafrechtliche Verfolgung von Trump, dem Spitzenkandidaten für die Nominierung der Republikanischen Partei für das Präsidentenamt 2024. In einer Rede auf CNN am Tag vor der Anklageerhebung sagte Mitbewerber Pence, dass eine erneute Anklage Trumps eine 'schreckliche Botschaft an die ganze Welt' senden würde. Das versteht sich in diesen polarisierten Zeiten jedoch von selbst. Die umfassendere Botschaft ist vielmehr, dass in den Vereinigten Staaten Rechtsstaatlichkeit herrscht, unabhängig davon, wem ein Fehlverhalten vorgeworfen wird", bemerkt die WASHINGTON POST aus den USA.
"Donald Trump selbst hat die Anklage gegen ihn als Allererster öffentlich gemacht", heißt es im Gastkommentar der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN: "Trump behauptet mal wieder, er sei Opfer einer Verschwörung gegen ihn und Zielscheibe der Biden-Regierung. Das ist seine Strategie, um seine Anhängerschaft innerhalb der republikanischen Partei noch zu vergrößern. Die Frage ist, ob sie auch aufgeht. Bei der letzten Anklage im April hatten die Republikaner den früheren Präsidenten noch geschlossen unterstützt. Dieses Mal wird es anders sein, denn Trump hat bei seinen Bestrebungen, Präsidentschaftskandidat seiner Partei zu werden, starke Herausforderer aus dem eigenen Lager. Diese werden wohl Trump in der aktuellen Geheimdokumenten-Affäre scharf kritisieren, was wiederum negative Auswirkungen auf dessen Wahlkampf haben dürfte", vermutet NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio.
Nun zu den Waldbränden in Kanada. Die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA erläutert: „Derzeit wird in Kanada gegen mehr als 400 Großbrände gekämpft, und der Regierung von Justin Trudeau, die sich aktiv für den Kampf gegen den Klimawandel einsetzt, werden Fragen zur Wirksamkeit der bereits getroffenen Maßnahmen gestellt. Trotz aller Bemühungen sind die Feuerwehrleute den Elementen noch immer nicht gewachsen. In seiner Rede vor dem Parlament forderte Trudeau die Kanadier auf, sich auf das Schlimmste vorzubereiten. Er nannte die aktuellen Ereignisse nichts weniger als eine neue Realität, an die sich die Bewohner des Landes in den kommenden Jahren anpassen müssten“, notiert die NESAWISSIMAJA GASETA aus Moskau.
Die norwegische Zeitung ADRESSEAVISEN ist folgender Meinung: "In der Nacht zum Montag wurden Schmutzpartikel von den Waldbränden in Kanada sogar schon in Norwegen registriert. Am Mittwoch hatte New York aufgrund derselben Brände die schlechteste Luft der Welt. Die Bilder erinnern an eine Stadt im Krieg. Alles deutet darauf hin, dass Dürre und Waldbrände ein wachsendes Problem mit enormen globalen Auswirkungen sind. Der Klimawandel prägt unsere Umgebung und unser Leben, und selbst wenn wir in bestimmten Gebieten glücklicherweise noch nicht gar so schlimm betroffen sind – die Folgen des Klimawandels rücken näher", beobachtet die Trondheimer ADRESSEAVISEN.
Die chinesische Zeitung JIEFANG RIBAO sieht es so: "Es mag stimmen, dass biologisch gesehen begrenztes Feuer sogar neues Leben in den Wald bringen kann. Dieses Jahr jedoch erreichen die Brände in Kanada ein Ausmaß, das absolut außer Kontrolle geraten ist. Seit Jahresbeginn gab es in Kanada bereits 2.300 Waldbrände, deren Fläche auf 9,4 Millionen Hektar geschätzt wird. Dies kann nur auf die Klimaerwärmung zurückgeführt werden. Wird das Extreme der neue Normalzustand? Es kommt wohl noch viel schlimmer. Bereits in den kommenden Jahren wird Studien zufolge die Menschheit mit immer heftigeren Katastrophen zu kämpfen haben", gibt JIEFANG RIBAO aus Schanghai zu bedenken.
Die Zeitung LA VANGUARDIA aus Barcelona blickt allgemein auf die Klimaveränderungen: "Die Menge an Daten unterstreicht, welche Folgen die Erderwärmung hat. Trotzdem gibt es immer noch Stimmen, die gegen jede Logik den Ernst der Lage leugnen. Aber vor allem in der jüngeren Generation sehen viele im Klimawandel eine unumstößliche Tatsache und fordern Lösungen."