16. August 2023
Die internationale Presseschau

Kommentiert werden die abgebrochene Reise von Außenministerin Baerbock in den Pazifik-Raum und der überraschende Erfolg des Rechtspopulisten Milei bei den Vorwahlen in Argentinien. Zunächst geht es aber um die vierte Anklage gegen den ehemaligen US-Präsidenten Trump.

Donald Trump steht an einem Pednerpult und blickt zur Seite.
Trump forderte am 2. Januar 2021 vom Innenminister Georgias, für ihn 11.780 Stimmen zu "finden". Bei der Anklage dürfte das Tondokument eine wichtige Rolle spielen. (imago / NurPhoto /Allison Bailey)
Dazu schreibt die US-Zeitung THE WASHINGTON POST: "Die Anklageschrift in Georgia von Bezirksstaatsanwältin Fani Willis ist in einer Weise allumfassend, wie es die Akten des Sonderermittlers Jack Smith auf Bundesebene nicht sind. Sie wirft den detailliertesten Blick auf das mutmaßliche Fehlverhalten von Donald Trump und seinen Verbündeten. Im Kern geht es um Trumps Angriff auf die Demokratie nach der für ihn verlorenen Präsidentenwahl von 2020."
Ähnlich sieht es der Gastkommentator der japanischen Zeitung NIHON KEIZAI SHIMBUN: "Bei dieser vierten Anklage sind die Beweise besonders sorgfältig zusammengestellt worden, die Trump und sein Umfeld schwer belasten. Der ehemalige US-Präsident scheint damit mit dem Rücken zur Wand zu stehen. Dennoch wird sich nichts daran ändern, dass Trump die Vorwahlen mit deutlichem Vorsprung gewinnen und wohl am Super-Tuesday im März zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner nominiert werden wird", ist sich NIHON KEIZAI SHIMBUN aus Tokio sicher.
Die niederländische Zeitung DE TELEGRAAF führt aus: "Vier Strafverfahren in nur fünf Monaten. Die Demokraten sehen das als Entschlossenheit, Gerechtigkeit walten zu lassen. Für die Republikaner hingegen beweist das, dass die Justiz als politische Waffe eingesetzt wird. Sicher ist, dass die juristische Verfolgung Trumps eine wichtige Rolle bei den kommenden Präsidentschaftswahlen spielen wird. Die Anschuldigungen wiegen schwer wie Blei und die Beweise scheinen solide zu sein. Ein Präsident, der Wahlen verliert und versucht, sich mit List, Täuschung und Gewalt an der Macht zu halten - das riecht nach Bananenrepublik, dürften die Demokraten sagen." So weit DE TELEGRAAF aus Amsterdam.
"Das sind schlechte Nachrichten für Trump", heißt es in der türkischen Zeitung YENI SAFAK: "Im Falle seiner Wahl zum Präsidenten werden alle Anklagen auf Bundesebene fallen gelassen, aber nicht die der Bundesstaaten. Da dort Trumps eventuelle Immunität nicht greift, wird die Anklage in Georgia weiterlaufen. Und die wiegt schwer: sie suggeriert, dass Trump mit seinen Verbündeten eine kriminelle Vereinigung gebildet hat, um das Wahlergebnis zu seinen Gunsten zu ändern. Es gibt genug Beweise, in diesem Fall Tonaufnahmen, die belegen, dass Trump auf den republikanischen Wahlleiter Druck ausgeübt hat", erinnert YENI SAFAK aus Istanbul.
In der chinesischen Zeitung TAKUNGPAO ist zu lesen: "Die Republikaner sollten sich von Trumps souveränem Vorsprung in parteiinternen Umfragen nicht blenden lassen: Vorwahlen der Parteien und die eigentliche Präsidentschaftswahl sind zwei verschiedene Dinge. Trumps Unterstützer machen nämlich nur noch etwa 30 Prozent der gesamten Wählerschaft des Landes aus. Wenn die Trump-Gegner innerhalb der Republikanischen Partei und die Demokraten gemeinsam Front gegen ihn machen, dürfte er keine Chance auf eine Wiederwahl haben", vermutet TAKUNGPAO aus Hongkong.
Die österreichische Zeitung DER STANDARD ist folgender Meinung: "Der um ein Comeback bemühte Ex-Präsident hat es mitten im Wahlkampf nun also schon mit vier Gerichtsverfahren gegen ihn zu tun. Zwar ist nicht damit zu rechnen, dass Trump in einem der Prozesse innerhalb der nächsten 14 Monate schon rechtskräftig verurteilt wird. Doch eines ist sicher: Trump wird sich nicht zu hundert Prozent seiner Wiederwahlkampagne widmen können. Er wird immer wieder in New York, Miami, Washington und Atlanta vor Gericht erscheinen müssen. Er wird immer wieder tagelang mit seinen Anwälten Verteidigungsstrategien entwerfen und verfeinern müssen. Das kostet nicht nur Zeit, sondern vor allem in den USA auch Geld. Geld, das Trump lieber für seinen Wahlkampf einsetzen würde. Geld, das er nicht aus dem Kampagnenbudget abzweigen kann. Geld, von dem er selbst vielleicht gar nicht so viel hat, trotz aller Spenden", gibt DER STANDARD aus Wien zu bedenken.
"Natürlich ist es noch zu früh für eine Prognose, ob Trump strafrechtlich verurteilt wird", erläutert die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN aus Oslo: "Aber es ist längst angebracht, seine vielen Unterstützer und Mitläufer im Kongress für ihre politische Feigheit und Verantwortungslosigkeit zu kritisieren. Indem sie weiterhin die Legende von der gestohlenen Wahl unterstützen, schaden sie der Republikanischen Partei und der Demokratie in den USA."
Themenwechsel. Die argentinische Zeitung CLARIN blickt auf den Ausgang der Vorwahlen im Land: "Niemand hat es kommen sehen. Weder deuteten die Umfragen darauf hin, dass der Kandidat der verrückten Ideen bei den Vorwahlen auf Platz eins kommen würde, noch haben die Politiker oder die Journalisten daran geglaubt. Dabei war der Elefant im Raum gar nicht zu übersehen. Milei ging mit Parolen auf Stimmenfang, die sowohl Wähler aus dem rechten als auch aus dem linken Lager angesprochen haben. Darunter waren vor allem junge Wähler, die gar nicht mehr in diesen Kategorien denken, sondern sehen, dass die Politiker keinen Beitrag zur Verbesserung ihrer Lebensqualität leisten. Milei hat sogar in Feuerland gewonnen, obwohl er angekündigt hatte, das undurchsichtige Subventionssystem für die Insel abzuschaffen", beobachtet CLARIN aus Buenos Aires.
Die brasilianische Zeitung O GLOBO aus Rio de Janeiro wirft ein: "Der Anarchokapitalist Javier Milei hat rund 30 Prozent der Stimmen erhalten. Die Wahlen finden erst im Oktober statt. Bis dahin fließt noch viel Wasser den Rio de la Plata hinunter. Aber Argentinien steckt in einer ernsten Krise. Die Inflation liegt mittlerweile bei 115 Prozent. Die Zentralbank – die Milei abschaffen möchte – hat die Landeswährung Peso abgewertet und den Leitzins auf 118 Prozent erhöht. Wie so oft in der Vergangenheit wurden Warnungen überhört, zu lange dauert das politische Chaos schon an."
Die spanische Zeitung EL PAIS aus Madrid analysiert: "Der gleiche Überdruss, der in Brasilien Jair Bolsonaro hervorgebracht hat, hat Milei beflügelt. Mit einem Unterschied: Argentiniens mittlerweile chronische Wirtschaftskrise ist ein viel geeigneterer Nährboden für extravagante Auswege. Das autoritäre Abdriften von Bolsonaro oder Nayib Bukele in El Salvador sollte jedoch für die Argentinier ein Weckruf sein."
Nun zur geplatzten Reise von Bundesaußenministerin Baerbock. Die russische Zeitung NESAWISSIMAJA GASETA notiert: "Die Ministerin versammelte die sie begleitenden Experten und Journalisten in der Hotel-Lobby und kündigte die Absage ihrer Besuche in Australien, Neuseeland und Fidschi an. Es waren alle Möglichkeiten geprüft worden, den Flug fortzusetzen, nachdem die Regierungsmaschine wegen technischer Mängel zweimal zum Auftanken zum Flughafen Abu Dhabi zurückkehren musste. Baerbocks gescheiterter Besuch in der Pazifik-Region ist für die deutsche Diplomatie eine Katastrophe. Tatsächlich sind in der Außenpolitik, insbesondere heute, in einer Zeit schneller und gigantischer Veränderungen, rechtzeitige Kontakte und Vereinbarungen wichtig. Verzögerungen sind mitunter schwer aufzuholen. Von Baerbock wurde erwartet, dass sie die Position Deutschlands zu China und den Sicherheitsfragen der Pazifik-Region auf eine neue Ebene hebt", bemerkt die Moskauer NESAWISSIMAJA GASETA.
Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG hält fest: "Der gegenwärtige Spott über Baerbock und die Flugbereitschaft ist billig – mit einer Ausnahme: Zu Beginn ihrer Amtszeit hatte die Ministerin noch vollmundig angekündigt, nicht immer die Regierungsmaschine nehmen zu wollen, sondern auch mit der Bahn zu reisen und Linienflüge zu nutzen. Wie eine Recherche des Nachrichtenportals T-Online zeigt, ist sie diesem Vorsatz nicht gerecht geworden. Hätte die Grünen-Politikerin der Versuchung widerstanden, sich beim Reisen volksnah zu inszenieren, stünde sie nun weniger doof da." Das war zum Ende der internationalen Presseschau die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG aus der Schweiz.