In der TIMES OF INDIA schildert ein Gastkommentator die Herausforderungen eines solchen Treffens: "Multilateralismus ist Diplomatie in ihrer schwierigsten Form. Souveräne Nationen dazu zu bringen, sich teils gegen ihre eigenen Interessen auf eine Zusammenarbeit zu einigen, gleicht dem Hüten eines Sacks von Flöhen. Mehr noch als Atomwaffen und ein hohes Pro-Kopf-Einkommen zeugt es von einer Großmacht, wenn man in der Lage ist, eine bunt zusammengewürfelte Gruppe von Regierungen zu einer einheitlichen Position zu bringen. Beim G20-Gipfel in Neu-Delhi kann Indien den Beweis dafür liefern, dass es die internationale Gemeinschaft dazu bringen kann, die Welt zu retten", schreibt die TIMES OF INDIA, die in Mumbai erscheint.
Indiens Premierminister Modi führt in einem Gastkommentar der TIMES OF MALTA aus, welche Ziele er mit dem G20-Gipfel verbindet: "Unsere Präsidentschaft will Brücken errichten, Hindernisse abbauen und den Samen für Zusammenarbeit säen. So soll eine Welt entstehen, in der Einigkeit über Zwietracht siegt und das gemeinsame Interesse die nationale Isolation schlägt. Wir wollen deshalb auch dafür sorgen, dass der Kreis der globalen Mächte erweitert wird, dass jede Stimme gehört wird und jedes Land beitragen kann. Ich bin hoffnungsvoll, dass wir unseren Versprechen Ergebnisse folgen lassen", formuliert der indische Premierminister Modi in der TIMES OF MALTA.
Die spanische LA VANGUARDIA geht näher auf die Inhalte des Gipfels ein: "Auf der Tagesordnung stehen die Klima- und Nahrungsmittelkrise, die wirtschaftliche Entwicklung, die von US-Präsident Biden vorgeschlagene Reform der Weltbank und des IWF sowie die Schuldenlast ärmerer Länder. Indien möchte sich auf die Themen des globalen Südens konzentrieren und nicht auf den Krieg in der Ukraine. Ohnehin hat es bisher bei keinem der G-20-Treffen in diesem Jahr eine Abschlusserklärung gegeben, in der die Invasion verurteilt wurde. Stets legten Russland und China ihr Veto ein", überlegt LA VANGUARDIA aus Barcelona.
Die französische Zeitung LE MONDE glaubt, dass der Krieg in der Ukraine die Debatten der Staats- und Regierungschefs prägen wird: "Nach achtzehn Monaten Krieg ist das Forum weiterhin tief gespalten. Je länger der Konflikt andauert, desto größer wird die Kluft. Und das trotz der Bemühungen der Ukraine vor allem bei den Schwellenländern, die sich - wie der indische Premierminister und Gastgeber Modi - nicht zwischen Moskau und Kiew entscheiden wollen", beobachtet LE MONDE aus Paris.
Die Zeitung KOMMERSANT aus Moskau geht darauf ein, dass der russische Präsident Putin und Chinas Staatschef Xi dem Gipfel fernbleiben: "Es scheint, dass die Abwesenheit der beiden kein großes Problem darstellt, weil die Länder dennoch durch politische Schwergewichte vertreten sind, an deren Professionalität kein Zweifel besteht. Dennoch unterscheiden sich Gipfeltreffen von Ministerforen gerade dadurch, dass es sich um Treffen von Staatsoberhäuptern handelt. Durch deren persönliche Kommunikation werden Entscheidungen getroffen, die das Schicksal der Welt lenken. Auf dem Gipfel in Indien nun tritt das 'Team der nicht-westlichen Länder‘ in einer unvollständigen, geschwächten Zusammensetzung auf. Der Westen dagegen ist in voller Stärke vertreten und wird versuchen, anti-russische und anti-chinesische Sprache in die Abschlusserklärung aufzunehmen", warnt die Zeitung KOMMERSANT aus Moskau.
Die portugiesische Zeitung DIARIO DE NOTICIAS sieht in dem Fernbleiben von Xi und Putin durchaus auch Chancen: "Es könnte eine strategische Allianz zwischen Indien und den USA befördern, die beide Seiten ganz offensichtlich anstreben. Es wird also - über eine Abschlusserklärung des Gipfels hinaus - wichtig sein zu beobachten, wie die Gespräche zwischen Biden und Modi verlaufen. Anders als das alternde China hat Indien eine junge Bevölkerung und verfügt über ein Potenzial, das die USA gerne an ihrer Seite hätten. Indien hatte dagegen immer eine angespannte Beziehung zu China. Durch das Fernbleiben von Xi und Putin sind Überraschungen auf diesem Gipfel durchaus denkbar", schätzt DIARIO DE NOTICIAS aus Lissabon.
Ein Blick nach Chile: Dort haben Präsident Boric und seine vier Vorgänger ein Bekenntnis zur Demokratie unterzeichnet, und zwar vor wenige Tage vor dem 50. Jahrestag des Militärputsches in dem Land. Dazu notiert EL MOSTRADOR aus Santiago de Chile: "Parallel zu dem Bekenntnis gefährden Vertreter des rechten Lagers die Demokratie, wenn sie beispielsweise von ‚Fehlern‘, sprechen, die alle begangen hätten. Anlässlich des Erinnerns an die Militärdiktatur aber müssen wir die Grausamkeiten dieser Zeit aufarbeiten. So etwas zu leugnen oder zu relativieren behindert den Aussöhnungsprozess, den unsere Gesellschaft benötigt. Geschichtsleugnung gibt es auch in Europa, wo bestimmte Gruppen die Gräueltaten der Nazis bestreiten. Aber gerade Deutschland hat Gesetze verabschiedet, die so etwas unter Strafe stellen. Als Gesellschaft müssen wir deshalb darüber nachdenken, wie wir mit Geschichtsleugnung im öffentlichen Raum umgehen", verlangt die chilenische Zeitung EL MOSTRADOR.
Die norwegische Zeitung AFTENPOSTEN erinnert an die Umstände des Militärputsches gegen den demokratisch gewählten Präsidenten Allende vor 50 Jahren: "Der Putsch erschütterte den ganzen Kontinent. Dabei hatte eine unsichtbare Macht ihre Hand im Spiel: Die USA waren aktiv daran beteiligt, die Regierung Allende zu stürzen. Der Jahrestag des Putschs reißt Wunden auf; für viele ist er nach wie vor ein nationales Trauma. Viele Chilenen verlangen deshalb nun eine Entschuldigung von US-Präsident Biden. Aber für Biden wäre dieser Schritt wohl zu riskant. Allende hatte eine enge Beziehung zu Kubas Diktator Fidel Castro und zur Sowjetunion. Außerdem ist Chile nicht das einzige Land, in dem sich die USA unter der Hand eingemischt haben. Eine Entschuldigung würde deshalb vermutlich zu weiteren Forderungen führen. Das böte zwar auch eine Chance, aber gut ein Jahr vor den Wahlen wird sich Biden wohl kaum darauf einlassen", vermutet AFTENPOSTEN aus Oslo.
Die Spannungen zwischen den verfeindeten Ländern Armenien und Aserbaidschan nehmen zu. Die aserbaidschanische Zeitung MÜSAVAT fragt sich deshalb: "Warum will Armeniens Regierungschef Paschinjan einen Krieg? Mehrere Akteure versuchen, Armenien gegen Aserbaidschan aufzuhetzen. Armenien hat immer noch nicht verstanden, dass ein Krieg zur völligen Zerstörung des Landes führen könnte. Dennoch wird es wohl dazu kommen. Die Armenier hoffen dabei auf die Unterstützung der EU. Anders kann man die Reise von Verteidigungsminister Papikjan nach Brüssel nicht erklären. Das wiederum gefällt dem Bündnis aus Russland und Iran nicht. Weil die beiden Länder die Annäherung Armeniens an den Westen nicht stoppen konnten, provozierten sie Grenzverletzungen. Um es kurz zu machen: Armenien ruft nicht freiwillig die Mobilmachung im Land aus", resümiert MÜSAVAT aus Baku.
Die türkische Zeitung YENI ŞAFAK geht ebenfalls von einem Krieg aus, beobachtet gar schon Vorbereitungen dazu: "Es ist zu hoffen, dass nicht alle Befürchtungen wahr werden. Aber im Kaukasus schrillen bereits ganz laut die Alarmglocken. Die Amerikaner verhalten sich derweil so, als ob sie nichts unternehmen, sondern im Gegenteil noch andere davon abhalten wollten, zu reagieren. Washington hat keinen Plan für den Kaukasus, würde jedoch gerne als Player in die Region zurückkehren. Die USA und Frankreich zeigen sich immer öfters als Unterstützer Armeniens. Die Vereinigten Staaten gehen wohl davon aus, dass ihnen ein Chaos in der Region nützen könnte. Denn wegen des Ukraine-Kriegs ist Russland in der Region nicht mehr präsent." Das war eine Analyse der Zeitung YENI ŞAFAK aus Istanbul.