19. September 2023
Die internationale Presseschau

In den Zeitungen im Ausland geht es heute unter anderem um die AfD in Deutschland, die UNO-Generalversammmlung und die europäische Migrationspolitik. Beginnen wir aber mit der Visa-Affäre in Polen. In polnischen Konsulaten sollen Visaanträge gegen Schmiergeld genehmigt worden sein.

Die weiß-rote Nationalfahne Polens und dahinter die Fahne der Europäischen Union (EU) wehen im Wind
Polnische Konsulate sollen gegen Schmiergeld Arbeitsvisa ausgestellt haben, die zur Weiterreise in den Schengen-Raum berechtigen. (dpa/Patrick Pleul)
Die polnische RZECZPOSPOLITA sieht darin einen "Megaskandal": "Polnische Visa zu verkaufen und Tausende von Migranten aus der ganzen Welt durch die Hintertür in andere EU-Länder zu lassen, ist kein Arbeitsunfall. Der Skandal ist eine logische Folge eines von der sogenannten 'Vereinten Rechten' in Polen geschaffenen Systems. Bei ihrem jeweiligen Amtsantritt erhielten die polnischen Außenminister unter Führung der PiS-Partei den Befehl von oben: Macht keine Außenpolitik, sondern setzt Parteianweisungen für den Machterhalt des herrschenden Lagers um. Die demokratische Opposition in Polen muss diesen Augias-Stall ausmisten und die Außenpolitik erneuern, wenn es ihr gelingt, die nächsten Parlamentswahlen zu gewinnen", betont die RZECZPOSPOLITA aus Warschau.
Die tschechische Zeitung MLADA FRONTA DNES erwartet Konsequenzen für die regierende PiS-Partei bei der Wahl in knapp einem Monat: "Für die konservative Regierung, die sich kompromisslos gegen jegliche illegale Migration stellt, ist der Korruptionsskandal ein Schlag. Die Frage ist nur, wie hart er sie treffen wird. In Meinungsumfragen steht die PiS mit gut 32 Prozent immer noch überraschend gut da. Die Opposition von Donald Tusk kommt aktuell nur auf gut 26 Prozent und hat im Vergleich zu vorherigen Umfragen sogar verloren. Vielleicht ist es aber noch zu früh und die Wähler haben ihre Verstimmung noch nicht zum Ausdruck gebracht", überlegt die Zeitung MLADÁ FRONTA DNES, die in Prag erscheint.
Der Schweizer TAGES-ANZEIGER befasst sich mit den Konflikten über eine neue europäische Asyl- und Migrationspolitik: "Nicht nur auf Lampedusa, auch in deutschen Kommunen sind die Behörden überfordert und sehen sich mit dem Unverständnis der Bevölkerung konfrontiert angesichts von Turnhallen, die von Asylbewerbern belegt sind. Die EU- und Schengen-Staaten können die Migration nur gemeinsam regeln, zumindest wenn Europa seinen Anspruch auf Humanität nicht ganz aufgeben will. Neben den grenznahen Auffanglagern für Asylbewerber mit geringer Chance auf ein Bleiberecht polarisiert neu ein Deal mit Tunesien, den Ursula von der Leyen über den Sommer zusammen mit dem Niederländer Mark Rutte und der Italienerin Giorgia Meloni eingefädelt hat. Tunesien bekommt viel Geld für seinen Haushalt und soll im Gegenzug Boote mit Migranten daran hindern, Richtung Europa abzulegen", erläutert der TAGES-ANZEIGER aus Zürich.
Die spanische Zeitung PUBLICO gibt zu Bedenken: "Tunesiens Präsident Saied regiert zunehmend autoritär. Er hat wichtige Oppositionelle inhaftieren lassen, die Zensur verschärft und eine neue Verfassung verabschieden lassen, die die Macht auf den Präsidenten konzentriert. Diesen Kontext gilt es zu bedenken, was das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und Tunesien betrifft. Saied verschärft im Inneren seine Rhetorik gegenüber Migranten aus Subsahara-Afrika und schreckt nicht vor dem Einsatz von Gewalt zurück. Die Botschaft aus Brüssel ist damit klar: Es ist uns egal, wie autoritär ihr seid, wie sehr ihr eure Bevölkerung unterdrückt und wie ihr mit Migranten umspringt – Hauptsache, sie werden aufgehalten und die Türen bleiben geschlossen", kritisiert PUBLICO aus Madrid.
Die französische Zeitung LIBERATION blickt nach Lampedusa und führt aus: "Am Wochenende kursierte in den sozialen Netzwerken ein Video mit einer Party-Szene. Zu sehen ist, wie Einwohner von Lampedusa oder Mitglieder von NGOs vor Ort mit den zuletzt auf der Insel Angekommenen tanzen. Unter diesem Video ist ein Satz zu lesen, der dem Schriftsteller Romain Gary zugeschrieben wird: 'Die Menschheit ist so schön, dass man sich damit begnügen muss, sie zu lieben.' Das ist die Wahl, vor der wir heute stehen: Wir müssen unsere Menschlichkeit wiederfinden. Oder akzeptieren, Kinder sterben zu lassen, in einem Mittelmeer, das zum größten Friedhof der Welt geworden ist", bemerkt LIBERATION aus Paris.
Themenwechsel: Die AfD-Vorsitzende Alice Weidel ist heute zu Gast bei der rechtspopulistischen FPÖ in Österreich. Dort will sie einen Vortrag über die deutsche Ampel-Koalition als "abschreckendes Beispiel" halten. DER STANDARD aus Wien schreibt dazu: "Weidel geistert derzeit mit dem Ausruf 'Sie wollen uns das Schnitzel nehmen! Niemand geht an mein Schnitzel!' durch die sozialen Medien. Aber es ist nicht komisch. Die AfD hält bei 21 Prozent und ist zweitstärkste Partei. Die FPÖ ist stärkste mit 32 Prozent. Beide Parteien wollen 'das System' - die liberale Demokratie - umstürzen und durch eine autoritäre Herrschaft ersetzen. Weder hier noch in Deutschland hat die offizielle Politik ein Rezept gegen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus", warnt DER STANDARD aus Österreich.
Die spanische Zeitung EL PAIS hebt hervor: "Die AfD ist in allen östlichen Bundesländern die zweitstärkste politische Kraft und die traditionellen Parteien raufen sich die Haare. Die Brandmauer nach rechts wankt. Es ist klar, was die Wähler der AfD hassen: die ökologische Wende, die Einwanderung, die Gleichstellung und Döner. Wenn man ihre Botschaften destilliert, bleibt vor allem Selbstmitleid. In der AfD gibt es viele, die sich durch die Einwanderung an die Seite gedrängt fühlen. Zudem scheint Deutschlands Wirtschaft besonders anfällig für den Krieg in der Ukraine, die Inflation und die Probleme mit China zu sein. Aber Deutschland hat auch die Fähigkeit, zu überraschen. Das Beste wäre, mit dem Jammern aufzuhören", rät EL PAIS aus Madrid.
Bundesaußenministerin Baerbock ist gerade in den USA, wo sie an der UNO-Vollversammlung teilnimmt. In einem Interview mit dem Sender Fox News bezeichnete sie Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping als Diktator. Die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG kommentiert: "In der Sache mag die deutsche Ministerin ja recht gehabt haben; Chinas Alleinherrscher Xi ist auch in der NZZ schon als Diktator bezeichnet worden. Aber eine Zeitung muss nicht diplomatisch sein, eine Außenministerin schon. Porzellan, das sie zerschlägt, müssen ihre Diplomaten zusammenkehren. Und in diesem Fall war der Schaden absehbar. China reagiert zuverlässig allergisch auf öffentliche Kritik. Die Volksrepublik ist nicht irgendein Land, zumal aus Sicht der Bundesrepublik. Sie war 2022 abermals deren mit Abstand wichtigster Handelspartner", erinnert die NZZ aus der Schweiz.
Die chinesische Zeitung XINJINGBAO beschäftigt sich mit der Frage einer Erweiterung des UNO-Sicherheitsrates: "Am Rande der Generalversammlung war zu vernehmen, dass sich US-Präsident Biden für eine Neustrukturierung des Gremiums einsetzt. Nach seinen Plänen sollen fünf bis sechs weitere Länder als ständige Mitglieder aufgenommen werden, darunter Deutschland, Japan, Indien und Brasilien. Hinter dem überraschenden Vorstoß aus Washington steckt weniger die Absicht, eine bessere regionale Ausgewogenheit im Sicherheitsrat zu erreichen. Es geht vielmehr um geostrategisches Kalkül. Das Weiße Haus versucht mit der Umgestaltung, den Einfluss Russlands in den Vereinten Nationen zurückzudrängen", vermutet XINJINGBAO aus Peking.
"Die Welt ist derzeit so gespalten, wie wir es seit der Gründung der UNO noch nie erlebt haben", heißt es in einem Gastkommentar in den ARAB NEWS aus Saudi-Arabien. "Die Vereinten Nationen schwanken unter der Last zahlreicher globaler Krisen und einer Blockade des Sicherheitsrates, der im vergangenen Jahr seiner Verantwortung für die Aufrechterhaltung von Frieden und Sicherheit oft nicht gerecht geworden ist. Die Schuld tragen die Mitgliedstaaten. Die UNO ist nur so stark wie ihre Mitglieder, und sie ist so schwach, wie diese sie machen." Das waren die ARAB NEWS aus Dschidda.